TV-Triell Zukunft? Scheinbar kein Thema wert

Auch das letzte TV-Triell vor der Wahl entschied Olaf Scholz (l.) laut Umfragen für sich. Quelle: imago images

„Nah bei de Leut“ war das letzte TV-Triell vor der Wahl aufgezogen – und trotzdem konnte Rheinländer Armin Laschet wenig punkten. Die Sendung wurde zur rot-grünen Kuschelrunde, in der erneut Zukunftsthemen fehlten.

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Vielleicht sollten die Macher des Micky-Maus-Hefts mal eine Ausgabe über China machen. Oder Europa. Oder Gründerinnen und Gründer – dann hätten die Themen zumindest eine Chance, in einem TV-Triell zur Bundestagswahl vorzukommen. Denn in den 90 Minuten am Sonntagabend spielte die Positionierung Deutschlands in der vernetzten Welt erneut keine Rolle. Dafür wissen nun alle Zuschauerinnen und Zuschauer, dass sich Micky Maus bereits vor 30 Jahren mit dem Klimawandel beschäftigt hat, nachdem Moderatorin Linda Zervakis in der Runde ein entsprechendes Heft von damals präsentierte.

Der Comic steht dabei nur stellvertretend für die Themensetzung der dritten und letzten TV-Runde vor der Bundestagswahl, in der es für Unionskanzlerkandidat Armin Laschet wenig zu gewinnen gab – obwohl seine Chancen nicht schlecht standen.

„Nah bei de Leut“ hatten die Sender ProSieben, Sat.1 und Kabeleins das letzte öffentliche Aufeinandertreffen von Olaf Scholz (SPD), Annalena Baerbock (Die Grünen) und Armin Laschet aufgezogen. In kleinen Clips wurden Menschen gezeigt, die von den jeweils folgenden Themenblöcken betroffen sind: Die Arbeits- und Sozialpolitik wurde anmoderiert über eine alleinerziehende Mutter, die trotz ihrer zwei Jobs kaum über die Runden kommt. Ein Hausbesitzer sorgte sich inmitten eines Flut-Trümmerbergs über weitere Folgen des Klimawandels, ein Schulleiter und eine Impfskeptikerin kamen zu Corona zu Wort und eine Bäuerin musste auf ihren Almhügel klettern, um Mobilfunkempfang zu bekommen für ihre WhatsApp-Nachrichten – da machten nicht nur die Kühe große Augen über den Zustand der Digitalisierung in Deutschland.

„Nah bei de Leut“, das beherrscht der Rheinländer und Bergmanns-Sohn Laschet eigentlich gut, er kann zuhören, sich als Zupacker zeigen, es Menscheln lassen. Doch als es in den ersten rund 40 Minuten ausschließlich um Arbeits- und Sozialpolitik ging, kam er nicht gegen Scholz und Baerbock an, wirkte vergleichsweise kühl, etwa mit seinen Verweisen auf die Tarifautonomie bei der Diskussion um die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro.

Es sei nicht „angemessen“, wenn die Politik den Mindestlohn an den Tarifparteien vorbei festlege, betonte Laschet. Der Staat dürfe nicht in das bewährte System eingreifen. Dagegen bezog sich Baerbock auf das Beispiel der alleinerziehenden Mutter, Kinder zu haben könne „eine Armutsfalle“ sein, sagte sie. Die großen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen müssten ausgeglichen werden. Scholz rief den Mindestlohn von 12 Euro sogar zur Koalitionsbedingung aus. „Wir werden mehr Jobs haben“, erklärte der SPD-Kandidat – ein fragwürdiges Versprechen, das nur der Auftakt war für eine rot-grüne Kuschelrunde, in der Laschet kaum punkten konnte.

Dabei mangelt es nicht an Angriffen, schon um 20:33 Uhr holte der Unionskandidat den Klassiker raus, die drohende Gefahr von Rot-Grün-Rot, die erhebliche Steuerbelastungen mit sich bringen würde. Das konterten Scholz und Baerbock aber mit dem Verweis, dass unter einer unionsgeführten Regierung vor allem die Spitzenverdiener entlastet würden, die Steuerpläne nicht finanzierbar seien.



