Thomas Sattelberger „Dieses Land ist viel zu fortschrittsmüde“

Thomas Sattelberger im Jahr 2007 Quelle: REUTERS

Der ehemalige Topmanager und FDP-Politiker Thomas Sattelberger plädiert für eine Innovationsagentur des Bundes nach amerikanischem Vorbild. Warum, das erklärt er im Interview.

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Herr Sattelberger, Sie wollen, dass die Bundesregierung eine „Agentur für radikale Innovation“ ins Leben ruft. Warum? Dem Standort Deutschland geht es doch prächtig.
Tja, und genau das ist das Problem. Uns geht es zu gut, wir werden träge. Deutschland ist innovationsschwach und fortschrittsmüde geworden. Wir stecken unsere Energie in die Verfeinerung und Ausbeutung unserer bestehenden Stärken - worin wir aber morgen stark und führend sein sollten, das interessiert leider viel zu wenige.

Was würde eine Innovations-Agentur daran ändern?
Sie wäre der Stachel im Fleisch der Trägen. Und ein Vorbild. Ein Inkubator für großartige, bahnbrechende Ideen.

Klingt zu schön, um wahr zu werden.
Im Gegenteil: Sie muss wahr werden, damit es weiter schön bleibt. Die Bundesrepublik wird doch von zwei Seiten massiv unter Druck gesetzt: Die Amerikaner haben eine enorm potente Digitalwirtschaft, die Chinesen haben sich zu einem maschinellen Hochleistungsstandort entwickelt. Noch schlimmer sogar: Die USA modernisieren nun wieder ihre Industrie und Peking will auch digital an die Spitze  - koste es, was es wolle. Und dazwischen klemmen die Deutschen in einer Sandwichposition. Die Agentur für radikale Innovation könnte uns aus dieser Lage befreien, weil sie brachliegende Kräfte entfesselt.

Zur Person:

Konkret: Wie genau soll das geschehen?
Ich habe ein konkretes Vorbild: Die Innovationsagentur Darpa in den USA, die unter anderem die Sprachsteuerung Siri oder das GPS hervorgebracht hat und auch bei Projekten zu künstlicher Intelligenz extrem gut aufgestellt ist. So einen Brutkasten brauchen wir auch. Einen solchen Schutz- und Freiraum für technologie-getriebene Experimente und Projekte gibt es hierzulande bislang nicht - da muss es Wettbewerbe geben, üppige Preisgelder, überhaupt eine generöse Grundfinanzierung, die volles Risiko gehen darf.

Was meinen Sie mit Wettbewerben?
So etwas wie die Darpa Challenge 2005, die der emigrierte deutsche Stanford-Professor und Silicon-Valley-Investor Sebastian Thrun mit seinem Roboterauto „Stanley“ gewann: ein Rennen autonomer Fahrzeuge in der Mojave-Wüste von Nevada. 

Welche finanzielle Größenordnung schwebt Ihnen vor?
500 Millionen Euro pro Jahr Bundesgeld müssten es in der Vollausbaustufe sicher sein. Dazu eine Rechtsform, die attraktive, international wettbewerbsfähige Bezahlung ermöglicht und außerdem die Gewissheit liefert, dass nicht sofort der Bundesrechnungshof jeden Euro infrage stellt, der in waghalsige Projekte fließt. So viel Wagemut und Flexibilität wie möglich und nur die allernötigsten Beschränkungen. Mit Beamtenrecht werden wir jedenfalls nicht weit kommen.

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Nun gibt es in Deutschland aber doch eine sehr große Forschungslandschaft mit Max-Planck- und Fraunhofer-Instituten, der Helmholtz-Gesellschaft, exzellenten Universitäten. Die Start-up-Szene floriert. Kann man eine solche Agentur nicht in dieses System einbetten?
Bitte nicht! Mal ehrlich: Die großen Verbünde, die sie genannt haben, die großen Dax-Schiffe eingeschlossen, haben sich alle nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn es um fundamentale Innovation und Transformation geht. Deshalb: Alles neu, auf der grünen Wiese, mit den besten Köpfen und den besten Aufsichtsräten, die unbedingt Innovations- und Disruptionserfahrung mitbringen müssen.

Sie haben da doch sicher Namen im Kopf…
Jemand wie Sebastian Thrun würde mir tatsächlich gefallen – das wären Leute, die ich in einem Kuratorium oder Aufsichtsgremium sehen möchte. Oder Persönlichkeiten wie SAP-Gründer Hasso Plattner. Diese Liga müsste es sein.

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