Transport-Flugzeug A400M Ministerium sieht militärische Einsatzfähigkeit gefährdet

Das Transportflugzeug A400M ist weiterhin ein Sorgenkind der Bundeswehr. Trotz jahrelanger Verzögerung und Mehrkosten in Milliardenhöhe warnt nun ein interner Bericht vor der militärischen Nutzung des Airbus.

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Laut Bericht kann der A400M Fallschirmjäger bislang nicht simultan absetzen. Quelle: AP

Berlin Das Bundesverteidigungsministerium sieht die volle militärische Einsatzfähigkeit des Transport-Flugzeugs A400M wegen anhaltender technischer Probleme und der Vertragsquerelen mit dem Hersteller Airbus gefährdet. Airbus werde nicht die nötigen Investitionen tätigen, um die erforderlichen Nachbesserungen am A400M auf den Weg zu bringen, schreibt das Ministerium im vertraulichen Teil seines Rüstungsberichts aus dem April, der Reuters am Montag vorlag. Gründe dafür seien die Unterfinanzierung des Programms und die wegen der bisherigen Pannen und Verzögerungen ohnehin erwarteten Entschädigungsforderungen der Nationen. „Die operationelle Verwendbarkeit des Flugzeugs ist damit gefährdet.“ Dies betreffe besonders die Fähigkeiten zum Absetzen von Lasten und Personal aus der Luft sowie den Selbstschutz. Airbus fordert derzeit Nachverhandlungen zum A400M-Vertrag.

Selbst wenn die fehlende militärische Ausstattung noch kommt, könnte dies nach Einschätzung des Ministeriums länger dauern als erwartet. „Airbus könnte, bezogen auf die militärischen Fähigkeiten, Verschiebungen in einer Größenordnung von 12 bis 18 Monaten gegenüber der ursprünglichen Planung zur Verhandlungsbasis im Rahmen des Rebaselining machen“, heißt es mit Blick auf die verlangten Neuverhandlungen. Die Bundeswehr hat bisher acht von insgesamt 53 A400M erhalten.

Der Rüstungsbericht nennt die operationellen Mängel signifikant. Dazu zähle, dass der A400M Fallschirmjäger bislang nicht simultan absetzen könne. Auch das Selbstschutzsystem, das das Flugzeug vor anfliegenden Raketen schützen soll, funktioniere bislang nur eingeschränkt. „Die volle, vertraglich geschuldete Leistungsfähigkeit der Selbstschutzanlage des A400M wird nicht erreicht“, heißt es. Selbstschutz bleibe für den taktischen Lufttransport aber eine grundlegende Voraussetzung.

Als Konsequenz könnte die Bundeswehr nach 2021, wenn die letzten alten Transall-Flugzeuge außer Dienst gestellt werden, ohne einen Militärtransporter dastehen, der auch tatsächlich in Kriegsgebiete hineinfliegen kann. „Es ist nicht absehbar, ob beziehungsweise wann und wie viele einsatzreife Flugzeuge A400M mit den vertraglich geforderten vollständigen taktischen Fähigkeiten zur Verfügung stehen werden“, bilanziert der Bericht. „Die Gesamtproblematik kann - auch über die derzeitige Nutzungsverlängerung C-160 Transall (...) hinaus - zu Fähigkeitslücken im Bereich des geschützten taktischen Lufttransports führen“.


Airbus spricht von erheblichen Fortschritten

Der Chef der Airbus-Rüstungssparte, Dirk Hoke, wollte sich zum Inhalt des vertraulichen Berichts nicht äußern. „Wir sind weiter in sehr, sehr konstruktiven Verhandlungen seit der Ministerialkonferenz Ende März“, sagte er Reuters. „Diese Gespräche werden mit allen Nationen sehr konstruktiv geführt.“

Auch das Verteidigungsministerium wollte den Bericht nicht kommentieren. „Der A400M zeigt heute im täglichen Einsatz, dass er ein leistungsfähiges Flugzeug ist“, sagte eine Sprecherin. Dass er dabei noch nicht alles könne, was er nach Vertrag können solle, sei bekannt. „Wir beobachten die Projektentwicklung sehr genau. Wenn wir Einschränkungen und Risiken erkennen, analysieren wir detailliert, was diese für uns bedeuten könnten.“ Der Hersteller sei ganz klar in der Pflicht, Lösungen zu finden. Dazu stünden die Nutzernationen in engen Gesprächen mit der Industrie.

Der Rüstungsbericht beschreibt jedoch weitere Mankos. Dazu zähle der erhebliche Zeitaufwand, um Flüge vorzubereiten. Vor jedem Flug des A400M müssten Daten wie der Kraftstoffverbrauch berechnet und zwischen einer Vielzahl nicht miteinander vernetzter Systeme ausgetauscht werden. „Dies kann für einen Hin- und Rückflug über 50 Mann-Stunden Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen, was aus operationeller Sicht nicht akzeptabel ist und deutlich verkürzt werden muss“, heißt es in dem Dokument.

Die lange Vorbereitungszeit habe zur Folge, dass unabhängig davon, wie viele A400M die Bundeswehr besitze, mit dem derzeit für die Planung vorgesehenen Personal nur zwei Missionen pro Woche vorbereitet werden könnten. Kurzfristige Einsätze wie die Evakuierung Verletzter oder Katastrophenhilfe seien „ohne entsprechende Nachbesserungsmaßnahmen mit diesem enormen Vorlauf“ nicht durchführbar. Möglich seien solche Einsätze nur über ein Ausweichverfahren, mit dem die Flugvorbereitungen dann sechs bis zehn Stunden dauerten. Dafür müssten aber Abstriche bei der Nutzlast in Kauf genommen werden.

„Die Bundeswehr fliegt sehenden Auges auf eine Fähigkeitslücke zu, da der A400M die alte Transall ab 2021 nicht voll ersetzen können wird“, kritisierte der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner. Dies werde erhebliche Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr haben. Ministerin Ursula von der Leyen habe es nicht geschafft, das Programm auf eine verlässliche Grundlage zu stellen.

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