Christian Schmidt hat es spannend gemacht, zumindest ein bisschen. Pünktlich zum großen Jahresauftakt der Agrarbranche bei der Grünen Woche in Berlin will der Bundeslandwirtschaftsminister am Donnerstag sein lange angekündigtes Tierwohl-Label für Fleisch im Supermarkt präsentieren. Grundzüge hat der CSU-Mann bereits bekannt gemacht - genügend, dass auch Kritiker gleich mit mobil machen.
Was ist der Sinn des neuen Labels?
„Der Verbraucher soll verlässlich wissen, dass mit dem, was er bezahlt, ein höherer Tierwohl-Standard umgesetzt wird“, lautet Schmidts zentrale Maxime. Soll heißen: höher als die gesetzlichen Anforderungen, zum Beispiel mit mehr Platz oder Spielmaterial für Schweine in den Ställen. Dabei soll das staatliche Siegel in die Breite des Marktes gehen und nicht nur für Nischenprodukte gelten.
Wie soll das Label funktionieren?
Den unmittelbaren Startschuss für das Siegel will der Minister noch nicht geben - aber Eckpunkte und einen Fahrplan vorstellen. Kommen soll das Label „spätestens 2018“, und zwar zuerst für Schweine und Mastgeflügel. Neben frischem Fleisch soll es auch für Fertiggerichte und Wurst verwendet werden können - und zwar freiwillig und nicht verordnet per Gesetz. Geplant sind mehrere Stufen, allerdings gehe es ganz grundsätzlich nicht um ein „Premium-Luxus-Label“.
Das sind die besten Bio-Fleischersatzprodukte
Als einziges Produkt erhält „Gut Bio Soja-Schnitzel“ von Aldi Nord die Note „gut“. Es kostet 1,85 Euro pro 175 Gramm, hat einen niedrigen Salzgehalt und schneidet auch in den anderen Kategorien überdurchschnittlich gut ab.
Quelle: Ökotest
Alberts Lupinenschnitzel von Purvegan hat es auf den zweiten Platz geschafft und erhält ebenfalls die Note „befriedigend“. 200 Gramm kosten 3,99 Euro. Der Mineralölanteil ist stark erhöht. Dafür liegt der Salzgehalt im Rahmen.
Der Paprika-Veggie-Aufschnitt von Alnatura erhält ebenfalls die Note befriedigend. Der Salzgehalt ist mit 2,9 Gramm pro 100 Gramm laut den Testern zu hoch – dafür war kein Mineralöl nachzuweisen und es sind auch sonst keine weiteren Mängel auszumachen. Kostenpunkt: 2,49 Euro pro 125 Gramm.
Auf Rang vier steht das „Veggie Life Power Hacksteak“ von Tofutown. 210 Gramm kosten 3,49. Trotz erhöhtem Mineralölanteil erhält es die Note „befriedigend“.
Was können Verbraucher erwarten?
Tatsächlich kleben Logos schon auf manchen Packungen. Auf breiter Front im Milliardenmarkt durchgesetzt und große Bekanntheit erlangt haben sie aber nicht. „Das heißt, dass immer der niedrigste Preis das ausschlaggebende Kaufkriterium ist“, analysiert Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Dabei sei besserer Tierschutz vielen Kunden mehr Geld wert - wenn auch nicht gleich die bei Fleisch deutlich teurere Biostufe. Daher sei ein staatliches Siegel wichtig, mit dem Anbieter auch nicht „wild durch die Gegend werben“ können.
Die Mär vom guten Fleisch? Wie es nutzt und wo es schadet
Fleisch liefert hochwertiges Eiweiß, essenzielle Aminosäuren sowie die Vitamine B1, B6 und B12. Das Spurenelement Eisen ist wichtig für die Blutbildung. „Fleisch trägt dazu bei, den Protein- und Eisenbedarf zu decken“, erläutert der Präsident des Max-Rubner-Instituts für Ernährung und Lebensmittel, Prof. Gerhard Rechkemmer. „Mit Ausnahme von Vitamin B12 können wir alle essenziellen Nährstoffe aber auch aus pflanzlichen Lebensmitteln bekommen.“ Wer als Vegetarier Milch und Eier esse, sei nicht automatisch unterversorgt.
Gerade geräuchertes Fleisch und Wurst enthalten relativ viel Salz - wer viel davon isst, überschreitet schnell die empfohlenen Mengen. Nicht schmecken kann man dagegen Rückstände von Antibiotika und resistente Keime. Um den Medikamenten-Einsatz in der Massentierhaltung wird seit langem gerungen. Beanstandet wird aber nur relativ wenig mit Antibiotika belastetes Fleisch, wie aus dem Bericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) von 2012 hervorgeht. Durch verunreinigtes Futter wurde in Fleisch auch schon Quecksilber nachgewiesen. Viren auf Fleisch gelten als schwer nachzuweisen. Der Anteil lebensmittelbedingter Virusinfektionen lässt sich laut DGE nicht abschätzen.
