WirtschaftsWoche: Herr Makeiev, die Bundesregierung will die Ukraine nun mit dem Schützenpanzer Marder und dem Flugabwehrsystem Patriot unterstützen. Wie hilfreich ist das Gerät für Ihre Verteidigungsfähigkeit?
Oleksii Makeiev: Deutsche Waffen retten Leben – und ich freue mich, dass diese Botschaft nicht nur bei der deutschen Industrie, sondern auch in der Regierung und in der Öffentlichkeit gut angekommen ist. Das modernste deutsche Flugabwehrsystem Iris-T und die Gepard-Flakpanzer zeigen jetzt schon ein fantastisches Ergebnis beim Abfangen von russischen Raketen und Kamikaze-Drohnen. Gemeinsam mit dem Patriot-Flugabwehrsystem, das die Amerikaner und Deutschen gemeinsam in Aussicht gestellt haben, werden diese Geräte einen entscheidenden Beitrag zum Schutz des ukrainischen Himmels vor russischen Raketen leisten. Dafür sind wir dankbar.
Und was erhoffen Sie sich vom Marder?
Vom Schützenpanzer Marder werden unsere Bodentruppen enorm profitieren. Somit schließt sich die ukrainische Verteidigung am Himmel und am Boden.
Zur Person
Oleksii Makeiev ist Botschafter der Ukraine in Deutschland. Der 47-jährige Diplomat hat das Amt im Oktober 2022 von Andrij Melnyk übernommen, der als Vize-Außenminister zurück in die Ukraine gegangen ist. Makeiev hat internationale Beziehungen studiert und war unter anderem Sonderbeauftragter für Sanktionen und Leiter der politischen Abteilung im Außenministerium der Ukraine.
Olaf Scholz hat mit der Marder-Lieferung allerdings lange gezögert.
Dass unsere westlichen Partner so eine Entscheidung in enger Absprache getroffen haben, ist natürlich wichtig. Entscheidend ist es aber, dass bei den Waffenlieferungen nicht lange gezögert wird, jeder Tag kostet uns viele Leben.
Ist die Zusage für die Marder und Patriots aus Ihrer Sicht eine neue Qualität der Unterstützung von deutscher Seite?
Ein Qualitätssiegel haben mittlerweile viele deutsche Waffensysteme erhalten. So leistet die deutsche Industrie in Absprache mit der deutschen Regierung und der Ukraine einen entscheidenden Beitrag zum Sieg der Ukraine im von Russland angestifteten Krieg gegen mein Land und gegen den Westen. Auch wenn es für manche seltsam klingt: Deutsche Waffen retten Leben und tragen zur Wiederkehr des Friedens in Europa bei.
Die Zusage des Kanzlers erfolgt in Absprache mit Frankreich und den USA, die ebenfalls Schützenpanzer liefern. Muss Deutschland erst von seinen Partnern geschubst werden, um das Versprechen von der Zeitenwende einzulösen?
Koordination zwischen den Partnern ist wichtig, wenn es dazu dient, so schnell und effizient wie möglich zu handeln. Wir gehören auch zu den Partnern Deutschlands, Koordination ist sehr wichtig, aber noch wichtiger sind die Waffen.
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Wie groß sind aus Ihrer Sicht die Chancen, dass Deutschland nun auch Kampfpanzer vom Typ Leopard liefert?
Ich bin Optimist. Nach fast einem Jahr seit Beginn dieser großen russischen Invasion haben viele Menschen in Deutschland endlich begriffen, dass es in diesem Krieg um die Existenz der Ukraine geht und um Frieden im ganz Europa. Ich freue mich auch, dass mehr und mehr gesagt wird, dass die Ukraine so lange unterstützt werden muss, bis mein Land diesen Krieg gewinne und sich stellvertretend für alle Europäer den Frieden in Europa erkämpfe. Das ist eine vielversprechende Ausgangslage für Regierungsentscheidungen – auch mit Blick auf die Lieferung von Leoparden.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat eine Waffenruhe über das orthodoxe Weihnachtsfest an diesem Wochenende angekündigt. Wie verlässlich sind solche Angaben?
Auf Putins Anordnung werden ukrainische Häuser, Krankenhäuser, Entbindungsstationen, Schulen und Kirchen ständig von russischem Militär bombardiert, auch in der Zeit zu Weihnachten und Neujahr. Deswegen will sich Putin mit solchen Unterbrechungen nur Luft verschaffen und in dieser Pause seine Kräfte bündeln, um die Ukraine neu anzugreifen. Es ist offensichtlich, dass man den Worten Russlands nicht trauen kann, und es wird kein „Minsk 3“ geben, gegen das Russland sofort nach Unterzeichnung verstoßen wird. Diesen Scheinvorschlag von Putin haben auch viele Partner, darunter Deutschland, abgelehnt.
Es ist am 24. Februar ein Jahr her, dass Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat. Wie groß sind die Chancen, dass der Krieg in diesem Jahr beendet wird?
Die Einstellung der Ukrainer, den Krieg in diesem Jahr zu gewinnen, ist sehr groß. Aber nicht alles liegt an den Ukrainern. Wir brauchen weiterhin militärische Unterstützung. Denn der Frieden muss erkämpft werden. Und das machen wir Ukrainer stellvertretend für alle Europäer.
Was heißt das mit Blick auf die kommenden Monate?
Die Ukraine wird keine Kompromisse in Bezug auf Souveränität, Territorium und Unabhängigkeit machen. Wir respektieren Regeln und stehen zu unserem Wort. Deswegen hat der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, seinen 10-Schritte-Plan zum Frieden öffentlich vorgestellt. Und wir erwarten, dass uns unsere Partner bei der Realisierung dieses Planes tatkräftig unterstützen werden.
Die Fragen wurden dem Botschafter schriftlich gestellt.
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