Ukraine-Krieg „Die Soldaten wollen nicht mehr Putins Kanonenfutter sein“

Norbert Röttgen glaub nur an einen Frieden ohne Putin. Quelle: Pro Imago Life

Ein Frieden in der Ukraine ist nicht in Sicht, keine Seite kann nachgeben. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen glaubt, dass es nur ohne Putin einen Frieden geben kann, auch wenn Wiederaufbau und Kriegsverbrechertribunal hohe Hürden für Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau sind.                

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WirtschaftsWoche: Herr Röttgen, der Krieg in der Ukraine geht in das zweite Jahr, ein Friedensschluss ist nicht in Sicht. Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Norbert Röttgen: Der Krieg wird leider weitergehen, und zwar so lange, bis die militärische Niederlage Wladimir Putin dazu zwingt, seinen Krieg zu beenden.

Kann es überhaupt eine Lösung geben, solange Putin noch im Amt ist?
Ich halte es für eine Illusion, dass es eine politische Lösung mit Putin geben wird. Denn der Ausgang dieses Krieges entscheidet auch über seine politische Zukunft. Ein Scheitern in diesem Krieg wäre unmittelbar mit seiner Person verbunden. Es wäre sein ganz persönliches Scheitern und das wird er nicht zulassen. Darum ist Frieden für Putin keine Option, für ihn geht es um alles oder nichts.

Gibt es denn Anzeichen für eine Rebellion oder einen Putsch gegen ihn?
Nein, bislang ist das zumindest nicht erkennbar. Aber es wäre auch keine Überraschung, wenn es ohne vorherige Hinweise dann doch plötzlich und ganz schnell passiert.

Zur Person

Was meinen Sie damit genau – einen Putsch in seinem Umfeld oder einen Aufstand der Bürger?
Es kann alles sein, eine Rebellion der Soldaten, die nicht mehr Putins Kanonenfutter sein wollen, ein Aufstand der Mütter und Familien, die dieses sinnlose Töten ihrer Söhne nicht mehr akzeptieren oder ein Putsch im Machtbereich des Kreml von Leuten, die sich selbst noch retten wollen, bevor alles zu spät ist. Es kann jedenfalls nicht mehr länger verdrängt werden, dass Russland noch nie und so umfassend in den Ruin geführt wurde wie jetzt.

Doch was kommt nach einem Putsch anstelle von Putin? Das wird ja dann nicht automatisch besser. Oder ist eine neue russische Regierung nach Putin im Angesicht der absehbaren militärischen Niederlage kompromissbereiter?
Das weiß niemand. Aber ein Russland ohne Putin hat im Zentrum erst einmal ein Vakuum. Russland wird dann ein Land sein, das stark mit sich selbst beschäftigt sein wird.

Blicken wir auf das hier und heute: Russland bombardiert die Infrastruktur der Ukraine. Ohne Strom und Heizung im Winter soll die Bevölkerung demoralisiert werden. Wie hoch ist der Durchhaltewillen?
Nach allem was ich aus ganz unterschiedlichen Quellen höre, ist der Durchhaltewillen des ukrainischen Volks ungebrochen. Es gibt einen absoluten, kollektiven Überlebenswillen, auch wenn jeder weiß, dass viele Menschen in der Ukraine sehr leiden müssen und sogar sterben werden. Aber man ist dazu bereit, damit die Nation überleben kann. Die Ukrainer wollen für sich eine Zukunft in Frieden, Freiheit und als Teil der Europäischen Union.

Gibt es denn zumindest eine Chance auf einen Waffenstillstand oder auf ein vorläufiges Einfrieren des Konflikts?
Ich glaube das nicht, weil die Ukraine militärisch erkennbar weiter Fortschritte macht und dynamischer und erfolgreicher agiert als Russland. Genau betrachtet ist es doch so, dass Russland keinen klassischen Krieg mehr führt, sondern sich militärisch auf einem permanenten Rückzug befindet. Die eigentliche Kriegsführung der Russen ist abgelöst worden von Terror gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Je schneller die Ukraine Russland besiegt, desto schneller hört auch der russische Terror gegen die ukrainische Zivilbevölkerung auf. Deshalb kommt es aber für die Ukraine nicht in Frage, ihr militärisches Fortschreiten zu unterbrechen und Russland Gelegenheit zu geben, sich zu sammeln und eine neue Offensive vorzubereiten.



