Treffen mit Merkel, Seehofer und Schulz Steinmeier schiebt Große Koalition an

Der Bundespräsident will Union und SPD zu einer Großen Koalition bewegen. Obwohl die drei Parteichefs schon bei ihm waren, kündigt Steinmeier nun an, alle erneut gemeinsam sprechen zu wollen: Merkel, Seehofer und Schulz.

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German President Frank-Walter Steinmeier briefs the media after a meeting with German Chancellor Angela Merkel at Bellevue Palace in Berlin, Monday, Nov. 20, 2017. German Chancellor Angela Merkel pledged early Monday to maintain stability after the Free Democratic Party pulled out of talks on forming a new government with her conservative bloc and the left-leaning Greens. (AP Photo/Markus Schreiber) Quelle: AP

Berlin Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier trifft sich Anfang der kommenden Woche mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz zu einem gemeinsamen Gespräch im Schloss Bellevue. Dabei sollten Wege zu einer stabilen Regierungskoalition ausgelotet werden. Als eine Möglichkeit gilt die Bildung einer Großen Koalition, die Schulz allerdings bereits kurz nach der Wahl ausgeschlossen hatte. In der SPD bröckelt der Widerstand gegen ein solches Bündnis aber inzwischen. Die „Bild“ hatte zuerst über das Treffen berichtet, das das Präsidialamt wenig später bestätigte. Nach einem Termin werde noch gesucht, hieß es.

Nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition hatte Steinmeier die Initiative übernommen und die Chefs von CDU und CSU, SPD, FDP und Grünen getroffen, um sich über die Gründe für den Abbruch der Verhandlungen zu informieren und das weitere Vorgehen zu besprechen.

Neben Neuwahlen und einer Minderheitsregierung wäre auch eine erneute Große Koalition eine Möglichkeit. Diese hatte die SPD unmittelbar nach ihrem Absturz bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent allerdings ausgeschlossen und dies Haltung Anfang der Woche nach dem Platzen der Jamaika-Sondierungsgespräche zunächst bekräftigt. Zuletzt hatten sich allerdings innerhalb der SPD die Stimmen gemehrt, notfalls zum dritten Mal seit 2005 ein Bündnis mit CDU und CSU einzugehen. „Die SPD wird sich Gesprächen nicht verschließen“, sagte Generalsekretär Hubertus Heil in der Nacht zu Freitag, nachdem die SPD-Führung acht Stunden beraten und die Hinweise des Bundespräsidenten ausgewertet hatte.

Dass Schulz die SPD noch in der Wahlnacht auf die Oppositionsrolle festlegte, erschien risikolos, so lange die Zeichen ohnehin auf Jamaika standen. Aber jetzt, wo die SPD der einzig noch mögliche Koalitionspartner für die Union ist? Wo man schon allein deshalb in einer neuen Großen Koalition voraussichtlich so viele sozialdemokratische Spitzenposten und Inhalte durchsetzen könnte wie nie zuvor? Und wo umgekehrt in Neuwahlen eher ein noch schlechteres Ergebnis für die SPD droht? Aus Sicht vieler Genossen war bereits das kategorische Nein in der Wahlnacht ein strategischer Fehler. Man habe sich ohne Not wichtiger Handlungsmöglichkeiten beraubt, klagt ein Genosse. Viele sehen das ähnlich.

Dahinter steckt neben sachlichen Erwägungen auch pure Angst. Natürlich fürchten viele SPD-Abgeordnete bei Neuwahlen um ihr Mandat. Gerade erst haben sie einen anstrengenden Wahlkampf hinter sich gebracht, Mitarbeiter für ihre Berliner Büros eingestellt. Die Wahlkampfkassen in der Heimat sind leer. „Am Ende haben wir noch 20 Mandate weniger“, hieß es. Kritisiert wurde auch das schlechte Timing von Schulz, der sich am Montag noch vor dem Statement des Bundespräsidenten auf die „Verweigerungsposition“ festgelegt habe.


Teure Kompromisse

Doch die Große Koalition ist insbesondere an der Parteibasis verhasst. 2013 bedurfte es der ganzen Überzeugungskraft des damaligen Vorsitzenden Sigmar Gabriel, die Genossen für eine Große Koalition zu gewinnen. In einer Mitgliederbefragung stimmten sie nach langen Debatten dem Koalitionsvertrag zu, den SPD, CDU und CSU zuvor ausgehandelt hatten. Mit echter Überzeugung waren aber die wenigsten SPD-Mitglieder dabei.

Dabei wäre eine Neuauflage der GroKo aus Sicht vieler europäischer Partner und gerade Frankreichs sicherlich die bevorzugte Variante. Denn der große Vorteil eines Bündnisses von SPD, CDU und CSU wären Stabilität und Kontinuität. Auch wenn es Differenzen etwa in der Aufstellung zu den Vorstellungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gibt: Bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr, den großen Linien der Außenpolitik und auch der Europapolitik gibt es die größten Überschneidungen. Die FDP etwa gilt als wesentlich integrationsskeptischer selbst als die CSU. Sowohl Schulz als auch Außenminister Sigmar Gabriel haben eigene enge Beziehungen zu Macron.

Überschneidungen gibt es aber auch in der Innenpolitik, zum Beispiel bei der Inneren Sicherheit, in der Industriepolitik oder auch beim Thema Klimaschutz, wo sich Union und SPD sogar näher stehen, als FDP und Grüne. Trotzdem wird spekuliert, dass die SPD ihre Absage an eine große Koalition nur dann überwinden könnte, wenn sie für die Union schmerzhafte Forderungen durchsetzen kann. Dazu könnten etwa eine Bürgerversicherung, eine Steuererhöhung für große Erbschaften, eine verschärfte Mietpreisbremse oder der von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz geforderte Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde gehören. Als unwahrscheinlich gilt, dass sich die Union auf einen Verzicht auf Merkel einlassen würde. Aber selbst in der Union erwartet man, dass man den Sozialdemokraten eine Korrektur ihrer Anti-Groko-Festlegung „abkaufen“ müsste. Das macht eine Neuauflage der großen Koalition nicht unbedingt wahrscheinlicher.

Neben Merkel, Seehofer und Schulz, will Steinmeier in der kommenden Woche die Fraktionschefs aller im Bundestag vertretenen Parteien sprechen. Am Montagmittag trifft das Staatsoberhaupt die Grünen-Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, danach den Unions- Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder sowie am frühen Abend die Linken-Fraktionsspitzen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Am Dienstagmorgen empfängt Steinmeier die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles. Danach reist er zu einem Kurzbesuch nach London.

Die AfD-Fraktionsspitzen Alexander Gauland und Alice Weidel trifft der Bundespräsident am Donnerstagabend.

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