




Allensbach reagiert auf diese Kritik mit einer Korrektur. „Wir wissen, dass sich im Rückblick mehr Wähler zu den Grünen bekennen, als sie tatsächlich gewählt haben“, erklärt Institutschefin Renate Köcher. Dieser Effekt werde korrigiert, ansonsten vertraue man weiter auf die Methode. Bei den anderen Instituten spielt die Recall-Frage entweder gar keine Rolle mehr (Forschungsgruppe), oder ihr Einfluss wurde stark begrenzt (infratest dimap). Stattdessen werden die Rohdaten mit den Antworten zu Kandidaten und Themen, die sich ideologisch klar zuordnen lassen, verglichen. Am Ende aber steht zumindest bei zweien der Institute noch der Schritt: „Alle Daten zum Chef, bis weißer Rauch aufsteigt“, wie es ein Wissenschaftler ausdrückt.
Dass dabei manchmal dramatischere Ergebnisse entstehen, als es die Daten eigentlich hergeben, liegt zum einen daran, dass sich eine gewöhnliche Sonntagsfrage im Gegensatz zu einer Prognose nie dem Vergleich mit der Realität stellen muss. Oder, wie es SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier einmal ausdrückte: „Die Sonntagsfrage sagt nicht viel aus, weil alle Befragten ganz genau wissen: Sonntag ist gar keine Wahl.“ Eine Rolle spielt zudem die Bedeutung der Wahlumfragen für die Institute. „Für uns ist die Sonntagsfrage vor allem deshalb wichtig, weil sie uns bundesweite Aufmerksamkeit bringt“, sagt Emnid-Chef Schöppner.
Die meisten Institute sind Teil größerer Marktforschungskonzerne, da kann man sich so ein Aushängeschild schon mal leisten. So gehören Emnid und infratest dimap mehrheitlich zum deutschen Arm des internationalen Marktforschungskonzerns TNS, der seinerseits zur weltgrößten Werbeholding WPP gehört. Insgesamt macht die Gruppe einen Jahresumsatz von 13 Milliarden Euro, auf TNS entfallen davon 1,3 Milliarden Euro, auf infratest dimap rund sechs Millionen Euro. Infratest dimap und die Forsa-Tochter marplan sind zudem ein wichtiger Dienstleister für die Wissenschaft, Allensbach wiederum ist exzellent in der Wirtschaft verdrahtet. Institutschefin Köcher sitzt in den Aufsichtsgremien von Bosch, Allianz, BMW, Aldi Süd, Infineon und Nestlé Deutschland. Wichtiger Auftraggeber für fast alle Institute ist das Bundespresseamt, das die Studien der Regierung vergibt.
Am stärksten abhängig von Aufträgen der Medien ist die konzernunabhängige Forschungsgruppe Wahlen. „Mehr als 60 Prozent“ ihres Geschäftsvolumens kämen vom ZDF, so Gruppenleiter Jung. Beim für die ARD tätigen Institut infratest dimap liegt das Geschäftsvolumen mit der Wahlanalyse in guten Jahren bei rund fünf Millionen Euro – bei einem Umsatz von sieben Millionen Euro. Bei den anderen ist der Anteil deutlich geringer. Bei Allensbach stammen von den rund acht Millionen Euro Umsatz weniger als zehn Prozent aus der Wahlforschung, bei der jungen Konkurrenz von YouGov sind es sogar erst fünf Prozent der knapp elf Millionen Euro Umsatz.
Vielleicht liegt es auch am Geld, dass die Institute für teure Innovationen nicht gerade offen sind. Oder daran, dass die meisten Institutschefs zwar sehr gut darin sind, aktuelle politische Trends schlüssig zu erklären, aber statistische Tüfteleien nicht unbedingt ihr Metier sind. Während in den USA bereits soziale Netzwerke ausgewertet werden, um Einblick in die Stimmungen der Bevölkerung zu bekommen, ringt man hierzulande noch immer mit der Internet-Befragung. Dabei ist die in der Marktforschung längst üblich: Laut Branchenverband ADM wird kein Instrument heute häufiger für Befragungen eingesetzt. Vor allem aber sind solche Umfragen deutlich billiger als alle Alternativen, was es der neuen Konkurrenz besonders einfach macht zu punkten. Besonders die chronisch klammen Medienhäuser sind durch dieses Argument leicht zu überzeugen. So macht die „Bild“-Zeitung ihre Sonntagsfrage inzwischen mit YouGov, auch mit der Deutschen Presseagentur (dpa) unterhält der Newcomer seit zwei Jahren eine Kooperation. Sogar vom Bundespresseamt will Geißler Interesse vernommen haben, einen Auftrag von Phoenix deutet er als Zeichen dafür, dass sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk öffnen könnte.