Tempo 30 in der Stadt - und zwar auf allen Straßen: Das fordert das Umweltbundesamt. „Tempo 30 sollte auf allen Straßen in der Stadt gelten“, sagte Präsidentin Maria Krautzberger der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. „Tempo 30 bringt bessere Luft, flüssigeren Verkehr und weniger Unfälle - und man ist in der Regel genauso schnell unterwegs.“ Zwar könnten auf bestimmten Straßen auch höhere Geschwindigkeiten erlaubt werden, aber 30 Stundenkilometer solle die Regel sein.
In einem Papier mit dem Titel „Stadt für Morgen“ nennt das Umweltbundesamt (UBA) die Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit bei den kurzfristigen Zielen bis 2020. Dafür müsse die Straßenverkehrsordnung geändert werden. Dort heißt es bisher, die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrage innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 Kilometer pro Stunde.
Im Bundesverkehrsministerium hält man wenig von einer generellen Tempo 30-Regelung. Dies sei nicht geplant, teilte das Bundesverkehrsministerium dazu mit. Sie schränke die Entscheidungsfreiheit der Kommunen ein und bremse den Verkehrsfluss auf den Hauptverkehrsstraßen unverhältnismäßig, auf denen zwei Drittel des Verkehrs innerorts abgewickelt werde. Die geltende Regelung sei ausreichend und ermögliche den Behörden, in Wohngebieten Tempo-30-Zonen anzuordnen und zum Beispiel vor Schulen und Kitas auch auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 vorzuschreiben. Dafür war im Vergangenen Dezember die Straßenverkehrsordnung geändert worden.
Neben fachlichen Untersuchungen brauche es auch eine „breite gesellschaftliche Diskussion“, heißt es in einem weiteren UBA-Papier. In den 70er und 80er Jahren sei „sehr kontrovers“ über Tempo-30-Zonen in Wohngebieten debattiert worden. Inzwischen seien diese Zonen gesellschaftlicher Konsens.
Die erste Tempo-30-Zone in Deutschland war ein Modellversuch im November 1983 in der niedersächsischen Hansestadt Buxtehude. Viele weitere Städte folgten. Eine bundesweite Statistik zur Zahl der Zonen gibt es laut Verkehrsministerium nicht.
„Tempo 30 ist in Wohngebieten heute fast üblich“, sagte ein Sprecher des ADAC. „Aber wir haben immer ein Problem damit auf Hauptverkehrsstraßen.“ Er verwies auf eine Untersuchung im Auftrag des Automobilclubs vom vergangenen Herbst, der zufolge Autos bei Tempo 30 nicht weniger CO2 und Stickoxide ausstoßen als bei Tempo 50. Der ADAC argumentiert, dass Autofahrer vor allem zu verkehrsarmen Zeiten wie am Wochenende oder nachts ausgebremst würden. Zudem könne der Verkehr in Wohngebieten dann zunehmen, da die Route über Hauptstraßen nicht schneller sei.
Was Raser wissen müssen
Deutschlandweit gibt es 4231 Blitzer. Weltweit liegt Deutschland damit auf Platz fünf der Blitzer-Staaten: Platz vier belegen die USA mit 5647 Starenkästen, Großbritannien folgt mit 5754 Blitzern auf Platz drei. Der zweite Platz geht an Italien mit 6884 Blitzern und der erste Platz an Brasilien mit stolzen 14.395 Starenkästen.
Die meisten Radarfallen gibt es in Berlin: In der Hauptstadt stehen 22 festinstallierte Blitzer. Hinzu kommen 100 mobile Geschwindigkeitskontrollen. Zweitplatzierter ist Düsseldorf mit 37 stationären und mobilen Radarfallen. Danach kommt Hamburg mit 34 Blitzern, Stuttgart mit 32, Freiburg mit 24 sowie Bremen und Aalen mit je 20 Blitzern.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat 150 Städte befragt, wie hoch ihre Einnahmen aus Geschwindigkeitskontrollen im Jahr 2012 gewesen sind. Nicht im Ranking enthalten sind Großstädte wie Berlin, Hamburg und München, da die Städte trotz gesetzlicher Auskunftspflicht nicht auf die Anfrage des DAV reagiert haben. "Von den angeschriebenen Städten haben wir bisher nur 34 Fragebögen, zum Teil mit unvollständigen Angaben, zurückbekommen. Sechs dieser Städte haben außerdem die übermittelten Daten nicht zur Veröffentlichung freigegeben", sagte Jens Dötsch vom DAV.
Der dritte Platz ging an die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf: 5,3 Millionen Euro nahm die Stadt im Jahr 2012 durch Radarkontrollen ein. Die Stadt Dortmund kassierte - heruntergerechnet auf alle zugelassenen Pkw - 27,75 Euro pro Auto. Insgesamt flossen sieben Millionen Euro in die Haushaltskasse. Und ausgerechnet die Autostadt Stuttgart verdient 2012 am meisten an ihren Rasern: 7,9 Millionen Euro nahm die Hauptstadt Baden-Württembergs allein durch Radarkontrollen ein. Pro zugelassenem Pkw sind das 28,07 Euro.
