
WirtschaftsWoche: Herr Grillo, das Wachstum schwächelt, der ifo-Index bricht ein – ist die schöne deutsche Sonderkonjunktur vorbei?
Grillo: Wir hatten keine Sonderkonjunktur. Unsere BDI-Schätzung von 0,8 Prozent Wachstum in diesem Jahr können wir halten. Die deutsche Wirtschaft wird nach einem kalten Winter im zweiten Halbjahr aufdrehen. Innerhalb Europas gibt es Schwierigkeiten, aber unsere Exporte insgesamt nehmen um 3,5 Prozent zu. Aber seien wir ehrlich: Eigentlich müssten wir mehr schaffen.
Geht unseren Kunden die Puste aus?
Außerhalb Europas sehe ich weniger Probleme. Die USA wachsen trotz der Haushaltssperre robust, ebenso die BRIC-Staaten. Und ob China nun etwas mehr oder weniger als acht Prozent wächst, ist für unsere Ausfuhren nicht entscheidend.





Am Wechselkurs kann die Flaute ja nicht liegen – der ist niedrig durch die Flutung der Märkte mit Euro.
Einzelne Länder versuchen, durch Wechselkurs-Dumping Vorteile zu erringen. Ich bin strikt dagegen, den Wechselkurs als Instrument zu nutzen, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Der Kurs soll sich am Markt bilden. Richtig ist natürlich: Ein Wechselkurs von 1,30 Euro zum Dollar ist für unseren Export günstiger als 1,60 Euro. Deshalb sollte man sehr vorsichtig sein mit dem Ruf nach der D-Mark. Das Ende des Euro würde unserer Wirtschaft massiv schaden.
Plädieren Sie für oder gegen ein Ende der Sparpolitik in der EU?
Wachstum auf Pump ist Wachstum ohne Wert. Es ist nicht nachhaltig, wenn das Geld in den Konsum fließt. Die Währungsunion kann auf die Dauer nur mit gesunden Haushalten bestehen. Ein Unternehmen zu restrukturieren dauert vier bis fünf Jahre. Für eine ganze Volkswirtschaft braucht man sicher eher zehn Jahre.
Die Euro-Krise läuft nun seit drei Jahren, aber es ist nur wenig Besserung in Sicht.
Da muss ich widersprechen: Es gibt aus allen Ländern positive Nachrichten. Reformen zahlen sich aus. Die Lohnstückkosten sinken, die Sanierung der Staatsfinanzen und der Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte kommen schrittweise voran, die Zinsaufschläge sind erheblich zurückgegangen. Diese ersten Erfolge müssen wir stärker herausstellen, wenn wir die Bevölkerung mitnehmen wollen.
Jetzt widersprechen wir: Der Zinsrückgang basiert auf dem Finanzierungsversprechen der EZB. Also ist das Risiko für den Geldgeber gering.
Aber auch wenn die EZB ihren Teil dazu beigetragen hat: Es ist wieder mehr Vertrauen da für diese Länder. Das hilft – wir müssen mehr Geduld haben.
Aber der Druck hat sich abgeschwächt.
Wir müssen in der Tat aufpassen, dass der Reformdruck nicht abnimmt. Es ist gut, dass die Krisenländer ihre Reformen nicht mit dem Rücken zur Wand in blanker Panik beschließen müssen, sondern ein bisschen Luft bekommen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. An Reformen selbst führt kein Weg vorbei.