Trinkwasserqualität Leitungswasser: Drei Grafiken zeigen, welche regionalen Besonderheiten es gibt

Leitungswasser zu trinken ist in Deutschland kein Problem – allerdings gibt es einige regionale Besonderheiten. Quelle: imago images

Manche trinken es täglich, andere nie: Leitungswasser. Drei Grafiken zeigen, wo Grundwasser als Quelle fehlt, wo Nitrat ein Problem ist und wie häufig krankmachende Bakterien auftauchen.

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Die Deutschen haben ein gespaltenes Verhältnis zum Leitungswasser. Immerhin 65 Prozent der 18- bis 64-Jährigen trinken laut des Statista Global Consumer Surveys regelmäßig Wasser, das in Flaschen abgepackt ist. In Ländern wie Frankreich, der Schweiz, Österreich, Dänemark oder den Niederlanden sind es deutlich weniger. Dabei sparen wir Geld, Plastik und müssen keine Kästen schleppen, wenn das Trinkwasser aus der Leitung fließt. Deutschlands Trinkwasser ist ausgezeichnet, loben Verbraucherzentrale und Stiftung Warentest einstimmig. Die Behörden kontrollieren engmaschig und streng. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Regionen. Denn es gibt es durchaus Besonderheiten.

Deutschlands Grundwasser: Mancherorts knapp, mancherorts verseucht

Denn einige Sorgen sind berechtigt. Zum Beispiel die um Nitrat. Zwar taucht es bislang noch kaum in den Grenzwertüberschreitungen der Trinkwasseranalysen auf. Aber Experten warnen längst, dass das Grundwasser in vielen Regionen zunehmend durch Nitrat belastet ist. Und Grundwasser ist in Deutschland die wichtigste Quelle für Trinkwasser.

Infografik Nitrat

Vor allem durch die Landwirtschaft gelangt Nitrat als Dünger in den Boden und versickert dort teils über Jahrzehnte ins Grundwasser. Der Schwellenwert für den Nitratgehalt im Grundwasser liegt bei 50 Milligramm pro Liter, 27 Prozent aller Messtellen überschreiten diesen Wert.

„Je nach Geologie braucht Wasser zehn bis 30 Jahre, bis es unten ankommt“, sagt Karsten Rinke, Leiter des Bereichs Seenforschung am Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Das ist ein Problem: „Deutschlands größter Wasserspeicher ist das Grundwasser. Es ist größer als alle Seen und Talsperren“, erklärt Rinke.

Wie das Nitrat in einer Region zum Problem werden kann, zeigt die norddeutsche Tiefebene. „Der Norden verfügt über den reichsten Grundwasserkörper hierzulande, aber wir können ihn nicht nutzen. Da haben wir die Hausaufgaben nicht gemacht“, sagt Rinke.

Deshalb bezieht Bremen beispielsweise über Fernwasserleitungen sein Trinkwasser aus Talsperren im Harz. Solche Verbindungswege können auch dann zum Einsatz kommen, wenn Grundwasser fehlt. Denn das ist in manchen Regionen knapp.

Infografik Grundwasser

Rund um Dresden, Erfurt oder auch im Ruhrpott beispielsweise gibt es zu wenig davon. Länder wie Brandenburg, Hamburg, Bayern, Saarland oder Schleswig-Holstein nutzen wiederum fast ausschließlich Grundwasser als Quelle. Um aus Grundwasser Trinkwasser zu machen, belüften die Wasserwerke es, filtern Partikel heraus, entfernen Mangan oder Eisen, fügen Sauerstoff hinzu und desinfizieren es.

Wo das deutsche Leitungswasser herkommt

Wenn Wasserversorger aus den genannten Gründen kein Grundwasser nutzen können, ist eine andere Möglichkeit: das Oberflächenwasser. Es stammt aus Trinkwassertalsperren oder Seen. Es ist meistens weicher als Grundwasser; Wasserwerke müssen besonders aufmerksam sein, dass das Wasser die Hygienestandards erfüllt. „In einer Talsperre sind immer mehr Bakterien als im Grundwasser“, erklärt Rinke, daher desinfizieren Wasserwerke es.

Und Flusswasser? „Das will keiner gerne direkt nehmen. Flüsse sind trotz Kläranlagen – oder besser gesagt gerade wegen der Kläranlagenausläufe – Abfallautobahnen, die hochgradig mit Bakterien, Spurenstoffen und Nährstoffen belastet sind“, sagt Rinke. Wenn überhaupt nutzen die Wasserversorger Uferfiltrat. Dabei wird aus bestimmten Bodenpassagen Fluss- und Grundwasser gewonnen. Berlin bezieht deutlich mehr als die Hälfte seines Trinkwassers aus Uferfiltrat.



