Umfrage Wie Flüchtlinge Deutschland erleben

Über Flüchtlinge wird viel geredet. Der Streit um Einreisebewilligungen für ihre Angehörigen hat sogar zum Scheitern der Jamaika-Sondierungsgespräche beigetragen. Doch was denken die Asylbewerber und Flüchtlinge selbst?

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Die Staatssekretärin Sawsan Chebli (m.) stellt in Berlin die Kampagne „Farben bekennen“ vor. Auf Plakaten und in Videos zeigen Geflüchtete, was sie an ihrer neuen Heimat Berlin begeistert, was für sie „typisch deutsch“ ist und wie sie sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen. Quelle: dpa

Berlin Die meisten der seit 2015 zugewanderten Flüchtlinge will vor allem eines: schnell Arbeit und neue Freunde finden. Sie nehmen die deutsche Gesellschaft als ein Gemeinwesen wahr, das zwar gut organisiert ist, aber auch sehr verschlossen.

Das zeigen die Ergebnisse einer am Donnerstag veröffentlichten Studie mit dem Titel „Wie gelingt Integration? Asylsuchende über ihre Lebenslagen und Teilhabeperspektiven in Deutschland“, die der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) gemeinsam mit der Robert-Bosch-Stiftung erstellt hat. 62 Menschen wurden in Interviews ausführlich befragt.

„Es herrscht Ordnung und es gibt Gesetze. Deutschland hat viele Gesetze“, zitieren die Forscher eine 37-jährige Afghanin. In Afghanistan habe sie wegen der angespannten Sicherheitslage nie ruhig geschlafen, „hier, wenn man nachts den Kopf auf das Kissen legt, hat man ein ruhiges Gefühl“.

Kaum ein Aspekt trat in den Interviews mit den Flüchtlingen so deutlich hervor wie der starke Wunsch, zu arbeiten, um finanziell unabhängig zu werden. Viele Befragte empfinden es als unangenehm, teilweise als beschämend, von Sozialleistungen abhängig zu sein. Viele sagen, sie wollten ihre Zeit und Energie lieber in Arbeit stecken, als tatenlos „herumzusitzen“. Neben finanzieller Selbstständigkeit sehen sie Arbeit auch als Möglichkeit, soziale Kontakte aufzubauen, die deutsche Sprache zu lernen und der Gesellschaft etwas „zurückzugeben“.

Einige erhoffen sich nach Angaben der Forscher auch bessere Aufenthaltschancen, wenn sie eine Ausbildung anfangen. Obgleich der Wunsch nach Arbeit ausgeprägt ist, konnten einige der 62 Befragten aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Somalia, Albanien, dem Kosovo und Mazedonien noch nicht genau sagen, wo es beruflich hingehen sollte.

Viele Flüchtlinge klagen über soziale Isolation. Sie kennen meist nur Behördenvertreter und ehrenamtliche Helfer, haben keine privaten Beziehungen zu Deutschen. Einige Asylbewerber sind zwar ganz froh, wenn sie in Deutschland auch Kontakt zu Menschen aus ihrem Herkunftsland finden. Doch das trifft nicht auf alle zu. Vor allem Flüchtlinge aus Konfliktgebieten halten manchmal lieber Abstand zu ihren Landsleuten. Das gilt besonders für Angehörige religiöser Minderheiten und für Homosexuelle.

Flüchtlinge aus Syrien und anderen Konfliktgebieten, die auf einen Familiennachzug warten, machen sich oft so große Sorgen um enge Angehörige, die in der Heimat oder in Transitländern leben, dass sie sich kaum auf Spracherwerb und Jobsuche konzentrieren können. „Besonders die Aussagen syrischer Befragter zeigten, wie sehr die fluchtbedingte Trennung von Familienangehörigen emotional belastet“, stellt die Studie fest.

Die Schutzsuchenden mit schlechter oder mittlerer Bleibeperspektive treiben andere Probleme um. Sie fühlen sich als Asylbewerber zweiter Klasse, wenn es um Gesundheitsversorgung, Sprachkurse oder Jobvermittlung geht. Die Autoren der Studie halten fest: Damit Integration gelingen kann, „müssen die Asylverfahren deutlich beschleunigt werden“.

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