Thilo Sarrazin "Es regiert die Gleichheitsideologie"

Seite 3/7

Medien beeinflussen die Politik ganz stark

Porträt eines Provokateurs
Thilo Sarrazin Quelle: dpa
Thilo Sarrazin Quelle: dpa
Thilo Sarrazin Quelle: dapd
Thilo Sarrazin Quelle: AP
Bahn Hartmut Mehdorn Quelle: AP
Zwischen 2002 und 2009 ist Sarrazin Finanzsenator in Berlin (hier im Bild mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit) und führt eine strenge Haushaltspolitik. Während dieser Zeit setzt er unter anderem Einsparungen von fast 600 Millionen Euro durch und verhängt 2003 eine Haushaltssperre. 2006 lehnt er eine Klage des Landes Berlin ab, das wegen "extremer Haushaltsnotlage" Sanierungshilfen vom Bund gefordert hatte. Quelle: dpa
Sarrazin Schatten Quelle: dpa

Werfen Sie Merkel, Schäuble und Steinmeier vor, dass sie gezielt Debatten abschneiden?

Sarrazin: Frau Merkel und Herr Schäuble haben die Tendenz, Debatten zu unterdrücken. Aber mein Buch handelt ja vor allem von Medien, und Medien beeinflussen ganz stark die Politik. Aus meiner eigenen Erfahrung als ehemaliger Politiker kann ich sagen: Politiker interessieren sich nicht dafür, was das Volk sagt, sondern was die Medien dem Volk sagen.

 

Jetzt sagen Sie bitte nicht wie Schröder: Bild, BamS, Glotze!

Sarrazin: Politiker gucken auf die Medien, denn das Volk lernen sie ja gar nicht mehr kennen, allenfalls noch die Kellnerin. Als ich in Berlin Finanzsenator war, hatte ich auf meiner Beobachtungsliste natürlich die Lokalpresse und gewisse Wirtschaftsjournalisten. Das waren acht bis zehn Leute, denen musst Du Deine Politik erklären, zu denen musst Du ein vernünftiges Arbeitsverhältnis aufbauen. Dann brauchst Du Dir um Deine mediale Darstellung keine großen Sorgen zu machen. Die meisten Politiker handeln da ganz rational. Politiker sind auch keine Wissenschaftler, müssen sie auch nicht sein. Wenn sie mal einen Standpunkt gefunden haben, müssen sie ihn auch durchsetzen. Wenn Schäuble, Merkel und der Fraktionsvorsitzende Kauder in ihrer Partei alle Eurokritiker wegbeißen, dann ist das nicht sehr fein. Aber so ist das in der Politik.

 

Mit ihrer Position müssten Sie sich ja eher mit der AfD anfreunden können als mit Ihrer eigenen Partei, der SPD?

Sarrazin: Tatsächlich kommt die einzige fundamentale Gegenposition von der AfD, in der sich ja einige kluge Ökonomen versammelt haben, und aus der linken Hälfte der PDS. In der Eurofrage verbindet mich mit Sahra Wagenknecht mehr als mit allen etablierten Parteien. Es bleibt ja gar nichts anderes mehr übrig. Dass nicht mehr offen über die Probleme der Einheitswährung gesprochen wurde, hat uns ja gerade in die aktuelle fatale ökonomische Lage geführt, in der wir sind.

In den Unternehmen schlägt sich das in Frauenquoten nieder. Sehen Sie darin eine Gefahr für die Unternehmen?

Sarrazin: Ich sehe das vor allem mit einer gewissen Heiterkeit. Die Unternehmensvertreter sind hilflos und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Ingenieurwissenschaftliche Studiengänge werden mit überwiegender Mehrheit von Männern belegt.. In den Kulturwissenschaften ist es genau umgekehrt.. Beides hat sich auch nicht wesentlich über die vergangenen Jahrzehnte geändert. Wenn es einigermaßen gerecht zugeht, wird die Zusammensetzung der Unternehmensleitungen in 20 bis 25 Jahren die Zusammensetzung der heutigen Studienjahrgänge abbilden. Und wenn Sie dann auf die Ingenieure schauen – immer noch 80 Prozent Männer unter den Studenten -, dann wird sich in den Unternehmen nicht viel ändern, gar nicht ändern können.

Ist die Studienwahl denn neigungsbedingt oder perpetuiert sich das von selbst. Wenn Frauen sehen: Im Maschinenbau-Unternehmen haben wir es schwer, dann ist es logisch, dass weniger Frauen Maschinenbau studieren.

Sarrazin: Kein 15-jähriges Mädchen denkt über seinen Beruf nach, es folgt seinen Neigungen. Genau wie die Jungs.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%