Sind Höchstgrenzen überschritten, dürfen Produkte nicht in den Handel gelangen. Verkaufsverbot gilt europaweit auch für Fleisch von Tieren, die mit Wachstumshormonen behandelt wurden. „Der Standard der Lebensmittelsicherung in Deutschland ist so hoch, dass man sich um die Gesundheit keine Sorgen machen muss“, sagte der Epidemiologe Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE). Durch resistente Keime auf Fleisch wird allerdings eine Resistenz gegen Antibiotika auch für Krankheitserreger des Menschen befürchtet.
„Zu weißem Fleisch hat man bisher in keiner epidemiologischen Studie einen Zusammenhang mit Krebs gefunden“, sagte Boeing. Generell bewertet auch die DGE Geflügel unter gesundheitlichen Gesichtspunkten günstiger als rotes Fleisch. Aus Angst vor Krebs nun vermehrt auf Geflügel umzuschwenken, ist Boeing zufolge aber nicht der logische Schluss aus der WHO-Empfehlung. Er empfiehlt auch aus ethischen Gründen eine gesündere Menge: „Wir bräuchten ernährungsphysiologisch gar nicht so viel Fleisch.“ Hinzu kommt: Antibiotika-resistente und andere potenziell krankmachende Keime werden insbesondere auf Geflügel gefunden. Hygiene bei der Zubereitung ist daher wichtig.
Auf Fleisch kann man gut verzichten, sind sich Experten einig. Vegetarier müssten sich aber mit Nährwerten und abwechslungsreicher Ernährung befassen, um beispielsweise Eisen optimal auszunutzen. Denn Eisen aus Gemüse, Hülsenfrüchten oder Vollkornprodukten kann der Körper nicht so leicht aufnehmen wie tierisches. Kombiniert mit Vitamin C lässt sich die Aufnahme aber verbessern, wie Rechkemmer schildert.
Vitamin B12 ist für Veganer ein kritischer Nährstoff, weil er nicht in pflanzlichen Quellen vorkommt: Es müsste durch Nahrungsergänzungsmittel oder angereicherte Lebensmittel ersetzt werden. Wer zu Pillen greifen will, solle aber gezielt einen Stoff einnehmen, anstatt auf den Streueffekt zu setzen: „Von Multinährstoffpräparaten halte ich gar nichts“, sagte Rechkemmer.
Massentierhaltung steht schon lange in der Kritik: Viehtransporter und dunkle, enge Ställe voller Tiere - das ist für viele Vegetarier und Veganer Anreiz genug zum Fleischboykott. Aber auch der Verzicht dem Klima zuliebe ist begründet: Die Umweltstiftung WWF etwa sieht hohen Fleischkonsum als „Brandbeschleuniger“ für die globale Klimaveränderung. Denn für eine fleischreiche Ernährung sind viel mehr Flächen nötig als für eine pflanzliche. Werden etwa Wälder in Südamerika für den Anbau von Tierfutter wie Soja abgeholzt, wird Kohlendioxid aus Bäumen und Böden freigesetzt.
Gibt es nicht schon ähnliche Vorstöße?
Verschiedene Initiativen für bessere Bedingungen in Ställen laufen schon. Darunter sind ein vom Ministerium unterstütztes Siegel des Tierschutzbunds und die „Initiative Tierwohl“ von Landwirtschaft und Handel. Dabei zahlen Supermarktketten in einen Fonds ein, aus dem freiwillig teilnehmende Landwirte Geld bekommen - ein spezielles Logo auf den Packungen gibt es hier aber nicht. Bauernpräsident Joachim Rukwied mahnt an, dass dieses Programm nicht gefährdet werden dürfe, das schon 13 Millionen Schweine in bessere Haltungsformen gebracht habe. Schmidt ließ durchblicken, dass er diese Substanz nutzen will.
Welche Kritik an den Plänen wird schon laut?
Zentraler Kritikpunkt von Tier- und Umweltschützern und Opposition ist die geplante Freiwilligkeit des Labels. „Wenn der Minister das Leben der Tiere in den Ställen tatsächlich verbessern wollte, wäre die Kennzeichnung verbindlich“, sagt Grünen-Verbraucherexpertin Nicole Maisch. Zumindest ergänzend nötig sei auch, das gesetzliche Niveau der Nutztierhaltung insgesamt anzuheben, fordert der Deutsche Tierschutzbund. Das routinemäßige Kürzen von Schwänzen bei Ferkeln müsse nicht nur freiwillig in „gelabelten“ Ställen ein Ende haben.