Die militärischen Erfolge der Ukraine nähren die Hoffnung auf einen vollständigen Sieg. Ist überhaupt eine Verständigung mit Moskau denkbar, solange noch ein einziger russischer Soldat auf dem Territorium der Ukraine ist?
Ich würde es anders formulieren, denn es geht nicht darum, dass alle russischen Soldaten sofort verschwinden. Es geht darum, dass Putin und Russland eingestehen müssen, dass der Krieg militärisch gescheitert und nicht mehr zu gewinnen ist. Dieser Punkt muss erreicht sein, also die Anerkennung einer militärischen Überlegenheit der Ukraine. Aus einer solchen Situation heraus wäre die Ukraine dann auch verhandlungsfähig.

Die Bundesregierung zögert, die Ukraine mit schweren Waffen zu versorgen. Ist die Angst des Kanzlers, in den Krieg hineingezogen zu werden, berechtigt?
Nein. Das Ziel, nicht Kriegspartei zu werden, ist in Deutschland und in der Nato völlig unbestritten, das verbindet uns alle. Aber das muss man trennen von der Debatte um die Lieferung schwerer Waffen. Da hören wir vom Bundeskanzler nur Ausreden. Dieser mangelnde politische Wille des Kanzlers hat mit seinem Russlandverständnis und dem der SPD zu tun.

Was meinen Sie damit?
Seit einigen Wochen spricht der Kanzler trotz der permanenten Kriegsverbrechen Russlands darüber, dass es wieder Verhandlungen geben könnte, eine Rückkehr zum Status quo ante und wirtschaftliche Beziehungen. Ich halte das für völlig ausgeschlossen. Die dringend benötigten Panzer werden also nicht geliefert, weil der Kanzler und seine Partei an einem nicht mehr zeitgemäßen Russlandbild festhalten. 

Russland kann den Krieg gegen die Ukraine nicht mehr gewinnen, aber ein Rückzug wäre das Ende von Wladimir Putin. Ohne Putsch in Moskau müssen sich Ukraine und Nato noch auf jahrelange Kämpfe einrichten.
von Daniel Goffart

Angesichts der zahllosen Grausamkeiten der Russen werden die Rufe nach einem Kriegsverbrechertribunal immer lauter. Wie realistisch ist das?
Das wird sicher schwierig. Aber dass ein derartiges Ausmaß an Verbrechen über eine so lange Zeit mit so vielen Opfern von der Völkergemeinschaft am Ende nicht verfolgt und durch ein Gericht beurteilt würde, wäre ein schwerer Schlag gegen die Idee vom Vorrang des Rechts. Wir müssen es versuchen. Auch weil es eine noch viel größere Illusion wäre zu glauben, man könne langfristig Frieden schließen, ohne diese gigantischen Verbrechen am ukrainischen Volk zu sühnen.

Das größte Problem nach einem Ende des Kriegs ist der Wiederaufbau. Wird es eine Art Marshallplan für die Ukraine geben und wer soll das bezahlen?
Es liegt in unserem großen Interesse, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt und danach ein prosperierendes Land wird. Zum Ersatz der Kriegsschäden muss Russland herangezogen werden. Es kann ja nicht sein, dass ein Land mit großen Einnahmen aus dem Ressourcenverkauf ein anderes Land zerstört und dann dritte Länder alleine den Wiederaufbau finanzieren. Es wird jedoch auch unsere Aufgabe sein, dabei zu helfen und uns zu beteiligen. Neben dem Wiederaufbau muss die Ukraine aber auch ein sicheres und geschütztes Land werden und dafür muss sie entsprechend militärisch ausgerüstet sein.

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Das heißt die Ukraine sollte nach dem Krieg in die Nato und/oder in die EU aufgenommen werden?
Welche Formen von Sicherheit gewählt werden, müssen wir sehen, das hängt dann auch von der politischen Entwicklung in Russland ab. Aber wichtig ist auf jeden Fall die Top-Ausstattung einer kriegserfahrenen ukrainischen Armee – die im Moment wahrscheinlich die leistungsfähigste Armee in ganz Europa ist. Die Ukraine muss so stark werden, dass sie künftig nicht mehr angegriffen wird.

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