Top-Personalie im Wirtschaftsministerium Robert Habeck formt sich sein Haus

Robert Habeck Quelle: dpa Picture-Alliance

Der grüne Wirtschaftsminister beruft erstmals eine Chefvolkswirtin – mit Blackrock-Vergangenheit – und macht einen anderen Topbeamten zum obersten Krisenbeauftragten: zwei personelle Zeichen der Zeitenwende.

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Ludwig Erhard ist weg. Gäste, die das Bundeswirtschaftsministerium gut kennen, stutzen seit Kurzem. Lange Zeit spazierten sie im Foyer an der Ahnengalerie des Hauses vorbei. Es war Peter Altmaier, der Vorgänger des gegenwärtigen Amtsinhabers, der all die ehemaligen Minister (und die eine Ex-Ministerin…) in goldenen Rahmen an diesen prominenten Platz hatte hängen lassen; und ganz in der Mitte, größer als alle anderen, als primus inter pares, thronte unübersehbar der Übervater der sozialen Marktwirtschaft: Erhard.

Nun ist er weg. Die Galerie wurde abgehängt. Sie hat einen anderen Platz im Ministerium gefunden. Dort, wo die Tradition hing, soll nun die Gegenwart einziehen: Mitarbeiter und ihre Projekte.

Robert Habeck, der amtierende Wirtschaftsminister, formt sich sein Haus. Schon im Dezember vergangenen Jahres war der Grüne dort nicht gerade minimalinvasiv eingezogen. Alle alten Staatssekretäre der Ära Altmaier mussten gehen, dazu verloren die meisten Abteilungsleiter ihren Posten. Mit gleich vier Vertrauten als neue beamtete Staatssekretärinnen und -sekretäre richtete sich Habeck an der Berliner Invalidenstraße sein Vizekanzleramt, berief mehrere neue Topbeamte, erhöhte den Frauenanteil in der Leitungsebene, legte von Beginn an ein immenses Tempo vor.

Die Neue in Habecks Team: Elga Bartsch war bis vor wenigen Monaten Chefin des Blackrock Investment Instituts in London. Quelle: Bloomberg

Nun, knapp ein Jahr nach Amtsantritt, folgt die nächste bemerkenswerte Personalie: Elga Bartsch, bis vor wenigen Monaten Chefin des Blackrock Investment Instituts in London, der Denkfabrik des weltgrößten Vermögensverwalters, übernimmt die freigewordene Grundsatzabteilung für Wirtschaftspolitik. Davor arbeitete sie als Europa-Chefvolkswirtin der Investmentbank Morgan Stanley. Nun also wird die Ökonomin mit dem Top-Lebenslauf Habecks Chefvolkswirtin – als erste Frau überhaupt auf dieser Position.

Die Verpflichtung ist Personal-Coup und politisches Signal zugleich: Im künftigen Organigramm zeigt sich nicht nur die Notwendigkeit, makroökonomische Analyse stärker in der Hausspitze zu verankern, sondern auch die Beanspruchung des Ministeriums als Zentrum der Krisenintervention. Bartschs Vorgänger Philipp Steinberg wird sich nun nämlich als Leiter der neu geschaffenen Abteilung für Energiesicherheit und Wirtschaftsstabilisierung ausschließlich um das Management der Kriegsfolgen kümmern.

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Steinberg kam einst mit Sigmar Gabriel ins Wirtschaftsministerium, blieb (zum grimmigen Erstaunen vieler in der Union) unter CDU-Mann Altmaier ebenso in zentraler Funktion wie nun unter der neuen grünen Hausspitze. Er gilt als Mitarchitekt des Wirtschaftsstabilisierungsfonds einigen im Regierungsviertel als eine der zentralen Stützen des Regierungsapparats. „Ohne Leute wie ihn“, sagt einer aus der Koalition, „wäre die Wirtschaft schon am Ende.“ Für den Topbeamten gehören 80-Stunden-Wochen und durchgearbeitete Wochenenden jedenfalls zum leidvollen New Normal.

Zur Kontinuität tritt nun die internationale Perspektive dazu. Elga Bartschs Wechsel aus der angelsächsischen Finanzbranche in die Politik ist allein schon insofern ungewöhnlich, weil der Karriereweg für die meisten Wanderer zwischen den Welten in umgekehrter Richtung verläuft - was nicht zuletzt mit der zumeist üppigeren Bezahlung im Finanzsektor zu erklären ist. Doch Bartsch dürfte nach mehr als zwei Jahrzehnten bei Großbanken und Finanzverwaltern finanziell unabhängig genug sein, um den Wechsel ins BMWK vor allem aus inhaltlichem Interesse zu vollziehen.



Mit ihrer Arbeit für Habeck knüpft die Volkswirtin nun jedenfalls an ihre beruflichen Anfänge an. Nach dem Studium in London und Kiel wurde Bartsch 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kieler Institut für Weltwirtschaft, wo sie mit einer umweltökonomischen Arbeit bei Horst Siebert promoviert wurde. 1997 heuerte sie bei der Morgan Stanley an, wo sie bis 2007 für die Analyse der deutschen und europäischen Wirtschaft und die Beobachtung der EZB verantwortlich war. 2007 stieg sie dort zunächst zur Chefvolkswirtin für Europa auf, 2015 folgte die Beförderung zur Co-Chefvolkswirtin weltweit.

2018 wechselte sie dann zum Blackrock Investment Institute und übernahm die Leitung der volkswirtschaftlichen Forschung. Larry Fink, Gründer und Chef von Blackrock, fordert in jährlichen Briefen an Vorstände und CEOs immer wieder, den Klimaschutz in den Geschäftspraktiken stärker zu berücksichtigen. Das dürfte Bartschs Wechsel zum grünen Wirtschaftsminister programmatisch zumindest nicht erschwert haben.

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Wenig Konflikte dürfte es für Bartsch mit der Hausspitze auch in europapolitischen Fragen geben. Während ihrer Zeit in der Privatwirtschaft fiel Bartsch nicht gerade durch kritische Positionen und Kommentare zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auf. Ob sie als Chefvolkswirtin im BMWK allerdings noch viel Zeit für ihre Hobbys Yoga und Malen hat, darf angesichts des hohen Problem- und Zeitdrucks, den die aktuelle Energiekrise dem Berliner Apparat beschert, bezweifelt werden.

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