
Die Bundesregierung hat im zweiten Anlauf die umstrittene Pkw-Maut auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss am Mittwoch nach der Einigung mit der EU die Abgabe, die letztlich nur Fahrzeughalter aus dem Ausland mehr belasten soll. Im Gegenzug zur Maut sollen deutsche Autofahrer in mindestens gleicher Höhe bei der KFZ-Steuer entlastet werden. Die Gebühr für Autobahnen und Bundesstraßen soll erst in der nächsten Wahlperiode in Kraft treten. Die Pkw-Maut steht in den Nachbarländern und in deutschen Grenzregionen besonders in der Kritik. In Brüssel trafen sich elf Länder unter Führung Österreichs, um eine Allianz gegen das Maut-Vorhaben zu schmieden und das weitere Vorgehen zu koordinieren. Die SPD äußerte Zweifel, ob das Vorhaben in der CDU die im Bundestag nötige Unterstützung finde.
Was bei der Pkw-Maut auf die Autofahrer zukommt
Deutsche sollen für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen.
Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos. Im Schnitt kostet sie 74 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50, 4, 8, 14 oder 20 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30 oder 40 Euro.
Inländer sollen für Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer wieder entlastet werden - auf den Cent genau. Bei besonders schadstoffarmen Autos (Euro 6) soll die Steuer nun sogar stärker sinken als es dem zu zahlenden Mautbetrag entspricht.
Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
Statt an Klebe-Vignetten sollen Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Eine genaue Höhe nennt der Gesetzentwurf vorerst nicht. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
Inländer, die nachweisen wollen und können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
Nach jahrelangem Ringen hatten Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die EU-Kommission den Streit Ende 2016 beigelegt. Demnach wird die Maut stärker am Schadstoffausstoß bemessen. "Mit der Infrastrukturabgabe vollziehen wir einen echten Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung", sagte Dobrindt. "Für inländische Autofahrer gibt es keine Mehrbelastungen. Wer ein besonders umweltfreundliches Euro 6-Fahrzeug fährt, zahlt unterm Strich sogar weniger als bisher."
Dobrindt hat das ursprüngliche Konzept so geändert, dass es nun sechs statt drei Optionen für Autofahrer aus dem Ausland beim Erwerb von Kurzzeitvignetten mit einer Dauer von zehn Tagen oder zwei Monaten gibt. Dabei wird der Schadstoffausstoß stärker berücksichtigt. Die Abgabe soll durch die Zahlungen der Ausländer jährlich gut 520 Millionen Euro bringen, etwas mehr als im ersten Anlauf vorhergesagt. Das Ministerium begründet dies unter anderem damit, dass mehr Ausländer als zunächst vorhergesagt auf deutschen Straßen unterwegs sein werden. Kritiker bezweifeln, dass die von Dobrindt genannten Mehreinnahmen erreicht werden können.
SPD-Vize-Fraktionschef Sören Bartol sagte, die SPD sei der Garant dafür, dass kein deutscher Autofahrer zusätzlich belastet werde. "Außerdem darf es zu keiner Diskriminierung von ausländischen Autofahrern kommen." Äußerungen der CDU aus Rheinland-Pfalz oder dem Saarland ließen Zweifel daran aufkommen, ob die CDU das Lieblingsprojekt der CSU bei der Entscheidung im Bundestag mittragen werde. "Wir erwarten eindeutige Aussagen aus der CDU, ob sie den zweiten Anlauf von Dobrindt für die Einführung der Pkw-Maut vollumfänglich unterstützt oder nicht."
In Brüssel sagte eine Sprecherin von Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried, beim Treffen mit Vertretern von zehn anderen Staaten soll geklärt werden, wie weit man bereit sei, im Widerstand gegen die Maut zu gehen. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sei nicht ausgeschlossen, würde aber erst eingereicht, wenn die Abgabe in Deutschland geltendes Recht sei. "Dobrindt will EU-Ausländer abkassieren, während er seine potenziellen Wähler daheim schont", kritisierte der SPD-Europa-Abgeordnete Ismail Ertug. "Diese Ungleichbehandlung widerspricht dem Grundprinzip der Europäischen Union, und wir werden alles daran setzen, sie zu verhindern."