Wie Städte Versorgungslücken umgehen

Wasserarme Regionen – in manchen Regionen messen die Experten historische Tiefstände – betreiben teils aufwendige Maßnahmen, um die Versorgung mit Leitungswasser sicherzustellen. Dresden beispielsweise bezieht sein Wasser aus Talsperren. „Das kann aber bei Hitze knapp werden. Oder in der Talsperre wachsen zu viele oder problematische Algen“, erklärt Rinke. Deshalb nutze die Stadt in Sachsen noch ein Wasserwerk an der Elbe und bereite Uferfiltrat auf – um Versorgungslücken zu überbrücken. „Das ist viel aufwändiger und damit teurer“, merkt Rinke an, „aber andererseits auch eine kluge Option im Sinne der Versorgungssicherheit“.

Oder die Region Hessisches Ried: Dort entnehmen die Wasserwerke aus dem Main Wasser, säubern es zu Trinkwasser und versickern es danach wiederum im Boden, um das Grundwasser aufzufüllen.

Vom Roh- zum Trinkwasser

Deutschland gliedert sich in knapp 10.000 Wasserversorgungsgebiete (WVG). „Das kann ein Haushalt sein, der über einen eigenen Brunnen versorgt wird und ganze Städte beziehungsweise Stadtteile, je nach dem, wie viele Unterteilungen es dort gibt. So fungieren Flüsse oft als Trennung zwischen den Wasserversorgungsgebieten, beispielsweise in Köln“, erklärt Alexander Eckhardt, Toxikologe beim Umweltbundesamt. 2019 gab es knapp 2500 berichtspflichtige WVG, die in die Kategorie „groß“ fallen. Über 6.700 Wasserversorgungsgebiete fallen in die Kategorie „klein“ oder „mittel“. Die Gesundheitsämter und Landesbehörden überprüfen die Qualität an vielen Messstellen.

In den großen Wasserversorgungsgebieten mit Tausenden Abnehmern muss das Trinkwasser teils mehrmals täglich untersucht werden. Die Standards dafür legt die Trinkwasserverordnung fest. „Insgesamt wird bei den meisten Parametern der Grenzwert zu mehr als 99 Prozent eingehalten“, sagt Eckhardt. Auch Wasserexperte Rinke plädiert für das Wasser aus dem Hahn: „Leitungswasser ist immer Mineralwasser vorzuziehen. Es ist das am besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt.“

Dennoch haben diese Kontrollen Lücken. Der Bericht des Umweltbundesamts von 2017 bis 2021 räumt selbst ein, dass im Berichtsjahr 2019 in mehr als 350 der Gebiete die „Vorgaben der Mindestüberwachung in Umfang und/oder Häufigkeit nicht vollständig erfüllt“ wurden.

Wichtige Trinkwasser-Grenzwerte: Enterokokken am häufigsten in Baden-Württemberg und Bayern

Bei den Grenzwerten gibt es weitere regionale Besonderheiten. Beispiel Blei: Vor allem im Norden und Osten treten die wenigen Grenzwertüberschreitungen auf. „Die Verwendung von Bleirohren auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württembergs ist schon seit den 1870er Jahren verboten“, erklärt Eckhardt.

Am häufigsten komme es jedoch zu Überschreitungen mikrobiologischer Parameter, also beispielsweise die Bakterien E. Coli oder Enterokokken.



Auf sie blicke man auch am besorgtesten, da sie beispielsweise Magen-Darm-Erkrankungen auslösen könnten. So rissen 2019 fast 70 der großen Wasserversorgungsgebiete die Grenzwerte für Enterokokken: Spitzenreiter ist dabei Baden-Württemberg, dicht gefolgt von Bayern. Dann folgt typischerweise ein Aufruf: Bitte abkochen!

Die Daten, die den zuständigen Landesbehörden vorliegen, geben unterschiedlich genau Aufschluss über die betroffenen Wasserversorgungsgebiete. In Rheinland-Pfalz kann das Landesuntersuchungsamt beispielsweise genau sagen, dass im Versorgungsgebiet Gaulsheim 3800 Kubikmeter Wasser und 24.000 Personen von einem Enterokokken-Vorfall betroffen waren. Das Sozialministerium Sachsen erklärt, dass es im WVG Burkersdorf Einsiedel eine Überschreitung gab. Das Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit teilte auf Anfrage wiederum mit, erst den betreffenden Betrieben in den Wasserversorgungsgebieten Gelegenheit zur Stellungnahme geben zu müssen.

Leitungswasser: Wichtige Parameter und ihre Grenzwerte

Nicht in der Trinkwasserverordnung geregelt sind Grenzwerte für Medikamente. Rinke nennt die Rückstände ein „ernst zu nehmendes Problem“. Da die Spurenstoffe nur in geringen Konzentrationen vorliegen, könne man sie auch nur schwer entfernen. In der Aufbereitung kommen dann Aktivkohlefilter zum Einsatz – die machten allerdings das Wasser teurer.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals im Juni 2022. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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