Umfrage So tickt die "Generation Mitte"

Die 30- bis 59-Jährigen sind mit ihrer materiellen und beruflichen Lage so zufrieden wie selten zuvor, zeigt eine neue Untersuchung. Sorgen machen sie sich über etwas anderes.  

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Mittelalte sind zufrieden. Quelle: Getty Images

Die ausgesprochen gute Lage der deutschen Wirtschaft schlägt offenbar auf die Stimmung der Menschen mittleren Alters, die meist im Arbeitsleben stehen, durch. Vier von fünf Befragten  Menschen zwischen 30 und 59 Jahren in Deutschland (79 Prozent) bezeichnen ihre Lebensqualität als gut oder sehr gut, vier Prozent mehr als in den beiden Vorjahren. 40 Prozent geben an, dass sich ihre Lebensqualität in den letzten fünf Jahren verbessert hat, nur 17 Prozent erkennen eine Verschlechterung.

Das ist das Ergebnis der Umfrage "Generation Mitte", die das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) im fünften Jahr in Folge im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) durchführte. „Dank der anhaltend guten Konjunktur ist die Generation Mitte mit ihren Lebensumständen so zufrieden wie seit vielen Jahren nicht mehr“, sagte Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher bei der Vorstellung der Studie in Berlin.

In diesem Jahr standen Deutschlands Stärken und Schwächen, die Altersvorsorge und das Berufsleben im Mittelpunkt der Studie. Dafür hat das IfD zwischen dem 1. und dem 23. August 2017 in einer repräsentativen Umfrage 1.053 Personen im Alter von 30 bis 59 Jahren befragt.

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Für 34 Prozent der Mittelalten hat sich die wirtschaftliche Lage in den vergangenen fünf Jahren verbessert, für nur 17 Prozent verschlechtert. Angst vor eigener Arbeitslosigkeit haben nur 23 Prozent der Befragten, im Vorjahr waren es noch 29. Nur noch 16 Prozent fürchten, dass Familienangehörige arbeitslos werden könnten (Vorjahr: 26 Prozent). Nur 34 Prozent sorgen sich, ob sie ihren derzeitigen Lebensstandard derzeit halten können (Vorjahr: 40 Prozent), 50 Prozent sorgen sich um ihren Lebensstandard im Alter (Vorjahr: 60 Prozent).

Deutschlands Stärken: Kultur und Wissenschaft

Die meisten Menschen mittleren Alters haben ein ausgesprochen positives Bild des Staates, der Demokratie und der Marktwirtschaft in Deutschland. Eine klare Mehrheit von 56 Prozent der Befragten verbindet mit dem Staat überwiegend Positives, nur für 27 Prozent überwiegt Negatives. Auch die EU-Mitgliedschaft Deutschlands wird überwiegend positiv gesehen: 49 Prozent sind der Meinung, sie würde die Chancen für die Generation Mitte verbessern, eine Verschlechterung vermutet nur eine kleine Minderheit von 6 Prozent.

Allerdings kommt bei einzelnen Themen doch eine deutliche Kritik an der bisherigen deutschen Politik durch: Knapp die Hälfte der Befragen (47 Prozent) plädiert dafür, dass Deutschland zukünftig verstärkt die eigenen nationalen Interessen verfolgen sollte, 37 halten das nicht für richtig. Eine weitergehende europäische Integration findet nur bei einer kleinen Minderheit der 30- bis 59-Jährigen Unterstützung: 13 Prozent sprechen sich dafür aus, jeder Dritte (32 Prozent) hält die derzeitige Verteilung der Zuständigkeiten für angemessen, eine relative Mehrheit von 37 Prozent würde gerne mehr Befugnisse an die Nationalstaaten zurückgeben.

Nach den positiven Seiten Deutschlands gefragt, nennen die 30- bis 59-Jährigen zuerst das kulturelle Angebot (83 Prozent) und die hohe Lebensqualität (80 Prozent), gefolgt von der Meinungs- und Pressefreiheit (80 Prozent), dem Gesundheitssystem (79 Prozent), der Rechtssicherheit (67 Prozent) sowie der politischen Stabilität (67 Prozent). Die Stärke Deutschlands liegt nach Ansicht der befragten vor allem in den Leistungen von Wissenschaft und Forschung begründet (72 Prozent), außerdem in der Leistungsbereitschaft der Menschen (70 Prozent) und der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen (69 Prozent).

Politischer Handlungsbedarf: Soziales und Zuwanderung

Kritik an politischen Defiziten betrifft vor allem soziale Ungleichheit, Zuwanderung und die Lage des Pflegesystems und der Alterssicherung. 77 Prozent der 30- bis 59-Jährigen sehen die ungleichmäßige Verteilung von Einkommen und Vermögen als Problem. Ein wachsender Unterschied zwischen Armen und Reichen wird am häufigsten als Risiko für die weitere Entwicklung des Landes angesehen (72 Prozent). 65 Prozent der Generation Mitte sehen die hohe Zahl der Flüchtlinge als Risiko für die weitere Entwicklung Deutschlands. 62 Prozent erkennen bei der Integration von Zuwanderern eine Schwäche.