Laschet versuchte es weiter über die grüne Vorliebe für Verbote, etwa in der Klimapolitik, was Baerbock parierte mit einem Vergleich zum FCKW-Aus. Auch damals habe man das Ende der Kühlschrankproduktion in Deutschland gefürchtet, doch seien nach dem Verbot bessere Kühlschränke als zuvor entwickelt worden, erläuterte die Grünen-Kandidatin.

Als es um die Verteilung der CO2-Mehrkosten für Öl und Gas ging, verteidigte Laschet die Entlastung der Vermieter damit, dass viele Menschen ein Haus als Altersvorsorge besitzen würden und deshalb nicht zu stark belastet werden dürften – was wenig „nah bei de Leut“ ist bei den rund 37 Millionen Mieterinnen und Mietern.

Ohnehin noch ein Wort zur Altersvorsorge: Die Rente war am Sonntag erneut kaum Thema, ebenso wenig wie in den TV-Triellen zuvor. Auch andere Themen wurden kaum vertieft, etwa Bildung oder Digitalisierung – wie diese Politikfelder gestaltet werden, wird aber entscheidend für die Zukunft Deutschlands sein. Statt also in den Sendungen immer wieder nur die „Greatest Hits“ abzurufen, wäre eine Aufteilung der Themen in künftigen Wahldebatten so sinnvoll wie wünschenswert.

Einen seiner „Hits“ verdudelte Laschet dieses Mal allerdings selbst. Hatte er in den TV-Triellen zuvor teils regelrecht aggressiv gewirkt, versuchte er es dieses Mal moderater – was jedoch gerade mit Blick auf Scholz, den Cum-Ex-Steuerskandal und die Mängel bei der Geldwäschebekämpfung bemerkenswert war. Denn ging der Unionskandidat seinen SPD-Konkurrenten vergangene Woche noch so hart an, dass dieser rote Ohren bekam, überließ er den Angriff dieses Mal Konkurrentin Baerbock, die von Scholz „volle Transparenz“ einforderte für den am Montag tagenden Finanzausschuss.

Trotz inhaltlicher Stärke und Angriffslust („Ich frage nicht, was mit Ihnen eigentlich los ist, Herr Laschet“), konnte Baerbock das Triell nicht für sich entscheiden. In der Forsa-Umfrage im Anschluss an die Sendung ging Scholz als Gewinner hervor: 42 Prozent der Befragten sahen ihn mit einem deutlichen Vorsprung als Sieger, gefolgt von Laschet (27 Prozent) und Baerbock (25 Prozent), womit Scholz in allen drei TV-Triellen den ersten Platz belegte.

Sieger in den TV-Debatten zu sein, ist allerdings noch längst keine Garantie auf den Spitzenplatz bei der Wahl, wie allein der historische Vergleich zum TV-Duell 2005 zwischen dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und seiner Herausforderin Angela Merkel (CDU) zeigt: Für 48 Prozent der Befragten war Schröder damals der Gewinner, nur 28 Prozent sahen Merkel vorne – die am Ende aber bekanntermaßen als neue Regierungschefin ins Kanzleramt einzog.

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„Wie vor Weihnachten“ fühle sich nun diese Woche vor der Bundestagswahl an, sagten die Moderatorinnen Zervakis und Claudia von Brauchitsch zu Beginn des TV-Triells. In einer Woche gebe es dann am Wahltag die „Bescherung“. Ob es eine schöne wird? Noch ist jeder vierte Wahlberichtigte in Deutschland unentschlossen, wem er seine Stimme geben soll, zeigt eine aktuelle Allensbach-Umfrage – das sind demnach so viele wie nie zuvor.

Noch eine Woche bleibt Laschet, Scholz und Baerbock Zeit, sie zu überzeugen – dafür braucht es allerdings mehr als Micky Maus.

Mehr zum Thema: Armin Laschet. Das ist das Eine. Das Andere: Die Union bürgt nicht mehr für „Die Mitte“ und „wirtschaftliche Vernunft“. Sie führt einen fiktionalen Lagerwahlkampf. Und erscheint den Deutschen als Dagegen-Partei, die ihnen eine lebenswerte Zukunft verweigert.

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