
In der Diskussion um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine hat der Grünen-Politiker Anton Hofreiter seine Kritik am Kurs von Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigt. Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestags warf Scholz in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erneut Zögerlichkeit vor und verglich den Stil des SPD-Kanzlers mit dem seiner Amtsvorgängerin Angela Merkel (CDU).
„Scholz ist Merkel sehr ähnlich, das ist das Problem“, sagte Hofreiter. Der Unterschied zu Merkel sei, „dass alle Krisen, die sie zu zögerlich angegangen ist, sich langsam entwickelnde Krisen waren“ – als Beispiel nannte er die Klimakrise.
„Die Folgen von Merkels Zögern spüren wir erst mit zeitlichem Abstand. Entscheidungen im Krieg aber müssen innerhalb von Tagen gefällt werden, besser noch innerhalb von Stunden“, so Hofreiter. Und da passe der Stil von Merkel und Scholz nicht dazu.
Hofreiter kritisierte allerdings auch CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz wegen des von der Union geplanten Bundestags-Antrags für Waffenlieferungen. Die größte Oppositionsfraktion hofft auf Zustimmung auch von Koalitionspolitikern der Grünen und der FDP, die sich für die Lieferung schwerer Waffen ausgesprochen haben.
„Ich halte überhaupt nichts davon, solche Sachen für kleinteilige parteipolitische Geländegewinne zu nutzen“, betonte Hofreiter. Wenn die Union wirklich erreichen wolle, dass schwere Waffen geliefert werden, „dann sollte sie alles dafür tun, um den Druck zu erhöhen – und nicht parteipolitisch motivierte Anträge stellen, die von Regierungsmehrheiten immer abgelehnt werden“.
Hofreiter: Keine Gefahr für die Ampel
Hofreiter resümierte: „Wir haben einen Kanzler, der im Moment zu zögerlich ist, und einen Oppositionsführer, der nicht die Interessen des Ganzen im Blick hat, sondern kleinteilige Politik. Beides ist ein Problem.“ Eine Gefahr für die rot-grün-gelbe Koalition sieht Hofreiter nach eigener Aussage nicht. „Ich sehe ein Ringen in der Koalition in einer äußerst schwierigen Lage um die richtigen Handlungen.“
Auch aus der FDP wird Kritik laut. Mit einer Attacke auf den Koalitionspartner SPD hat der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki den Bundesparteitag der Liberalen eröffnet. Mit Blick auf die internationale Kritik an der zögerlichen Haltung Deutschlands bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine sagte er: „Das Bild, das viele Vertreter der größten Regierungspartei gerade vor den Augen der Weltöffentlichkeit abgeben, ist keines, das uns als Koalitionspartner zufriedenstellen kann.“
Kubicki mahnte: „Wir haben einfach keine Zeit, uns mit ideologischem Ballast der Vergangenheit zu beschäftigen.“ Es sei konkrete und wirkungsvolle militärische Hilfe für die Ukraine gefragt. „Und manche sagen, auch der entscheidende Führungswille, der fehle derzeit.“
Kubicki sah Deutschland schlecht gerüstet für die Herausforderungen der Zukunft. „Der russische Angriffskrieg und dessen Folgen haben schonungslos offengelegt, dass die Bundesrepublik mindestens in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten eine Reihe an grundlegenden Richtungsentscheidungen nicht getroffen hat“, sagte der Vizepräsident des Bundestags. „Es zeigt sich nun, dass sich Deutschland zu lange zurückgelehnt hat, viel zu lange im politischen Dämmerschlaf gefangen war.“