Testen und Öffnen Wie soll der Weg aus dem Lockdown aussehen?

Bund und Länder stellen die Tests an diesem Mittwoch voraussichtlich mit in den Mittelpunkt eines Öffnungsplans. Quelle: dpa

Deutschland wird ab März schrittweise zum Coronatest-Land. Die Teststrategie soll das Herzstück eines Öffnungsplans von Bund und Ländern werden. Doch kommen mehr Freiheiten nun wirklich bald?

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Der Wattetupfer könnte im Frühjahr für viele zu einem Pflichtutensil im deutschen Alltag werden. Mit ihm sollen sich die Menschen in ganz Deutschland voraussichtlich ab Mitte März auf Corona testen lassen können oder sich selbst testen. Bund und Länder stellen die Tests an diesem Mittwoch voraussichtlich mit in den Mittelpunkt eines Öffnungsplans. Doch Hoffnungen auf schnelle Schritte aus dem Lockdown könnten verfrüht sein.

Bund und Länder waren sich vor einem Monat einig: Erst bei höchstens 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen sollte es mehr Freiheiten geben. Kurz darauf begann dieser Wert mit dem Vormarsch der ansteckenderen britischen Virusmutation aber wieder zu steigen, am Dienstagmorgen lag die Inzidenz laut Robert Koch-Institut bundesweit bei 65,4.

Merkels Wende:

Am 25. Februar gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – zuerst vorsichtig – eine neue Parole aus: „Ich bin der Meinung, dass wir jetzt schauen müssen, und es muss sehr gründlich gemacht werden, ob wir uns durch ein vermehrtes Testen, auch mit diesen Selbsttests, einen Puffer erarbeiten können, so dass wir in der Inzidenz etwas höher gehen können als 35.“ Per Interview legte Merkel nach: Im März werde „ein solches System“ installiert sein.

Das Prinzip der Teststrategie:
Alle Bürgerinnen und Bürger sollen in Testzentren, Apotheken oder Praxen laut Konzept des Bundesgesundheitsministeriums zweimal wöchentlich kostenlos einen Antigen-Schnelltest machen lassen können – ab einem Tag im März, den Bund und Länder nun wohl nennen wollen. Getestete bekommen das Ergebnis schriftlich. Die Tests sollen helfen, Infektionen zu stoppen und das Virus einzudämmen. Die Nachweise sind laut Konzept auch „denkbar als Voraussetzung zum Betreten bestimmter Einrichtungen“. Dazu kommen Selbsttests, die man kaufen kann. Folgt man dem Papier aus dem Ressort von Minister Jens Spahn (CDU), sollen auch Schulen sie für Schülerinnen und Schüler und Unternehmen für ihre Beschäftigten bereitstellen. Selbsttests unter Aufsicht von Veranstaltern könnten auch Voraussetzung für das Betreten von Restaurants, Theatern oder Kinos werden.

Der Vorgang des Testens:

Bei Schnelltests führt geschultes Personal das Wattestäbchen tief in Rachen und Nase. Bei Selbsttest heißt es in der Anleitung eines von bisher drei zugelassenen Produkten: „Führen Sie die saugfähige Spitze des Tupfers vorsichtig in Ihr linkes Nasenloch ein. Stellen Sie sicher, dass sich die gesamte Tupferspitze in Ihrem Nasenloch befindet (2 bis 4 Zentimeter tief). Führen Sie den Tupfer nicht weiter ein, wenn Sie einen Widerstand spüren. Rollen Sie den Tupfer mindestens 5 Mal gegen die Innenseiten Ihres Nasenlochs.“ Dauer bis zum Ergebnis: 15 Minuten. Die Virologin Sandra Ciesek meint: „Ich glaube, einen Abstrich aus der vorderen Nase bekommt jeder hin.“

Rolle der Tests beim Öffnen:
Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) benannte bei Anne Will in der ARD als Kernfrage für das Bund-Länder-Treffen: „In welchen Bereichen, in denen die Ansteckungsgefahr groß ist, sollte man dann auch einen tagesaktuellen Schnelltest vorweisen können?“ Der Verband der Kinder- und Jugendärzte lehnt flächendeckende Tests an Schulen und Kitas ab – außer für alle „erwachsenen Personen, die Kontakt mit den Kindern haben“. Und der Präsident des Handelsverbands HDE, Josef Sanktjohanser, sagte am Montag bei einer Veranstaltung des Arbeitgeberverbands BDA, was er von Tests im Handel hält: „Extrem schwierig“ würde es, wenn die Politik sagt, man könne nur nach einem Selbsttest in einen Modeladen. Ein „absoluter Rückschritt an Freizügigkeit“ wäre es für ihn, dürften Lebensmittel-, Drogerie- oder Baumärkte nur Getestete einlassen.

Öffnungspläne:
Da gibt es mehrere. Der Senat von Berlin hat als Vorsitzland der Ministerpräsidentenkonferenz eine Strategie vorgelegt mit detaillierten Öffnungsschritten je nach Sieben-Tage-Inzidenz. Trotz Tests würde sich bei den aktuellen Inzidenz-Werten über 50 nur für Kinder etwas ändern. Sie dürften in kleinen Gruppen draußen wieder Sport treiben. Das Robert Koch-Institut nennt in seinem Konzept als Voraussetzung für Öffnungen eine milde Inzidenz und wenige Corona-Intensivpatienten – in einzelnen Landkreisen, „wenn ein überwiegender Anteil der Landkreise Indikatoren mit Werten aufweist, die dies erlauben“.

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Digitale Kontaktnachverfolgung:
Die Gesundheitsämter sollen beim Stoppen von Infektionsketten besser digital unterstützt werden, wie Braun deutlich machte. Ein von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bestellter Expertenrat will Lockerungen an Schutzkonzepte geknüpft sehen. Nicht nur mit Tests. Sondern auch mit einer technologischen Plattform zur Nachverfolgung der Infektionsketten unter Einbeziehung der Gesundheitsämter – und mit digitaler Verfolgung von Infektionsherden. Beides steht noch nicht. Eine verbesserte Corona-Warn-App könnte laut dem Rat helfen.

Gedämpfte Erwartungen:
Die Tests sollen nun breit kommen. Bei den Selbsttests nennt eine erste Drogeriemarktkette den 9. März als Verkaufsstart. Doch einen Dämpfer könnten noch in dieser Woche erwartete neue Zahlen bringen – zur Verbreitung der ansteckenderen und womöglich auch tödlicheren britischen Corona-Variante. Die Klinikärzte vom Marburger Bund warnen. Wenn die dritte Welle ungebremst auf die Millionen noch ungeimpften Jüngeren mit höherem Krankheitsrisiko trifft, würden mehr von ihnen zu Corona-Intensivpatienten, wie Verbandschefin Susanne Johna nun der Funke Mediengruppe sagte. Spahn mahnt: „Wir würden es uns allen nicht verzeihen, aber Sie auch Ihrer Regierung nicht, wenn wir jetzt zu schnell lockerten und auf einmal in vier oder sechs Wochen wieder vor ganz anderen Fragen stünden.“

Mehr zum Thema: Weil nur eine Handvoll Bundesländer ihre Daten über das „Digitale Impfquotenmonitoring“ melden, muss sich das Robert Koch-Institut die täglichen Impfzahlen aus E-Mails zusammenklauben.

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