Das große Ziel von Sigmar Gabriels Reform war es, etwas an der Befreiung von der EEG-Umlage für stromintensive Unternehmen zu ändern. Hat sich da etwas getan?
Am Kreis der privilegierten Unternehmen und der Höhe der Befreiung hat sich nicht viel geändert. Das Ziel, an dieser Stelle Kosten einzusparen, ist verfehlt worden. Die gut fünf Milliarden Euro, von denen die Industrie freigestellt ist, werden nach wie vor auf andere, schmalere Schultern umverteilt: Auf die kleinen Unternehmer, die Gewerbetreibenden, die privaten Endverbraucher.
Also ist die Reform gescheitert?
Das wäre zu hart gesagt. Sie ist zumindest kein großer Wurf. Dabei muss man allerdings bedenken, dass der EEG-Bereich stark von mächtigen Interessengruppen dominiert wird, die im Hintergrund großen Einfluss ausüben können. Da in diesem knappen Zeitraum überhaupt eine Reform durchzubringen, verdient Respekt. Das neue EEG sieht die Direktvermarktung als neuen Regelfall der Förderung vor - aus meiner Sicht ist das eine richtige Weichenstellung. Die Übertragungsnetzbetreiber wären ansonsten aller Voraussicht nach zu den mächtigsten Anbietern am Strommarkt geworden. Es ist besser, diese Aufgabe Direktvermarktern zu überlassen. denn diese haben ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran, die Stromproduktion aus den Zeiten mit dem höchsten Angebot zu verlagern – hinein in die Zeiten, in denen die Nachfrage den Preis bestimmt.
Ausgewählte Firmen, die von der EEG-Umlage befreit sind
Insgesamt 2098 Unternehmen sind im Jahr 2014 von der EEG-Umlage ausgenommen. Das entspricht einer begünstigen Strommenge von voraussichtlich 107 Terawattstunden – das sind etwa 18 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland. Alleine 2014 bleiben den Firmen damit rund 5,1 Milliarden Euro an Kosten erspart.
Befreit werden können Unternehmen, die mindestens eine Gigawattstunde Strom im Jahr verbrauchen und deren Stromkostenanteil mehr als 14 Prozent beträgt.
Extrem viel Strom wird in der Metallherstellung benötigt. Der Kupferproduzent Aurubis beziffert die Entlastung durch die Befreiung in den Jahren 2010 bis 2012 auf 102 Millionen Euro.
Zu den energieintensiven Unternehmen in Deutschland zählen viele Chemiebetriebe. Der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF hat berechnet, dass ein Ende der EEG-Umlagebefreiung allein im Stammwerk jährliche Mehrkosten von mehr als 300 Millionen Euro bedeuten würde. Für 2014 stehen allerdings nur noch Betriebe in Leuna und Rudolstadt auf der Liste.
Ein Kompromiss mit der EU könnte sich darin andeuten, dass die Befreiung für Unternehmen ausgesetzt wird, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Dazu zählen etwa Straßenbahngesellschaften – insgesamt 72 Schienenbahnunternehmen sind in Deutschland befreit. Die volle EEG-Umlage würde die Bogestra jährlich 1,28 Millionen Euro kosten.
Nicht nur Industrieunternehmen sind befreit, auch Lebensmittelbetriebe. So gehört auch die Schwarzwaldmilch Offenburg zu den von der EEG befreiten Unternehmen.
Ein Werk des Süßwarenherstellers („Merci“, „Toffifee“ etc.) in Berlin ist von der EEG-Umlage ausgenommen.
Die Betriebe des Schweineschlachters Vion sind zum großen Teil von der EEG-Umlage befreit. Die Stromkosten müssen mindestens 14 Prozent der Bruttowertschöpfung des Unternehmens ausmachen, um in Frage zu kommen. Gegen Vion wurde etwa in der ZDF-Sendung Frontal der Vorwurf erhoben, durch den Einsatz von Werkverträgen statt Festangestellten unter diese Schwelle zu kommen.
Die Unternehmen sagen, dass sie aufgrund der Strompreise in Deutschland nicht mehr zu adäquaten Kosten produzieren könnten. Dabei sind die Strompreise in Spanien und Italien doch wesentlich höher.
Nicht nur dort. In den skandinavischen Ländern herrscht ein ähnliches Niveau. Wir sind zwar kein Niedrigpreisland so wie Frankreich, das viel Atomstrom nutzt. Aber die Strompreise hier sind nicht übermäßig teurer als im Ausland.
Können Sie die Beschwerden der Unternehmen trotzdem verstehen?
Ich sehe bestimmte Unternehmen, die im Rahmen ihrer Bruttowertschöpfung einen hohen Kostenanteil im Bereich Energie haben. Da finde ich zumindest eine teilweise Befreiung angemessen. Die Frage ist, ob sie vollständig sein muss – vor allem vor dem Hintergrund, dass sich der Strompreis in Deutschland nicht exorbitant von dem in Europa abhebt. So ist stromintensive Industrie durchaus ein Gewinner der EEG-Reform 2014. Es ist zumindest für die nächsten Jahre auch sicher, dass sie befreit bleiben wird.
Fehlen so nicht Anreize für Unternehmer, den Strom-Verbrauch zu senken?
Man hätte den Anreiz vergrößern können. Wobei ich durchaus glaube, dass alle stromintensiven Unternehmen intensiv darüber nachdenken, wie sie zu geringeren Energiekosten ihre Produkte herstellen können. Der Gesetzgeber hat aber eine große Chance verpasst. Im Gesetzestext steht als eine der Voraussetzungen für die EEG-Umlagebefreiung, dass die Unternehmen ein Energiemanagementsystem einführen müssen. Das bloße Vorhandensein eines solchen Systems reicht aber bereits aus. Zwingende Vorgaben zur Senkung des Energieverbrauchs im Rahmen des Energiemanagements beispielsweise um fünf Prozent pro Jahr zu senken, hat der Gesetzgeber aber nicht gesetzt.
Also bleibt die Energieeffizienz hier auf der Strecke.
Wenn Unternehmen die Befreiung haben wollen, sollte der Gesetzgeber einfordern, dass sie ihre Energieeffizienz verbessern. Das ist ja ein Ziel der Energiewende, das aus meiner Sicht bisher nicht ausreichend behandelt wird.