Uber, Mytaxi & Co. Angriff auf das Taxi-Monopol

Seit Jahren schon ist das US-Unternehmen Uber bemüht, den regulierten Taximarkt in Deutschland zu knacken. Bisher ohne Erfolg. Doch nun mehren sich Stimmen, die eine Komplettüberarbeitung der geltenden Regeln fordern.

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In den Streit zwischen Taxigesellschaften und Fahrdienstvermittlern wie Uber kommt Bewegung. Quelle: Reuters

Berlin Die Digitalisierung macht auch vor dem Taxigewerbe in Deutschland nicht Halt. Das Entstehen von App-Anbietern wie Uber, Taxi.eu, Taxi.de, Mytaxi und BlaBlaCar führe zu „fundamentalen Veränderungen auf dem Markt für Personenbeförderung mit Pkw“, hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur kürzlich in einem Gutachten festgestellt.

Allerdings, bemängeln die Experten, lasse sich der Markteintritt neuer internetbasierter Dienstleister „entweder nur eingeschränkt im Einklang mit inadäquat gewordenen Regeln oder unter Unterlaufung solcher Regeln realisieren“. Der Politik empfahlen sie deshalb, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und den Taximarkt zu liberalisieren.

Das fordert der auf einer App basierende Fahrtenvermittler Uber schon seit Jahren. Zuletzt monierte der Europa-Chef des US-Unternehmens, Pierre-Dimitri Gore-Coty, im Interview mit dem Handelsblatt die zu strengen Regeln in Deutschland – und lockte damit prompt die Politik aus der Reserve. Plötzlich, so scheint es, kommt Bewegung in das Thema. „Eine neue Koalition sollte sich unbedingt zu einer Modernisierung des Personenbeförderungsrechts verabreden“, verspricht etwa der Digital- und Verkehrsexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek (CDU).

In der vergangenen Legislaturperiode klang das noch anders. Trotz Forderungen nach einem liberalisierten Taxi-Markt sah Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) keinen Handlungsbedarf. „Durch die Genehmigungspraxis nach Personenbeförderungsgesetz werden Sicherheit und Qualität der Personenbeförderung gewährleistet“, hieß es seinerzeit aus seinem Haus. Derzeit seien „keine Änderungen der Vorschriften zur Personenbeförderung vorgesehen“.

Justus Haucap wertet die Blockadehaltung rückblickend als großes Versäumnis. „Die Regulierung für den Taxi- und Mietwagenverkehr gehört dringend auf den Prüfstand gestellt“, sagte der Ökonomieprofessor dem Handelsblatt. „Die Monopolkommission etwa fordert dies schon seit Jahren und die letzte Bundesregierung hatte dies auch angekündigt, dann aber doch nichts getan“, fügte Haucap hinzu.

Im vergangenen Jahr untersuchten die Experten der Kommission Wettbewerbsfragen im Bereich der Sharing Economy und kamen zu dem Schluss, dass insbesondere im Bereich der Personenbeförderung Handlungsbedarf besteht. „ Auf den Eintritt neuer Wettbewerber sollte nicht mit Verboten reagiert werden. Vielmehr ist es wichtig, einen angemessenen Ordnungsrahmen zu schaffen, der die Vorteile der neuen Technologien entsprechend berücksichtigt“, sagte seinerzeit Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission.

Erforderlich seien qualitative Mindestanforderungen für die Fahrer und Fahrzeuge sowie ein hinreichender Versicherungsschutz, empfahl das Expertengremium, das die Bundesregierung in Wettbewerbsfragen berät. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sollte außerdem die Regulierung des Taxi - und Mietwagengewerbes an das sich ändernde Wettbewerbsumfeld angepasst werden. Auf Konzessionsbeschränkungen sowie die behördliche Festsetzung von Tarifen, die weder über- noch unterschritten werden dürfen, sollte verzichtet werden.


„Das ist ein eklatantes Politikversagen“

Auch Haucap hält die bestehenden Regeln schon lange nicht mehr für zeitgemäß. „Ortskundeprüfungen sind im Zeitalter von Navigationsgeräten und Handy-Apps völlig überholt“, sagte er. Auch Mindestpreise schadeten nur dem Verbraucher. „Warum darf es etwa beim Taxi keine Happy Hour geben?“, fragte der Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomik (DICE).

Haucap verwies auf Auswertungen, wonach die Taxifahrer fast dreimal so viel Zeit im Taxi ohne Fahrgast verbrächten wie mit Fahrgast. „Eine Flexibilisierung der Preise, meinetwegen auch nur nach unten, könnte zu einer deutlichen besseren Auslastung führen“, sagte er. Auch sei keine Begrenzung der Lizenzen nötig. „Dass etwa in Düsseldorf Taxilizenzen auf dem grauen Markt für rund 30.000 Euro gehandelt werden, zeigt, welche Gewinnerwartungen noch immer mit einer Taxi-Lizenz verbunden sind“, gab der Ökonom zu bedenken. Diese zahlten letztlich die Verbraucher.

