Umfrage Kaum Sicherheitsgewinn durch Videoüberwachung

Von einer Ausweitung der Videoüberwachung verspricht sich Innenminister de Maizière einen Zugewinn an Sicherheit. Allerdings fühlen sich laut einer Umfrage nur wenige Bürger dadurch wirklich sicherer.

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Besonders groß ist der Zuspruch für Videoüberwachung, wenn diese an Bahnhöfen und U-Bahnhöfen erfolgt. Quelle: dpa

Berlin In der Politik ist der von Innenminister Thomas de Maizière geplante Ausbau der Videoüberwachung in Deutschland umstritten. Vor allem die Opposition kann in dem Vorhaben des CDU-Politikers keinen sicherheitspolitischen Gewinn erkennen. Die Einschätzung deckt sich mit der Ansicht vieler Bürger in Deutschland, auch wenn eine Mehrheit laut einer Umfrage Überwachungskameras offen gegenübersteht.

Nur 15 Prozent der 2055 Befragten fühlen sich demnach „sehr viel sicherer“, wenn sie an öffentlichen Plätzen eine Videokamera zur Überwachung sehen, wie aus einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Seetec GmbH hervorgeht, die dem Handelsblatt vorliegt. 38 Prozent fühlen sich „etwas sicherer“, 39 Prozent der Befragten meinten, es mache keinen Unterschied, ob sie eine Überwachungskamera sehen oder nicht, 8 Prozent konnten nichts dazu sagen.

Trotz dieses Befunds akzeptiert eine große Mehrheit der Deutschen von 92 Prozent Videoüberwachungssysteme im öffentlichen Raum. Besonders groß ist der Zuspruch für Videoüberwachung, wenn diese an Bahnhöfen und U-Bahnhöfen (88 Prozent) sowie Flughäfen (86 Prozent) erfolgt. Aber auch in Parkhäusern (76 Prozent), Zügen (74 Prozent) und Unterführungen oder unübersichtlichen Durchgängen (69 Prozent) wird Videoüberwachung mehrheitlich akzeptiert.

Fast Dreiviertel der Befragten finden es sogar gut, dass insgesamt mehr Videosysteme zur Sicherung des öffentlichen Raums zum Einsatz kommen. 37 Prozent bejahten eine entsprechende Frage, „eher ja“ meinten weitere 37 Prozent, 19 Prozent finden hingegen mehr Videoüberwachung nicht gut („nein“: 6 Prozent; „eher nein“: 13 Prozent), 7 Prozent hatten zu dem Thema keine Meinung.

Innenminister de Maizière hatte sich kürzlich als Konsequenz aus den Gewalttaten von München, Ansbach und Würzburg für einen Ausbau der Videoüberwachung ausgesprochen. Vor allem privaten Betreibern soll das Installieren von Kameras in Einkaufszentren und auf Parkplätzen rechtlich erleichtert werden. Das sieht ein Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums vor.


SPD verärgert über nicht abgesprochenen De-Maizière-Vorstoß

Bei der Abwägung über die Zulässigkeit von Videokameras sei die Sicherheit der Bevölkerung künftig „in besonderem Maße zu berücksichtigen“, heißt es in dem Entwurf. Bei vielen Datenschützern habe sich eine restriktive Genehmigungspraxis herausgebildet. Nach mehreren gewalttätigen Übergriffen im Sommer müssten jedoch Sicherheitsbelange bei der Abwägung ein größeres Gewicht erhalten. Eine erweiterte Videoüberwachung gehört zu dem umfangreichen Maßnahmenpaket, das de Maizière bereits im August vorgestellt hatte.

Derzeit befindet sich der Gesetzentwurf in der Abstimmung zwischen den einzelnen Ministerien. Der Koalitionspartner SPD reagierte verschnupft auf das Bekanntwerden der Pläne und stoppte vorläufig die Beratungen mehrerer Sicherheitsgesetze, darunter auch die Neuregelung der Videoüberwachung. Die Sozialdemokraten seien verärgert darüber, dass de Maizière – entgegen anderslautender Absprachen – das Gesetz ohne vorherige Rücksprache in die Ressortabstimmung gegeben habe, hieß es in Medienberichten.

Gleichwohl zeigte sich die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion,  Eva Hoegl, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zuversichtlich, dass die Koalition sich auf die Vorschläge des Innenministers einigt: „Bei der von de Maizière angestrebten Ausweitung der Videoüberwachung werden wir vermutlich eine Lösung in der Koalition finden.“

Unterstützung kam auch aus den Bundesländern. Die Sicherheit der Menschen müsse im Zweifel über dem Schutz der Daten stehen, sagte der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU). Er ist momentan auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Sein hessischer Amtskollege Peter Beuth (CDU) sprach von einem „wichtigen Baustein, um den öffentlichen Raum sicherer zu machen“.


Innenminister will auch den Einsatz intelligenter Videotechnik

Die Opposition reagierte ablehnend und warnte vor der Beschneidung von Grundrechten. Frank Tempel von der Linken sagte: „Was de Maizière bewusst ignoriert, ist, dass Videokameras noch niemandem zu Hilfe geeilt sind.“ Auch Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz erklärte: „Videoüberwachung kann zwar einen Teil dazu beitragen, Straftaten im Nachhinein aufzuklären, Taten verhindern kann Technik jedoch nicht.“

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhof (CDU) knüpfte die angepeilte Ausweitung der Videoüberwachung an Bedingungen. „Das grundrechtlich geschützte informationelle Selbstbestimmungsrecht muss dabei selbstverständlich gewahrt werden“, sagte sie der Tageszeitung „Die Welt“. Das berechtigte Interesse an einer Überwachung des öffentlichen Raums sei mit den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen abzuwägen.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki warnte vor dem negativen Nebeneffekt, dass Straftäter in unbeobachtete Bereiche ausweichen würden, und die Piratenpartei bemängelte: „Es kann nicht angehen, dass Tausende von rechtschaffenen Bürgern auf dem Weg von und zur Arbeit permanent überwacht werden.“

Doch zu den im August angekündigten Maßnahmen gehört nicht nur eine generelle Ausweitung der Videoüberwachung, sondern auch der Einsatz intelligenter Videotechnik, die etwa über eine Software zur automatischen Gesichtserkennung verfügt. Laut der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen verhandelt das Innenministerium derzeit schon mit der Deutschen Bahn, „um den Nutzen intelligenter Videoanalysetechnik an einem Pilotbahnhof zu testen“.

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