Transparenz GroKo spart sich Lobbyregister zu Unrecht

Ein Lobbyistenregister lehnten Union und SPD ab.

Die Große Koalition verzichtet darauf, Lobbyisten stärker zu kontrollieren. Irland macht vor, wie ein verpflichtendes Lobbyregister funktionieren kann.

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Sherry Perreault lebt noch keine drei Jahre in Irland, aber die zentrale Rolle des Pubs im Leben der Iren hat sie längst verstanden. Am Tresen wird gelacht, gefeiert und getrauert, Pubs sind aber auch ein beliebter Ort, um Politik und Geschäfte zu machen. „Wenn der Wirt eines Pubs mit einem Gemeinderat bei einem Pint über die gesetzlichen Öffnungszeiten spricht, dann ist das Lobbying“, sagt die Kanadierin mit der sanften Stimme. Perreault weiß, dass die Einflussnahme nach Feierabend von den meisten Iren nicht als Lobbying eingestuft wird. „Noch nicht“, betont die Chefin des irischen Lobbyregisters und gibt damit zu verstehen, dass sie das gerne ändern will.

Es klingt nach einem kühnen Plan - der aber gar nicht so unrealistisch ist, wenn man sich ansieht, wie die Iren Unternehmen, Privatpersonen und Nicht-Regierungsorganisationen in den vergangenen Jahren gezwungen haben, ihre Einflussnahme auf die Politik in dem kleinen Land mit knapp fünf Millionen Einwohnern offenzulegen. Seit 2015 muss sich jeder, der Politik mit mehr oder weniger Druck in eine bestimmte Richtung dirigieren will, in das Lobbyregister eintragen. 1600 registrierte Interessensvertreter berichten Perreaults Behörde drei Mal im Jahr haarklein, welche irischen Politiker und Beamte sie getroffen haben, um Regulierung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Wer sich zu spät oder gar nicht meldet, dem drohen Geldstrafen und im Extremfall bis zu zwei Jahre Gefängnis.

Die harten Strafen lassen manchen offenbar so sehr zusammenzucken, dass die Anti-Abtreibungslobby im vergangenen Jahr sogar ihre Weihnachtskarten an Abgeordnete und Senatoren meldete. Von solchem Übereifer einmal abgesehen, gibt das Register den Iren einen ziemlich guten Eindruck, welches Unternehmen gerade mit welchem Thema in der Politik nach Verbündeten sucht. So hat der Internetwohnungsvermittler Airbnb – vergeblich - versucht, beim Finanzminister Steuervorteile für die Sharing Economy herauszuschlagen. Die irische Börse macht sich Sorgen, dass nach dem Brexit die Steuern auf Aktienkäufe steigen könnten und hat mit dem Finanzstaatssekretär über die Chancen Irlands nach dem Brexit diskutiert. Das Register zwingt die Berichtenden, genau zwischen Anrufen, Emails und persönlichen Besuchen zu unterscheiden.

Als Perreault das Konzept anfangs vorstellte, schlug ihr Skepsis entgegen. Ob das funktionieren könne? Ob die neue Transparenz die berechtigte Interessensvertretung nicht bremsen werde? „Heute sagen mir Verbandsvertreter, dass sie ihren Mitgliedern dank des Registers zeigen können, wie sehr sie sich für bestimmte Anliegen einsetzen“, erzählt Perreault in ihrem kleinen Büro in einem der georgianischen Gebäude an der Lower Leeson Street.

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