Treffen der Ministerpräsidenten mit Merkel So gelingt der Kohleausstieg

Kohleausstieg: Angela Merkel trifft Kohlekommission Quelle: imago images

Beim Kohlegipfel im Kanzleramt am Dienstagabend geht es um Jobs, Geld und Klimaschutz. Die Stunde der politischen Entscheidung ist gekommen.

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Man hätte es ahnen können. Weil es um so viel geht: um gute alte Tradition und neue schöne Arbeitsplätze, um gesellschaftlichen Zusammenhalt, Umweltschutz und, ja, auch um so etwas wie Heimat und Stolz. Als wäre das nicht genug, fällt die Entscheidung, wie der Kohleausstieg gemanagt werden soll, in ein Jahr, in dem in Ostdeutschland gleich drei Landtagswahlen stattfinden.

Das also ist die heikle Lage: Eine Industrie, die heute für gut bezahlte Jobs steht, soll Stück für Stück abgewickelt werden. Die Kraftwerke und Tagebaue stehen aber im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, das schon schmerzhaften Strukturwandel hinter sich hat, sowie in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die ohnehin mit dem Anschluss an westdeutsche Wohlstandsniveaus schwer zu kämpfen haben. Die AfD macht Desillusionierten und Frustrierten mittlerweile ein politisches Angebot, das bei vielen verfängt. Und dann wäre da noch die Bundesregierung, die unter massivem Druck steht, endlich beim Klimaschutz ernst zu machen.

Es hat schon einfachere Tischvorlagen gegeben, als die, über die sich Angela Merkel, die vier Kohle-Ministerpräsidenten und die Chefs der Strukturwandelkommission heute Abend beugen werden. Dennoch: Eine Lösung ist möglich. Wenn sich denn alle Beteiligten weder von ihren Maximalpositionen leiten lassen, noch von der Angst vor den Populisten, sondern von pragmatischer Vernunft – und vier Leitmotiven.

Erstens: Der Klimaschutz ist beschlossene Sache, er ist demokratischer Konsens und internationale Verpflichtung zugleich. Keine Bundesregierung kommt hinter ihre Zusagen zurück. Also muss gehandelt werden. Aber eben nicht nur mit nachhaltiger Stromerzeugung, sondern auch mit sinkenden Autoemissionen und mehr Wärmeeffizienz beim Wohnen. Angemahnt wird das seit Langem, passiert ist wenig bis nichts.

Zweitens: Der Kohleausstieg kommt. Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wann und Wie. Wer aber den Ausbau der Erneuerbaren, die nötigen Stromleitungen und -speicher bis Mitte, Ende der Dreißigerjahre nicht hinbekommen hat, der schafft es auch bis 2045 nicht. Der Ausstieg darf nicht überhastet vollzogen werden, aber eben auch nicht zu lange hinausgezögert. Womit wir beim Strukturwandel wären: Wer keinen Druck hat, sich zu verändern, der wird es auch nicht tun.

Drittens: Die Transformation in die Post-Kohle-Ära muss politisch flankiert werden. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Nötig ist gerade keine Industriepolitik, in der Regierende neue Jobs mit üppigen Subventionen auf die grüne Wiese setzen. Was es braucht, ist Ordnungspolitik, die keinen Strukturwandel verspricht, sondern die Strukturen für den Wandel bereitstellt. Wer mit Blick auf die politische Konkurrenz von rechts vollmundige Versprechen macht, die nicht zu halten sind, wird nur noch mehr Abkehr ernten.

Und viertens: Selbst wenn Politiker zu dieser Selbstbeherrschung fähig sein werden, das alles wird natürlich Geld kosten. Dabei sollte eine einfache Regel gelten: Die Mittel folgen dem Zweck, nicht andersherum. Einen Fonds mit Milliarden zu befüllen, die dann irgendwie verausgabt werden müssen, bringt niemandem etwas.

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