Teilhabe-Atlas Gut versorgt oder abgehängt? Die Lebenserwartung zeigt es!

Auch wenige Kilometer können über die Teilhabe-Chancen entscheiden. Nördlich des Rhein-Herne-Kanals in Gelsenkirchen haben Kinder bessere Startchancen. Quelle: imago images

Der neue Teilhabe-Atlas bringt unbequeme Ergebnisse. An den Gefühlen ostdeutscher Bürger ist viel dran: Dass sie mehr arbeiten, doch weniger haben, dass Ärzte weiter entfernt sind und das Internet auf sich warten lässt.

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Geht es in Deutschland wirklich gerecht zu? Am Ende lässt sich das an der Lebenserwartung ablesen, antwortet darauf eine neue Studie der Denkfabrik Berlin-Institut. Im „Teilhabe-Atlas“ wurden dafür alle 401 Landkreise und kreisfreien Städte untersucht.

Das Ergebnis: Die durchschnittliche Lebenserwartung driftet innerhalb Deutschlands um ganze sechs Jahre auseinander. Im gebeutelten Pirmasens, einer früheren Industriestadt in Rheinland-Pfalz, sei sie mit 77,4 Jahren am geringsten. Im gesättigten, wohlhabenden Starnberg in Oberbayern, liege sie am höchsten mit 83,4 Jahren. Ähnlich hoch ist sie im Schnitt in den Wirtschaftszentren Stuttgart und München mitsamt ihren Speckgürteln und im südlichsten Deutschland – vom Breisgau über den Bodensee bis Berchtesgaden. Ein viel kürzeres Rentnerleben erwartet Menschen in großen Teilen Ostdeutschlands und des Ruhrgebiets.

Die Bundesregierung duckt sich bei den ungleichen Lebensbedingungen in Deutschlands Regionen lieber weg. Die von ihr eingesetzte Kommission zu „gleichwertigen Lebensverhältnissen“ brachte zuletzt nur vage Ergebnisse, weil sich niemand durchringen konnte, den schwammigen Begriff genau zu umreißen und dann konkrete Lösungen anzubieten.



Abgehängt zu sein, ist nicht nur ein Gefühl

Das versucht nun diese bundesweite Studie, die zu einem wenig schmeichelhaften Schluss kommt für ein Land, in dem Chancengleichheit von Politikern der meisten Parteien hochgehalten wird.

Gut versorgt zu sein oder abgehängt hat viel mit dem Wohnort zu tun. Dabei wurden die ländlichen Regionen untereinander verglichen und die städtischen. Der Befund ist eindeutig: Am Gefühl vieler Ostdeutscher, abgehängt zu sein statt gut versorgt, ist einiges dran. Die Quote der Sozialhilfeempfänger, die Höhe der Einkommen, die Entfernung zum Arzt oder zum Supermarkt und anderen Dienstleistungen unterscheiden sich stark. Das gilt auch fürs Steueraufkommen der Kommunen vor Ort, für verlässliches Internet und den Nahverkehr.

Instituts-Direktor Reiner Klingholz, sagt, besonders gut seien die Bedingungen in Baden-Württemberg, in Teilen Bayerns und im südlichen Hessen. Besonders schlecht stünden auch 30 Jahre nach dem Mauerfall viele ostdeutsche Regionen da. Das gelte für Städte wie für ländliche Kreise. Dieses Schicksal teilten sie inzwischen aber mit vielen Ruhrgebietsstädten und dem Saarland, kleinen Teilen von Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Klingholz legt Wert darauf, dass es sich nicht nur um subjektive Empfindungen gehe, dass nicht der Fünf-Minuten-Takt der U-Bahn in der Stadt mit der Ruhe und preiswertem Bauland auf dem Land verglichen werden könne. Ungleichheit führe zu teils existenziellen Nachteilen, „wenn sich die Frage stellt, ob der Notarzt nach dem Schlaganfall in fünf oder in 30 Minuten vor Ort ist“.

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