„Zugleich blühen Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung im Taxigewerbe, wie eine Studie des Berliner Senats festgestellt hat“, so Haucap weiter. Der Ordnungsrahmen für die Personenbeförderung bedürfe daher dringend einer Novellierung. „Dass dies nicht passiert, ist ein eklatantes Politikversagen.“

Laut Polizei ist Berlin mit knapp 8000 Taxis die taxireichste Stadt Deutschlands. „Nur noch knapp jedes vierte Berliner Taxi wird in einem Betrieb eingesetzt, der noch als betriebswirtschaftlich plausibel betrachtet werden kann“, so das Marketing-Forschungsunternehmen Linne + Krause, das im vergangenen Jahr für die Landesregierung der Hauptstad ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit des Berliner Taxigewerbes erstellt hat. Im Wettbewerb um Fahrer hätten jene Unternehmer die Nase vorn, die ihnen Schwarzeinnahmen und staatliche Sozialleistungen verschafften.

Der Präsident des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands, Michael Müller, sprach seinerzeit mit Blick auf Berlin von einem Sonderfall. Denn außer hier und in Hamburg sei der Taximarkt überall kontingentiert, also das Angebot begrenzt. Anders als in Hamburg werde die Branche in Berlin aber kaum kontrolliert.

Laut dem Verband besitzen in Deutschland – Stand: 2016 – etwa eine Viertelmillion Menschen den speziellen Führerschein, der zur gewerblichen Beförderung von Personen berechtigt. Als Taxi oder Mietwagen mit Fahrer sind bundesweit 93.000 Fahrzeuge unterwegs. Sie befördern 430 Millionen Menschen im Jahr. Mit Taxis werden 4,2 Milliarden Euro umgesetzt – das weckt Begehrlichkeiten. Auch bei der digitalen Konkurrenz.

Deutschland sei ein strategischer Markt für Uber, sagte Europa-Chef Gore-Coty. Vielleicht schon im kommenden Jahr könnte das Angebot auf Frankfurt und Städte in Nordrhein-Westfalen ausgedehnt werden. Zurzeit bietet das US-Unternehmen seine Dienste nur in München und Berlin an. Das Problem sei, dass es an qualifizierten Fahrern mangele, „da es schwierig ist, die erforderlichen Lizenzen zu erhalten“, sagte Gore-Coty. Als einen Grund nennt der Manager, das Deutschland noch viele Gesetze und Vorschriften habe, die aus den 60er-Jahren und teilweise sogar noch aus den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammten. „Da sehen wir schon Spielraum für Neuerungen, die den heutigen technischen Gegebenheiten Rechnung tragen“.


„Moderne Mobilitätsdienstleistungen Verbrauchern nicht verwehren“

Das sieht auch Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller so. „Der Rechtsrahmen für die Personenbeförderung muss flexibler und innovativer werden. Moderne attraktive Mobilitätsdienstleistungen dürfen Verbrauchern nicht verwehrt werden“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) dem Handelsblatt. Müller betonte jedoch auch: „Es müssen aber Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzstandards sowie der Datenschutz gewahrt werden.“

Solche Fragen dürften eine Rolle spielen, wenn sich die Politik tatsächlich zur Schaffung eines eigenen Ordnungsrahmens für Fahrdienst-Vermittler wie Uber durchringen sollte. Dem CDU-Verkehrsexperten Jarzombek geht es zunächst darum, offenkundig veraltete Regeln über Bord zu werfen. „Vorgaben wie die Rückkehrpflicht für Mietwagen taugen heute nur noch als Abwehrmaßnahme für vermeintlich unbeliebte Wettbewerber“, sagte er.

Jarzombek spielt damit auf Kritik des Uber-Europa-Chefs an, der etwa die in Deutschland geltende Pflicht, für jeden Chauffeurs-Dienst nach der Fahrt zum Betriebssitz zurückzukehren. Er bemängelte zudem, dass hierzulande Sammelfahrten verboten seien, obwohl sie die Straßen „enorm entlasten“ würden. Jarzombek sagte dazu: Gerade Carpooling, also das Bündeln von Verkehren in Kleinbussen per App, sei „ein wichtiges Ziel für eine moderne Verkehrspolitik. Damit können viele unwirtschaftliche Buslinien ersetzt werden, bei gleichzeitig viel besserer Versorgungsqualität, insbesondere in den Nebenzeiten und im ländlichen Raum.“

Auch FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sieht Handlungsbedarf. „Mit Regeln aus dem vergangenen Jahrhundert können wir die digitale Zukunft nicht gewinnen“, sagte Theurer dem Handelsblatt. Er plädierte für einen „zeitgemäßen Rechtsrahmen“, der „faire Wettbewerbsbedingungen“ für alle schaffe. Auch die Grünen-Wirtschafts-Politikerin Kerstin Andreae sieht die Notwendigkeit für „einen funktionierenden Ordnungsrahmen für innovative Geschäftsmodelle“. Denn Share Economy und vernetzte Verkehrsinfrastrukturen könnten den Menschen, der Wirtschaft und der Umwelt großen Nutzen bringen.

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