Ebenfalls als Schwächen wahrgenommen werden Mängel beim sozialen Ausgleich (54 Prozent), bei der Chancengleichheit (53 Prozent) und bei der Absicherung gegen Armut (52 Prozent). Im Gegensatz zum als Stärke wahrgenommenen Gesundheitssystem sehen 66 Prozent bzw. 59 Prozent der Befragten das Pflege- sowie das Rentensystem als Schwächen in Deutschland. Eine stärkere staatliche Unterstützung fordern viele Befragte daher insbesondere für Pflegebedürftige und deren Angehörige (80 bzw. 87 Prozent) für Alleinerziehende (77 Prozent), für Kinder in Familien mit geringem Einkommen (68 Prozent) und Bewohner strukturschwacher Regionen (66 Prozent).

Als wichtigste Aufgaben für die neue Bundesregierung nennen die 30- bis 59-Jährigen die Sicherung des Gesundheits- und des Rentensystems (84 Prozent bzw. 76 Prozent), die Verringerung sozialer Unterschiede (79 Prozent) und die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität (78 Prozent). Persönliche Vorteile erhoffen sich die Befragten zudem von sinkenden Steuern und Abgaben (66 Prozent) und stabilen Preisen (62 Prozent).

 

Rentenreform, ja, aber bitte keine Änderungen

Die Generation Mitte sieht das deutsche Rentensystem als Schwäche (59 Prozent), befürwortet aber nur wenige Reformmaßnahmen, die sie selbst belasten würden. Hier wird eine Diskrepanz zwischen grundsätzlicher Erkenntnis und der Realisierung der persönlichen Konsequenzen deutlich. Nur eine Minderheit befürwortet ein staatlich vorgegebenes Produkt für die private Altersversorgung (39 Prozent), die Gründung eines staatlichen Rentenfonds (28 Prozent), die Pflicht zur privaten Vorsorge (16 Prozent), die Erhöhung der Rentenbeiträge (13 Prozent) oder des Renteneintrittsalters (7 Prozent).

Obwohl die meisten der Befragten ihre wirtschaftliche Lage als gut bezeichnen, ist der meistgenannte Grund für die unzureichende private Altersvorsorge fehlender finanzieller Spielraum (62 Prozent).

Überstunden, Unterforderung, wenig Flexibilität: So arbeitet Deutschland 2017

40 Prozent der Befragten können noch nicht sagen, wann sie in Rente gehen wollen oder machen den Renteneintritt von den Umständen abhängig. 24 Prozent wollen bis zum gesetzlichen Eintrittsalter arbeiten, 29 Prozent früher aufhören und nur 7 Prozent wollen länger arbeiten.

Allerdings schließt nur eine Minderheit der Befragten einen späteren persönlichen Renteneintritt kategorisch aus. Von den Befragten, die nicht länger arbeiten wollen, könnten 47 Prozent mit höheren Rentenansprüchen, 37 Prozent mit weniger Wochenstunden und 24 Prozent mit einem höheren Stundenlohn zu einer längeren Lebensarbeitszeit bewegt werden. 23 Prozent würden nur noch bestimmte Aufgabengebiete übernehmen, 23 bzw. 21 Prozent knüpfen die Bereitschaft zu einer längeren Lebensarbeitszeit an zusätzliche Urlaubstage oder Zusatzprämien. 

GDV-Präsident Wolfgang Weiler forderte bei der Vorstellung der Umfrage die Einsetzung einer Rentenkommission und eine Debatte über längeres Arbeiten. „Die Deutschen beziehen heute im Schnitt 20 Jahre lang Rente - doppelt so lange wie in den 70er Jahren. Ein wichtiger Schritt wäre bereits gemacht, wenn wir die gesetzlich vorgeschriebene ‚Rente mit 67‘ auch tatsächlich schaffen. Derzeit beginnen die Deutschen ihren Ruhestand noch anderthalb Jahre vor dem aktuellen gesetzlichen Renteneintrittsalter“

Die Ansprüche an die Arbeitgeber wachsen

 Mit der guten Beschäftigungslage wachsen offensichtlich die Ansprüche. Im Vergleich zu 2015 sind fast sämtliche Anforderungen an den Arbeitsplatz gewachsen. Arbeitsplatzsicherheit ist nicht mehr der allein ausschlaggebende Faktor. Vom Beruf erwarten die Menschen mittleren Alters neben dem sicheren Arbeitsplatz (91 Prozent) nette Kollegen (89 Prozent) und gute Vorgesetzte (79 Prozent), eine gute Altersversorgung (76 Prozent) und die Vereinbarkeit der beruflichen Anforderungen mit der Familie (74 Prozent). Ein hohes Einkommen nennen nur 57 Prozent.

Die größte Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit besteht bei der betrieblichen Altersversorgung. Sie wird von 76 Prozent als wichtiger Aspekt genannt, aber nur 26 Prozent sehen dies als erfüllt an. „Im Wettbewerb um knapper werdende Fachkräfte wird die betriebliche Altersversorgung ein relevanter Faktor", sagte GDV-Präsident Wolfgang Weiler bei der Präsentation der Umfrage. Ähnlich große Abstände zwischen Anspruch und Zufriedenheit existieren bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (74 zu 37 Prozent), guten Aufstiegschancen (51 zu 14 Prozent) und dem beruflichen Stress (49 zu 14 Prozent). Unter den 30- bis 59-Jährigen leiden 28 Prozent häufig, 51 Prozent gelegentlich unter Stress.

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