Spezielle Smartphone-Apps und die meisten Navigationssysteme warnen den Fahrer vor Radarkontrollen. Das möge lehrreich sein, ist beides aber auch „ganz klar illegal“, so der Hamburger Anwalt Uwe Toben, Experte für Verkehrsstrafrecht. Denn die Straßenverkehrsordnung verbietet den Einsatz von technischen Geräten, die „dafür bestimmt sind, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören“. Warum das so ist und ob ein Handy überhaupt in diese Kategorie fällt weiß keiner so genau. Der Paragraf stammt aus einer Zeit, in der es weder Smartphones noch Navigationsgeräte gab. Anwalt Toben kann sich auch an keinen Fall erinnern, in dem jemand wegen seiner Handy-App Probleme bekommen hat. „Wo kein Kläger, da auch kein Richter“, sagt Toben.
Entsprechend wirbt auch der Navigationshersteller Tomtom auf seiner Website für seinen knapp 30 Euro teuren Service, der „mit ausreichend Vorlaufzeit“ vor Radarkameras warnt. Der Dienst mache den Straßenverkehr sicherer, behauptet das Unternehmen.
Und auch der Gesetzgeber hat nicht gegen jede Form von Blitzer-Warnung etwas: Die Radiosender etwa dürfen vor Radarfallen warnen. Wo genau hier die rechtliche Grenze zwischen technischen Geräten wie Handys oder Navigationssystemen gezogen wird, weiß niemand so genau.
Wer bis zu 20 Sachen zu schnell unterwegs ist, muss nur mit einem Bußgeld von bis zu 30 Euro rechnen. Ab 21 Stundenkilometern zu viel steigt die Höhe des Verwarngeldes schon auf 70 Euro und es gibt einen Punkt in Flensburg. Den kompletten Bußgeldkatalog finden Sie übrigens hier.
Wer außerorts 41 oder mehr Stundenkilometer über dem Limit fährt, muss ein Auto für mindestens einen Monat stehen lassen. Innerhalb einer Gemeinde gibt es schon ab einer Geschwindigkeitsübertretung von 31 km/h ein einmonatiges Fahrverbot.
In vielen deutschen Bundesländern gibt es bereits Blitzer ohne Blitz. Im Juni 2014 führte - nach Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bremen und Thüringen - auch Bayern das System TraffiStar 330 ein. Die Anlage liefert bei Tag und Nacht scharfe Bilder, ohne den Fahrer durch einen Blitz zu blenden. Bei der sogenannten Robot Black Flash Technologie kommt ein Infrarot-Blitz zum Einsatz, der für das menschliche Auge fast unsichtbar ist. Außerdem berechnet der TraffiStar 330 die Geschwindigkeit der Fahrzeuge anhand des Wegs, den das Auto in einer bestimmten Zeit zurückgelegt hat. Kritiker sagen jedoch, dass bei dieser Technologie der "Erziehungseffekt" wegfällt, weil der Raser erst beim Öffnen des Bußgeldbescheids von seiner Geschwindigkeitsübertretung erfährt.
Das Streckenradar funktioniert ähnlich wie der Blitzer ohne Blitz: Die Geschwindigkeit eines Autofahrers wird über einen längeren Abschnitt kontrolliert. Dafür fotografiert eine Kamera jedes Fahrzeug am Beginn des Abschnitts von hinten. Am Streckenende wird das Auto erneut erfasst. Wenn ein Fahrzeug die Strecke in einer Zeit zurücklegt, die nur durch die Übertretung des Tempolimits erreicht werden kann, wird das Fahrzeug von vorne geblitzt. In Niedersachsen startet im Frühjahr 2015 ein etwa 18 Monate langer Feldversuch mit der Technologie. Dort werden die Fahrer deutlich auf diese Form der Kontrolle hingewiesen. Erfahrungen mit der Technologie gibt es bereits im europäischen Ausland.
So haben notorische Raser in Italien das Streckenradar schon überlistet: Sie durchrasen den ersten Teil der Strecke mit hoher Geschwindigkeit. Danach trinkt der Fahrer an einer Raststätte einen Espresso und fährt nach der kurzen Pause weiter. So bleibt er insgesamt unter der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Mittlerweile gelten Fotos, die Blitzgeräte aufgenommen haben, nicht mehr als Beweismittel, weil sie gegen das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ verstoßen. Wer also einen bösen Brief samt Foto bekommt, kann - trotz gestochen scharfem Foto - behaupten, nicht zu wissen, wer das Auto zum fraglichen Zeitpunkt gefahren hat.
Die Grünen wollen Kommunen die Möglichkeit geben, „eigenständig und unbürokratisch“ über Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen innerorts zu entscheiden - nicht nur, wenn dort etwa eine Grundschule oder ein Altenheim stünden, die es die Regelung vom Dezember vorsehe. „Ab Tempo 30 steigt die Unfallschwere dramatisch an“, heißt es zur Begründung in einem Antrag der Bundestagsfraktion von Ende März.