Übergriffe in Köln "Wer die Frage der Nationalität unterdrückt, macht Propaganda"

Im Fall Köln gibt es wenig Fakten und viele Mutmaßungen. Im Interview erklärt Medienphilosoph Norbert Bolz, warum die Nationalität der Täter berichtet werden soll und nun nicht das Ende der deutschen Willkommenskultur folgt.

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Dunkle Wolken ziehen am Kölner Dom vorbei. Quelle: dpa

Herr Bolz, die Übergriffe von Köln schockieren ganz Deutschland. Ist man ein Rassist, wenn man die Frage nach der Nationalität der Täter stellt?

Norbert Bolz: Das Interessante an der Frage ist, dass sie überhaupt auftaucht. Wir leben mittlerweile in einem derartigen Einschüchterungsklima, dass wir uns nicht mehr trauen, die einfachsten Sachverhalte naiv auszusprechen. Die Frage der Nationalität interessiert jeden. Wenn Journalisten diese Frage unterdrücken, machen sie das Gegenteil von Journalismus. Dann machen sie Propaganda.

Dahinter steckt die Angst, etwas Falsches zu sagen oder sich politisch zu verbrennen.

Ich verstehe jeden, der sich Sorgen um die Folgen macht, wenn man nicht die Mainstream-Meinung vertritt. Dabei ertappe ich mich gelegentlich sogar selbst. Seit Jahren grüble ich nun schon über dieses Phänomen. Wir leben in einem Land, in dem es so viel formale Freiheit gibt wie noch nie zuvor in der Geschichte. Gleichzeitig gibt es eine geistige Einschüchterung, die dazu führt, dass sich viele nicht mehr trauen, zu sagen was sie denken.

Zur Person

Und die Lösung?

Das ist eine Frage des Muts. Sagen Sie, was Sie denken. Schreiben Sie auf, was Sie recherchieren.

Bislang steht nicht fest, wer hinter den Übergriffen steckt, wie viele wirklich beteiligt waren und wie organisiert die Täter vorgegangen sind. Angenommen, es waren überwiegend Nordafrikaner. Welche Rolle spielt die Nationalität?

Über diese Frage müssen sich Journalisten nicht den Kopf zerbrechen. Die Leser, Zuhörer und Fernsehzuschauer ziehen selbst ihre Schlüsse aus dem Sachverhalt. Es wäre verheerend, wenn Journalisten entscheiden, ob eine Information dem Volksgemüt überhaupt zuträglich ist. Wenn ein Journalist das macht, geht er davon aus, dass er es nicht mit selbstbestimmten Bürgern, sondern mit Kindern zu tun hat, die gewisse Nachrichten nicht ertragen können. Es ist nicht die Aufgabe von Journalisten, Bürgern vor der Wahrheit zu schützen.

Die CSU beschuldigt bereits Flüchtlinge, die Grünen sind empört. Wie erklären Sie sich die vielen schnellen Antworten, die manche nun geben?

Ein Politiker muss immer antworten, selbst wenn er nichts zu sagen hat. Politiker müssen auch Probleme lösen, die unlösbar sind. Parteipolitik und Selbstdarstellung gehören zum Geschäft. Ich trenne zwischen dem, was Politiker sagen und dem, was Journalisten schreiben. Wenn keine Informationen vorliegen, kann ich nichts schreiben. Wenn sie aber vorliegen, muss ich sie auch veröffentlichen. Unterdrückung von Informationen ist Zensur, die traurigste Ausprägung ist die Selbstzensur.

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