Thüringer AfD-Fraktionschef Hessen soll gegen AfD-Lehrer Höcke vorgehen

AfD-Mann Höcke sorgt immer wieder mit extremen Äußerungen für Aufsehen. Für Politiker der etablierten Parteien hat er den Bogen schon lange überspannt. Sie fordern nun Konsequenzen für den beurlaubten Lehrer aus Hessen.

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„Ich habe den von mir geliebten Lehrerberuf eben nicht aufgegeben, um in einem anderen Bereich eine geschmeidige Karriere zu machen und den Zeitgeist zu exekutieren.“ Quelle: dpa

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke hat früher als Oberstudienrat Sport und Geschichte im nordhessischen Bad Sooden-Allendorf unterrichtet. Bis 2019 ist er in den Thüringer Landtag gewählt und für diese Zeit beurlaubt. Dass Höcke sich in seiner neuen Funktion immer wieder im Wort vergreift, halten Politiker von SPD und FDP mit seinem Beamtenstatus jedoch nicht vereinbar. Sie fordern deshalb Konsequenzen vom Land Hessen.

Die frühere hessische Kultusministerin Nicola Beer (FDP) brachte ein Disziplinarverfahren gegen den AfD-Fraktionschef im Erfurter Landtag ins Spiel. „Fest steht, dass der Lehrer Höcke rein rechtlich betrachtet auch während seiner Beurlaubung seine Dienstpflicht verletzen kann.“ Insbesondere Höckes „populationsökologischen“ Aussagen – er sprach im November vergangenen Jahres von einem „lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp“ – und seine Theorien zum Islam seien „durchaus geeignet, um ein Disziplinarverfahren wegen der ‚Beeinträchtigung des Ansehens des Dienstherrn‘ einzuleiten“, sagte Beer dem Handelsblatt. „Sein Dienstherr hätte längst ein solches Disziplinarverfahren anstrengen sollen, an dessen Ende sogar seine Entlassung als Beamter stehen könnte“, fügte die Generalsekretärin der Bundes-FDP hinzu.

Ähnlich äußerte sich der SPD-Bundesvize Ralf Stegner. Es müsse „alles getan werden, um zu verhindern, dass dieser Mann jemals wieder pädagogische Verantwortung für junge Menschen übertragen bekommt. Das ist die Aufgabe der zuständigen Behörden in Hessen“, sagte Stegner dem Handelsblatt.

Die Sprüche der AfD

Höcke sorgt immer wieder mit extremen Äußerungen für bundesweites Aufsehen. Als er auf einer Veranstaltung im November vergangenen Jahres in Sachsen-Anhalt von einem „lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp“ sprach – werteten Experten seine Einlassungen als rassistisch. Bei einer anderen Gelegenheit hatte er zudem gesagt, Deutschland werde „von Idioten regiert“ und man müsse Angela Merkel „in der Zwangsjacke“ aus dem Kanzleramt führen. Außerdem hatte er schon mehrfach das Grundrecht auf Religionsfreiheit infrage gestellt.

Auf Empörung stößt aktuell ein Nazi-Vergleich Höckes. Er verglich die neue Dokumentationsstelle für Menschenrechte in Thüringen (Offiziell: „Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft“) mit der NS-Reichskulturkammer. Die Dokumentationsstelle stehe in einer Tradition der Reichskulturkammer von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Ihr Ziel sei, konservative, patriotische und liberale Auffassungen zu diffamieren. Das sei ein Verstoß gegen die Thüringer Verfassung, sagte Höcke.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung ist Träger der Dokumentationsstelle, die der Freistaat in diesem Jahr mit 200.000 Euro fördert. Der Stiftung zufolge soll das Institut nicht nur die rechte Szene beobachten, sondern etwa auch Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamismus.

„Die Eröffnung eines förmlichen Disziplinarverfahrens ist geboten“

Aus Sicht des Speyrers Staatsrechtlers Joachim Wieland wecken Höckes Äußerungen „zumindest erhebliche Zweifel, ob er seine Pflicht, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen und für sie einzutreten, nicht schuldhaft verletzt hat“. Der Dienstherr müsse daher „prüfen, ob dieses Verhalten außerhalb des Dienstes nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt eines Oberstudienrats bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen“, sagte der Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer dem Handelsblatt. Nur dann liege nach Paragraph 47 Absatz 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz ein Dienstvergehen vor.

