TV-Kritik Günther Jauch Kita-Plätze sind so sicher wie die Rente

Neue Erkenntnisse zum Kita-Problem in Deutschland hat Günther Jauchs Talk nicht geliefert. Trotzdem gab es interessante Einblicke, dazu Prä-Wahlkamp-Gerangel und ein paar seltsame Thesen von Norbert Blüm.

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Wie wäre es mit einem Rheinschiff, so wie in Köln? Oder einer alten Fabrik wie in Leipzig? Vielleicht tun es auch schon ein paar Container, wie sie in Neuss gesichtet wurden? Irgendwo wird sich schon noch Platz für die Kleinen finden. Ab ersten August hat jedes Kind in Deutschland ab dem ersten Geburtstag rechtlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Und bis dahin sind es nur noch ein paar Wochen hin. Die Zeit drängt, also werden einige Kommunen kreativ – und stocken ihr Betreuungsangebot mit Wasserfahrzeugen, Fertigungshallen und Großraumbehältern auf. So war es in einem Film zu sehen, den Günther Jauch am Sonntag während seiner Sendung einspielte. „Kein Platz für Kinder – was wird aus dem Kita-Versprechen?“, fragte Jauch in dieser Woche – und erhielt Antworten, die wenig Optimismus aufkommen ließen.

Es fehlen noch mehr als 200.000 Kita-Plätze

So begann Sozialwissenschaftler Stefan Sell seinen Redebeitrag mit einem Rechenbeispiel: In den vergangenen vier Jahren sind 200.000 neue Kita-Plätze geschaffen worden. Um den Bedarf zu decken, müssten nun innerhalb weniger Wochen noch 205.000 weitere entstehen. Der Experte, der den Ausbau und die Entwicklung der Kinderbetreuung erforscht, ist „der festen Überzeugung“, dass dies in vielen Gegenden, vor allem in städtischen Gebieten, „mit Sicherheit“ nicht gelingen wird.

Also, für die Akten: In Deutschland gibt es nicht genug Kitas. Das wird sich wohl auch bis zum Sommer nicht ändern. So weit, so bekannt. Neue Erkenntnisse haben Günther Jauch am Sonntag nicht vermittelt. Trotzdem lohnte sich das Einschalten: Denn die Sendung hat zum einen anschaulich gemacht, in welche Zwangslage Eltern mitunter geraten, und wie der Arbeitsalltag von Erzieherinnen in Deutschland aussieht. Zum anderen zeigte sich, dass die verantwortlichen Politiker keine schlüssigen Strategien haben, wie die Kinderbetreuung in ausreichendem Maße ausgebaut werden kann.

Den Gesprächen folgen keine Taten

So teilte sich die Runde in zwei Lager: Es gab diejenigen, die den Mangel tatsächlich zu spüren bekommen, jeden Tag aufs Neue. Und es gab diejenigen, die mit auf Zuversicht gebürsteter Rhetorik gegen die Defizite anredeten. Und dann gab es noch Norbert Blüm.

Den Zwiespalt zwischen den politischen Zusagen und der Realität fasste gleich zu Beginn eine Mutter in Worte: „Die Politiker sind gesprächsbereit. Aber den Gesprächen folgen wenige Taten. Bei uns kommt nichts an“, sagte Astrid Dümler, Gründerin der Initiative „Mehr Kitas“ in Köln. Sie selbst ist bislang vergeblich auf der Suche nach einem Betreuungsplatz für ihr Kind: „Ich stehe noch auf einigen Wartelisten.“ Neben ihr saß ein Vater aus München, der einen Platz gewonnen hat – beim Krabbelwettbewerb eines lokalen Radiosenders. David Gall krabbelte schneller als alle anderen, also kam sein Kind in einer Kita unter. Sonst betrage die Wartezeit in der Stadt im Schnitt anderthalb Jahre.

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