Terror Behörden sollen großen IS-Anschlag in Deutschland verhindert haben

Noch 2016 soll der IS einen großen Anschlag in Deutschland geplant haben. Dieser konnte wohl verhindert werden, aber nicht alle mutmaßlichen Drahtzieher wurden gefasst.

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Die Verdächtigen sollen auch Kontakt zu Abu Walaa gehabt haben, dem mutmaßlichen Chef des IS Deutschland. Quelle: dpa

Berlin, Istanbul Die deutschen Sicherheitsbehörden haben nach Medienberichten in einer mehr als einjährigen Operation einen großangelegten Anschlagsplan der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) durchkreuzt. Dazu hätten 2016 drei Teams von Attentätern nach Deutschland reisen sollen, um die Tat vorzubereiten und durchzuführen. Ziel sei möglicherweise ein Musikfestival gewesen, berichteten NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ (Donnerstag) gemeinsam sowie parallel dazu auch die „Zeit“.

Die Bundesanwaltschaft bestätigte die Terrorpläne. „Wir haben sehr frühzeitig von den Anschlagsplanungen erfahren, so dass wir im Oktober des Jahres 2016 ein strafrechtliches Verfahren einleiten konnten“, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank den ARD-Sendern. „Für uns war die Faktenlage in diesem Fall sehr konkret und auch belastbar.“ Den Sendern zufolge werden weitere Tatbeteiligte noch gesucht.

Weitere Informationen zu laufenden Verfahren gebe es nicht, sagte ein Sprecher den Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe der dpa.

Eine zentrale Rolle habe ein deutsches Ehepaar spielen sollen, das im Herbst 2015 nach Syrien ausgereist sei und sich dem IS angeschlossen habe, berichteten die Medien übereinstimmend. Dabei handele es sich um Oguz G. und Marcia M. Die Frau, eine Konvertitin, habe von der nordsyrischen IS-Hochburg Al-Rakka aus Frauen in Norddeutschland gesucht, die bereit gewesen seien, potenzielle Attentäter zu heiraten und ihnen so einen Weg nach Deutschland zu ebnen. Eine der kontaktierten Frauen habe aber für den Verfassungsschutz gearbeitet.

Die Planungen seien durch die Ermittlungen und die beginnende militärische Niederlage des IS durchkreuzt worden. Die „Zeit“ berichtete, das Ehepaar habe sich im Oktober 2017 kurdischen Einheiten gestellt. Die beiden säßen seitdem in kurdischen Gefängnissen in Nordsyrien in Haft. Dort konnten NDR, WDR und „SZ“ den aus Hildesheim stammenden Ehemann interviewen. Er mache geltend, versucht zu haben, „aus der Sache wieder 'rauszukommen“, als er vom eigentlichen Anschlagsplan erfahren habe.

Der Fall wirft auch ein Schlaglicht auf den Strafprozess, der seit mehr als einem Jahr am Oberlandesgericht Celle gegen den Angeklagten Abu Walaa geführt wird. Bei ihm soll es sich um den Deutschlandchef des IS handeln. Zusammen mit vier anderen Angeklagten steht er wegen Unterstützung der Dschihadisten und Mitgliedschaft in der Terrormiliz vor Gericht. Sie sollen junge Menschen im Ruhrgebiet und im Raum Hildesheim radikalisiert und in die IS-Kampfgebiete geschickt haben.

Zu ihnen gehörte den Medienberichten zufolge auch Oguz G. Nach Angaben der „Zeit“ soll er in einer Hildesheimer Moschee auf Abu Walaa getroffen sein und sich radikalisiert haben. Im Moscheeverein sei er zum Schriftführer aufgestiegen.

Dieser Fall dürfte den Verdacht von Kennern der Szene untermauern, dass Abu Walaa in großem Stil Nachwuchs für den IS angeworben hat. Möglicherweise geriet Deutschland erst dadurch so massiv ins Visier von Dschihadisten, die sich in Syrien dem IS angeschlossen haben. Der Prozess gegen „Scheich Abu Walaa“ in Celle läuft bisher schleppend, unter anderem, weil sich etliche Angaben in dem Verfahren als wackelig erwiesen oder sich nicht gerichtsfest nachweisen ließen.

Nach den bisherigen Ermittlungen geht der Auftrag zu dem Anschlag auf einen hochrangigen IS-Funktionär mit dem Kampfnamen „Abu Mussab al-Almani“ zurück, berichteten die Zeitungen. Dabei handele es sich womöglich um einen bei Kämpfen in Syrien getöteten Schweizer.

Die Schweizer Bundesanwaltschaft bestätigte, dass sie gegen „Abu Mussab al-Almani“ im Februar 2017 ein Strafverfahren eingeleitet hat. Dabei sei es um den Verdacht gegangen, dass er gegen das Verbot von Al-Kaida und dem IS verstoßen und eine kriminelle Organisation unterstützt haben könnte. Seit November 2017 ruhe das Verfahren.

Ob es sich bei dem Mann tatsächlich um einen Schweizer Staatsbürger handelt oder warum das Verfahren ruht, wollte die Sprecherin Linda von Burg nicht sagen. Ein Verfahren kann nach der Strafprozessordnung unter anderem unterbrochen werden, wenn „die Täterschaft oder ihr Aufenthalt unbekannt ist oder andere vorübergehende Verfahrenshindernisse bestehen“.

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