Umfrage unter Ökonomen Kaum Rückenwind für Altmaiers Industriepolitik

Peter Altmaiers Industriepolitik stößt auf Kritik von Ökonomen Quelle: REUTERS

Die Vorstöße von Deutschland und Frankreich für eine stärke industriepolitische Lenkung der Wirtschaft stoßen bei Ökonomen auf Kritik. In einigen Bereichen sehen die Experten gleichwohl staatlichen Handlungsbedarf, zeigt eine Umfrage des Bundesverbands Deutscher Volks- und Betriebswirte.

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Wenn Europas Staats- und Regierungschefs am 21. und 22. März zum EU-Gipfel zusammenkommen, wird ein Thema ganz sicher auf der Tagesordnung stehen: die Frage einer neuen staatlichen Industriepolitik. Nach dem gescheiterten Zusammenschluss der Bahnsparten von Siemens und Alstom ist zum Beispiel eine europäische Ministererlaubnis im Gespräch, mit der die Politik künftig bei Fusionen ein Veto der Wettbewerbsbehörden aushebeln könnte.

Bei Ökonomen stößt die Renaissance der Industriepolitik, die in Deutschland vor allem von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) forciert wird, allerdings auf wenig Gegenliebe. 62 Prozent halten diese für ökonomisch nicht sinnvoll, nur 32 Prozent sind dafür. Zu diesem Ergebnis kommt eine Mitgliederumfrage des Bundesverbands Deutscher Volks- und Betriebswirte (bdvb) exklusiv für die WirtschaftsWoche.

„Industriepolitik ist nicht Aufgabe des Staates. Der Staat sollte sich darauf beschränken, funktionierende Infrastruktur und funktionierenden Wettbewerb zu gewährleisten – nicht mehr, aber auch nicht weniger“, sagt bdvb-Präsident Malcolm Schauf. Zukunftsmärkte und -technologien zu identifizieren bleibe „besser der Wirtschaft überlassen“.

Die knapp 300 teilnehmenden Ökonomen äußerten sich in der Umfrage auch zur volkswirtschaftlich optimalen Höhe der Staatsquote. Diese schwankt in der Europäischen Union zwischen 56 Prozent (Frankreich) und 26 Prozent (Irland), Deutschland liegt mit knapp 45 Prozent im Mittelfeld. Ein zu hoher Wert, sagen nun 57 Prozent der Volks- und Betriebswirte. Nur 31 Prozent halten den Wert für angemessen, vier Prozent plädieren für eine höhere Staatsquote. Dass Deutschland überhaupt noch eine Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards ist, glauben gerade mal 25 Prozent der Ökonomen. „Noch nie wurde für Soziales so viel ausgegeben wie heute. Denkt man aber an die Selbstverantwortung des mündigen Bürgers und an Solidarität, so wie Ludwig Erhard sie verstand, so hat der heutige Sozialstaat mit der Sozialen Marktwirtschaft nicht mehr viel gemeinsam“, kritisiert Schauf.

In einem Punkt allerdings geben sich die Ökonomen ordnungspolitisch geschmeidig: Der Idee europäischer Champions – die Schaffung von Großkonzernen mit starker Stellung im globalen Wettbewerb – halten immerhin 63 Prozent der Umfrageteilnehmer für richtig. Gespalten sind die Experten zudem in der Frage, ob sich Deutschland stärker vor unliebsamen Investoren aus dem Ausland abschotten sollte. Die Bundesregierung kann nach aktueller Rechtslage in sicherheitsrelevanten Bereichen wie IT und Telekommunikation die Beteiligung von Investoren aus Nicht-EU-Staaten an deutschen Unternehmen untersagen, wenn der gewünschte Anteil mindestens zehn Prozent ausmacht. Diese Schwelle sei ok, sagen rund 43 Prozent der Ökonomen¬ - aber immerhin 41 Prozent sind für eine Verschärfung der Regel. Nur neun Prozent empfehlen, die Schwelle abzusenken.

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