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Transatlantischer Freihandel TTIP-Abschluss in 2015 ist illusorisch

Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP bis Ende des Jahres abgeschlossen sehen. Nach Ende der neunten Verhandlungsrunde in New York ist dies illusorisch.

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Landwirte protestieren gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP Quelle: dpa

Die reinen Zahlen klingen viel versprechend: Gleich drei Verhandlungsrunden zum umstrittenen transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP wollen die europäischen Unterhändler und ihre US-Kollegen im ersten Halbjahr 2015 abschließen. Nachdem am Freitag die neunte Gesprächsrunde in New York endete, soll noch vor der Sommerpause eine weitere Runde in Brüssel stattfinden.

Das hört sich an, als wenn ordentlich Schwung in die Verhandlung zwischen Amerikanern und Europäern gekommen wäre, die im Juni 2013 gestartet sind. Doch je länger die Gespräche andauern, desto mehr merken die Unterhändler, vor welchen Herausforderungen sie stehen. Das von Bundeskanzlerin Angela Merkel genannte Zieldatum von Ende 2015 ist illusorisch, wie der europäische Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero schon vor der Abreise nach New York zugab.

Und dabei sind die wirklich schwierigen Themen noch gar nicht auf den Tisch gekommen. Staatsaufträge etwa, ein Gebiet auf dem sich europäische Unternehmen zusätzliche Chancen in den USA erhoffen, weil dort bisher manche Bundesstaaten heimische Produkte bevorzugen. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström weiß, dass hier noch ganz schwierige Gespräche anstehen.

Was ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA bringt

Rosig sah es diesmal vor allem bei den Zöllen nicht aus, wo sich beide Seiten noch nicht angenähert haben, wie US-Unterhändler Dan Mullaney eingestand. Die US-Seite hatte die Europäer zum Auftakt der Verhandlungen verärgert, indem sie nur sehr zögerliche Zollsenkungen angeboten haben. Die Zölle zwischen den USA und Europa befinden sich insgesamt auf einem niedrigen Niveau. Angesichts der großen Handelsvolumen, etwa bei den Autoherstellern, summieren sie sich aber auf bedeutende Beträge. Der Verband der deutschen Automobilindustrie beziffert den Zoll, der für deutsche Hersteller pro Jahr in den USA anfällt, auf eine Milliarde Euro.

Die Angleichung der Standards in den Branchen Automobil, Pharmacie und Medizintechnik stand in der vergangenen Woche auf der Tagesordnung. Auch hier hoffen die deutschen Automobilhersteller auf Erleichterungen. Unterschiede bei den Vorgaben, etwa Airbags, die in den USA größer sein müssen, kosten die Autobranchen im Jahr 12,8 Milliarden Dollar im Jahr, heißt es bei Clepa, dem europäischen Verband der Zulieferer. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass die Unterschiede jemals völlig abgebaut werden können.

Importzoll-Wirrwarr zwischen Europa und den USA

Bei der Chemie gehen die Unterhändler sehr vorsichtig vor, weil sie wissen, dass Verbraucher Angst vor einem niedrigeren Schutzniveau haben. Der europäische Unterhändler Ignacio Garcia Bercero unterstrich am Freitag noch einmal ausdrücklich, dass eine gegenseitige Anerkennung der Regeln bei Chemikalien nicht in Frage komme. Die Regulatoren wollten pragmatisch sondieren, wo sie zusammenarbeiten könnten. Das hörte sich nicht an, als wenn Exporteure binnen kurzer Zeit große Erleichterungen erwarten könnten.

Gut kommen die Gespräche dagegen bei der Vereinfachung von Zollverfahren voran. Hier geht es darum, die Verfahren zu beschleunigen und Standardprozeduren zu erarbeiten. Da beide Seiten relativ effiziente Verwaltungen haben, sind hier schnell Fortschritte zu erwarten.

Die Europäer haben die US-Seite nachhaltig verärgert, weil die EU-Kommission vergangene Woche vorgeschlagen hat, dass Mitgliedsstaaten künftig mehr Entscheidungsfreiraum bei gentechnisch veränderten Organismen (GVO) bekommen. So soll es den Mitgliedsstaaten überlassen sein, ob sie GVO in ihrer Lebensmittelkette untersagen, auch wenn diese in der EU als Lebens- oder Futtermittel zugelassen sind. US-Unterhändler Mullaney hat diesen Vorschlag am Freitag in New York ausdrücklich kritisiert, weil er nach amerikanischem Verständnis weder mit dem Binnenmarkt noch mit Freihandel vereinbar ist.

Einer der Hauptgründe, warum die USA und die EU über TTIP verhandeln, ist die Hoffnung eine Art Blaupause zu entwerfen, die der Rest der Welt kopieren wird. „Wir wollen sicherstellen, dass die US- und die europäische Position das bedeutendste wirtschaftliche Modell in der Welt wird“, sagte Mullaney am Freitag. Bei allen Ähnlichkeiten stellt sich im Detail allerdings heraus, dass sich die Positionen auf beiden Seiten des Atlantiks doch voneinander unterscheiden.

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