„Dafür spricht hier, dass Herrn Höcke als Lehrer eine besondere Verantwortung trifft, so dass ein Dienstvergehen vorliegen dürfte“, so Wieland weiter. „Jedenfalls die Eröffnung eines förmlichen Disziplinarverfahrens, in dem das Verhalten geprüft wird, ist geboten.“ Ob das Dienstvergehen so schwer ist, dass über einen Verweis oder eine Geldbuße hinaus bereits als erste Disziplinarmaßnahme eine Entfernung aus dem Dienst in Betracht komme, scheine ihm zwar zweifelhaft. Aber, erklärte Wieland weiter: „Im Wiederholungsfall wäre auch diese Disziplinarmaßnahme möglich.“

Wieland betonte, dass Höcke auch als beurlaubter Beamter an die Dienstpflichten gebunden sei, die sich aus seinem Beamtenstatus ergäben. Dazu gehört insbesondere die Pflicht, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. „Die Beurlaubung und die Stellung als Abgeordneter ändern an dieser Pflicht nichts“, betonte der Jurist. „Solange Herr Höcke nicht aus dem Dienst ausscheidet, muss er die Pflicht erfüllen.“

SPD nennt Höcke einen „politischen Extremisten“

Vom hessischen Kultusministerium war zu einem möglichen Disziplinarverfahren gegen Höcke zunächst keine Stellungnahme zu bekommen. Ein Sprecher von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) verwies bisher immer auf eine Stellungnahme des Ministers vom Januar. „Sollte Herr Höcke nach seiner Tätigkeit im Thüringer Landtag wieder in den hessischen Schuldienst zurückkehren wollen, werde ich unter Beachtung bzw. Einhaltung aller rechtlichen Voraussetzungen und im Rahmen meiner Möglichkeiten alles dafür tun, dass Herr Höcke nicht mehr Unterricht an einer unserer Schulen erteilt“, hatte der CDU-Politiker damals gesagt.

Von Höcke selbst war ebenfalls keine Stellungnahme zu erhalten. Auf Anfragen des Handelsblatts reagierte er nicht.


Zuletzt hatte Höcke mit scharfer Kritik auf „Attacken aus den Reihen der Altparteien“ gegen ihn als beurlaubten Beamten des Landes Hessen reagiert und von „Angriffen auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ gesprochen. Wer das freie Mandat eines Abgeordneten in Frage stelle, befinde sich nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes. „Ich möchte den hessischen Kultusminister Professor Lorz an seine Fürsorgepflicht erinnern und erwarte, dass er sich unverzüglich hinter seinen Beamten stellt“, so Höcke im Mai auf seiner Facebook-Seite.

In ähnlicher Weise war Höcke schon einmal den Minister angegangen. Nach dessen Äußerungen im Januar warf der AfD-Mann dem CDU-Politiker vor, seine Fürsorgepflicht als Dienstherr verletzt zu haben. „Ich war ein bei Kollegen und Eltern geschätzter und bei Schülern beliebter Lehrer“, hatte Höcke damals auf Facebook geschrieben. Sein Politikstil sei „volkstümlich-kämpferisch“. Und er verglich seine Art Politik zu machen mit der von Franz Joseph Strauß oder Herbert Wehner. „Ich habe den von mir geliebten Lehrerberuf eben nicht aufgegeben, um in einem anderen Bereich eine geschmeidige Karriere zu machen und den Zeitgeist zu exekutieren“, betonte Höcke und mahnte den Minister: „Das haben Sie zu akzeptieren.“

Stegner nannte Höcke einen „politischen Extremisten“, der gemeinsam mit seinen rechtspopulistischen Parteifreunden „politisch bekämpft und möglichst aus Parlamenten herausgehalten werden sollte“.

Für die FDP-Politikerin Beer hat Höcke „mit seinen verstörenden Äußerungen zu ‚Fortpflanzungsstrategien‘ von Völkern in Europa und Afrika eine biologistische Weltsicht offenbart und damit unzweideutig seine Eignung, Kinder und Jugendliche zu unterrichten, selbst infrage gestellt“. Auch seine Theorien zum Islam disqualifizierten ihn für eine Rückkehr in den hessischen Schuldienst.

„Deshalb halte ich es für notwendig, alle rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um Björn Höcke zumindest vom Einsatz als Lehrer in einer hessischen Schule auszuschließen. Denn er wäre eine Zumutung für die Schüler und könnte den Versuch unternehmen, Kindern und Jugendlichen sein krudes Gedankengut zu vermitteln.“

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