
Der an den Pariser Anschlägen beteiligte Islamist Salah Abdeslam soll einem Bericht zufolge Unterlagen zum nordrhein-westfälischen Atomforschungszentrum Jülich in seiner Wohnung aufbewahrt haben. Neben ausgedruckten Internet-Artikeln zu der Kernforschungsanlage seien auch Fotos von deren Vorstandschef Wolfgang Marquardt gefunden worden, berichten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Donnerstag) unter Berufung auf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Ähnliche Informationen zur angeblichen Ausspähung eines belgischen Atomforschers hatten schon vor Wochen die Debatte über möglicherweise drohende Anschläge auf Atommeiler befeuert.
Der Bericht bezieht sich auf die Wohnung Abdeslams in der als Islamistenhochburg geltenden Brüsseler Gemeinde Molenbeek. Dort wurde der Franzose kurz vor den Brüsseler Anschlägen vom 22. März gefasst. Abdeslam gilt als Schlüsselfigur bei den Ermittlungen zur Pariser Terrorserie mit 130 Todesopfern am 13. November. Sein Bruder Brahim sprengte sich damals als Selbstmordattentäter in die Luft.
Laut dem RND-Bericht soll Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen mehrere Mitglieder des Bundestags-Kontrollgremiums Ende März in streng vertraulichen Vier-Augen-Gesprächen über den Fund in Abdeslams Wohnung unterrichtet haben. Kanzleramt und Innenministerium erklärten demnach, keine Informationen zu dem Sachverhalt zu haben.
Das Atomforschungszentrum Jülich
Der Forschungsreaktor Jülich war beim Start 1967 der erste deutsche Hochtemperaturreaktor. 15 kommunale Stromversorger wollten damit in den 60er Jahren nahe der Grenze zu den Niederlanden und Belgien die Funktionsfähigkeit eines neuen Reaktortyps nachweisen.
1988 wurde der Betrieb des Forschungsreaktors eingestellt. Der Versuchsreaktor soll bis 2022 zurückgebaut werden. Der radioaktiv belastete Reaktorbehälter wurde 2015 in ein Zwischenlager auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich gebracht.
Die hochstrahlenden Brennelemente lagern ebenfalls noch immer auf dem Gelände des Forschungszentrums. Sie wurden 1994 aus dem Reaktorbehälter entfernt und zwischengelagert. Nun ringen Experten um eine Lösung.
Die Atomaufsicht fordert die Räumung des Zwischenlagers mit den hochstrahlenden Brennelementen. Denn Jülich liegt im Erdbebengebiet Niederrheinische Bucht, und das Zwischenlager ist der Aufsichtsbehörde nicht ausreichend gegen Erdbeben gesichert.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat nach eigenen Angaben allerdings keine Erkenntnisse darüber, dass in der Wohnung von Abdeslam Unterlagen über das frühere Kernforschungszentrum Jülich gefunden wurden. Das sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Berlin. Der Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen habe in dieser Angelegenheit keine Gespräche mit Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums geführt.
Das Forschungszentrum in Jülich hat nach eigenen Angaben „keinerlei Hinweise auf eine etwaige Gefährdung“. Das schrieb die Einrichtung am Donnerstag in einem kurzen Statement auf ihrer Internetseite.
Der Linken-Abgeordnete André Hahn, der Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, sagte der dpa, mit ihm habe Maaßen nicht gesprochen. „Ich habe mit Mitgliedern der CDU, SPD und der Linken, die im Kontrollgremium sitzen, gesprochen“, zitierte der WDR am Donnerstag ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg. „Die sagen: vertrauliche Gespräche mit Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen habe es nicht gegeben.“
Die Gegner des Islamischen Staates
Die mächtigste Militärmacht der Welt führt den Kampf gegen den IS an. Seit mehr als einem Jahr bombardiert die US-Luftwaffe die Extremisten in Syrien und im Irak. An ihrer Seite sind auch Jets aus Frankreich und anderen westlichen Staaten sowie aus arabischen Ländern im Einsatz. Washington hat zudem US-Militärberater in den Irak entsandt, die Bagdad im Kampf am Boden unterstützen.
Moskaus Luftwaffe fliegt seit Ende September Luftangriffe in Syrien. Sie sollen nach Angaben des Kremls den IS bekämpfen. Der Westen und syrische Aktivsten werfen Russland jedoch vor, die meisten Luftangriffe richteten sich gegen andere Rebellen, um so das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu unterstützen.
Deutschland liefert seit mehr als einem Jahr Waffen an die Kurden im Norden des Iraks, darunter die Sturmgewehre G3 und G36 und die Panzerabwehrwaffe Milan. Die Bundeswehr bildet zudem kurdische Peschmerga-Kämpfer für den Kampf am Boden aus.
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Katar und Jordanien unterstützen die USA bei den Luftangriffen. Vor allem Saudi-Arabien und Jordanien sehen den IS als Gefahr, weil die Extremisten bis an ihre Grenzen herangerückt sind.
Sowohl im Norden Syriens als auch im Nordirak gehören die Kurden zu den erbittertsten Gegnern des IS. Die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) im Syrien und die Peschmerga im Irak konnten den Extremisten empfindliche Niederlagen beibringen. Unterstützt werden sie von mehreren westlichen Staaten.
Das irakische Militär geht in mehreren Regionen des Landes gegen den IS vor. Allerdings kann sie nur wenige Erfolge vorweisen. Seit Monaten versucht die Armee erfolglos, die westirakische Provinz Al-Anbar zu befreien. Unterstützt wird sie von schiitischen Milizen, die eng mit dem Iran verbunden sind.
Sie bekämpfen das Regime und den IS. Das gilt auch für die Nusra-Front, syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Sie teilt die Ideologie des IS, ist aber mit ihm verfeindet.
Auch das syrische Militär geht gegen den IS vor. Kritiker werfen dem Regime jedoch vor, es greife vor allem andere Rebellen an und lassen die Extremisten gewähren. Auffällig ist, dass sich die meisten syrischen Luftangriffe nicht gegen den IS, sondern gegen Regionen unter Kontrolle anderer Gruppen richten.
Nach den Bombenexplosionen in Brüssel mit 32 Todesopfern war berichtet worden, die Attentäter hätten auch einen belgischen Atomforscher ausspioniert und Filmaufnahmen seiner Wohnung gehabt. In der Folge wurde darüber spekuliert, dass von dem observierten Fachmann womöglich radioaktives Material für eine sogenannte schmutzige Bombe erpresst werden sollte.
Unmittelbar nach den Brüsseler Anschlägen waren zudem im belgischen Atomkraftwerk Tihange alle Mitarbeiter, die nicht unbedingt gebraucht wurden, nach Hause geschickt worden. Angeblich sollte so das Risiko minimiert werden, dass sich gefährliche Personen auf dem Gelände aufhalten. Bekannt wurde auch, dass ein Dschihadist als Mitarbeiter einer externen Dienstleistungsfirma jahrelang im Hochsicherheitsbereich des belgischen Kernkraftwerks Doel arbeitete, bevor er als IS-Kämpfer nach Syrien reiste und dort starb.
Die deutschen Atomkraftwerke sind nach Darstellung des Bundesumweltministeriums zwar umfassend gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter geschützt, zu denen auch Terrorangriffe zählen. Aus Sicht der Umweltorganisation BUND hingegen sind die Meiler nicht ausreichend gegen Terrorangriffe abgesichert. So schütze die vorgesehene Vernebelung der Gebäude, die gezielte Attacken aus der Luft verhindern soll, die Reaktoren nur minimal.