In der ersten Dreierkoalition im Bund versuchen die Beteiligten, sich Macht und Einfluss zu sichern – mit überraschenden Personalien und wachsender Konfliktfreudigkeit. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat den Ex-Wirtschaftsweisen Lars Feld zum persönlichen Berater bestellt. Feld vertritt die ordoliberale Schule, wonach der Staat Basisregeln für die Wirtschaft festlegt, sich dann aber raushält. Vorher hatte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit der Berufung von Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan überrascht. Die designierte Staatssekretärin steht für einen starken Staat und den Konsumverzicht fürs Klima.
In der Koalition baut sich – erkennbar auch an diesen Personalien – ein Konflikt auf. Der wird sich entladen, weil die drei Parteien sehr unterschiedliche Ideen von Freiheit haben. Die FDP pflegt das klassische Verständnis von Freiheit Einzelner samt Skepsis gegenüber dem Staat. Den wollen SPD und Grüne dagegen stärken. Die SPD forciert soziale Absicherung durch Mindestlohn oder Rentenversprechen – mit Hinweis darauf, dass ohne Sicherheit keine Freiheit möglich ist. Die Grünen verlagern Freiheit vom Hier und Jetzt in die Zukunft: Ohne Nachhaltigkeit (und Einschränkung heute) ist die Freiheit der Nachkommenden beschnitten. Dem Argument folgte das Bundesverfassungsgericht bereits im Urteil gegen die bisherige Klimapolitik.
Nachhaltigkeit lässt sich bei den Staatsfinanzen noch leichter messen und aushandeln. Schwieriger ist die Frage nach generationenübergreifender Gerechtigkeit beim Klimaschutz. Was ist mit sozialen Verwerfungen bei kletternden Energiekosten? Was mit technischem Fortschritt? Welche Freiheit wiegt stärker – Klimaschutz auf Pump oder Schuldenbremse?
Auch bei der Impfpflicht, die der Bundestag entscheiden soll, bricht die Unterschiedlichkeit der Regierungsparteien durch. Weil sie so uneins sind, worum es geht – die Freiheit Einzelner, die Freiheit für schwächere Gruppen oder jener, die noch gar nicht abstimmen –, haben die Ampelmänner und -frauen kein Gesetz eingebracht. Deshalb ist im dritten Coronajahr immer noch unklar, wie die Regierung nach der akuten Viruswelle mit den Schäden für die Gesellschaft umgehen will.
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