




Bei der geplanten Pkw-Maut hofft der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter auf einen Stopp des Gesetzes durch Bundespräsident Joachim Gauck. „Präsident Gauck muss die Maut mindestens genauso gründlich prüfen wie Horst Köhler die Privatisierung der Flugsicherung. Diese hat Köhler bekanntermaßen gestoppt, weil sie verfassungswidrig war“, sagte der Bundestagsfraktionschef dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Die Maut-Gesetze könnten möglicherweise bereits an diesem Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden. Der Bundespräsident kann die Unterschrift verweigern, wenn er sie für verfassungswidrig hält.
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Pkw-Maut 2016 auf Autobahnen und Bundesstraßen einführen. Fahrer aus dem Ausland sollen nur auf Autobahnen zahlen. Eine Belastung von Inländern soll dadurch vermieden werden, dass ihre Kfz-Steuer in gleicher Höhe wie die Maut individuell gesenkt wird.
Was bei der Pkw-Maut auf die Autofahrer zukommt
Deutsche sollen für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen.
Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos. Im Schnitt kostet sie 74 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50, 4, 8, 14 oder 20 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30 oder 40 Euro.
Inländer sollen für Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer wieder entlastet werden - auf den Cent genau. Bei besonders schadstoffarmen Autos (Euro 6) soll die Steuer nun sogar stärker sinken als es dem zu zahlenden Mautbetrag entspricht.
Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
Statt an Klebe-Vignetten sollen Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Eine genaue Höhe nennt der Gesetzentwurf vorerst nicht. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
Inländer, die nachweisen wollen und können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
Finanzielle Risiken durch die Pkw-Maut?
Der Autofahrerclub ACE warnt derweil vor Haushaltsrisiken für den Bund durch die geplante Pkw-Maut. Es sei zu erwarten, dass es zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof komme und dieser die Zahlungspflicht für Fahrer aus anderen EU-Ländern aussetzen lasse. „Damit würde es zumindest bis zur endgültigen Klärung zu einem Ausfall der ohnehin geringen zusätzlichen Einnahmen kommen“, heißt es in einer Stellungnahme des Auto Clubs Europa (ACE) für eine Anhörung des Bundestags-Haushaltsausschusses am Montag. Möglicherweise könnten dem Bund demnach auch Schadenersatzzahlungen mit großem Verwaltungsaufwand drohen.
So bekommen Autofahrer die Maut zurück
Eigentlich wollte Dobrindt keine Schlupflöcher lassen und für das gesamte Straßennetz Maut kassieren. Nach Protesten aus grenznahen Regionen sollen Pkw-Fahrer aus dem Ausland nun nur noch für die Autobahnen zahlen. Das wäre theoretisch auch für Fahrer aus dem Inland denkbar gewesen. Dann hätte sich für sie aber keine allgemeine Mautpflicht einführen lassen, weil man auch jenseits der Autobahnen quer durch die Republik reisen kann. Daher kamen für Inländer die Bundesstraßen hinzu. Es bleiben aber immer noch 178.000 Kilometer Landes- und Kreisstraßen, die rechtlich betrachtet gratis sind.
Alle inländischen Autobesitzer sollen eine Jahresmaut zahlen, die im Schnitt 74 Euro kostet. Möglich sein soll aber, das Geld nachträglich per Antrag komplett zurückzufordern - wenn man glaubhaft macht, dass der Wagen in den zurückliegenden zwölf Monaten gar nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen unterwegs war. Diese Beweispflicht sei ein „unzumutbarer Aufwand“, warnt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Das lasse befürchten, „dass ich womöglich auf das Geld, das mir zustünde, schlicht verzichte“.
Die genauen Erstattungsregeln stehen noch nicht fest. Ein Element könnte sein, in einem Fahrtenbuch festzuhalten, wann man von wo nach wo gefahren ist und wie viele Kilometer es waren. Das ließe Rückschlüsse auf die benutzten Straßen zu. Das Verkehrsministerium macht kein Hehl daraus, dass dies nicht ganz unkompliziert wäre. Doch auch bei anderen allgemeinen Gebühren liege die Beweislast nun einmal bei dem, der eine Ausnahme geltend macht. Dobrindt betont aber auch ausdrücklich: „Das ist eine Härtefallregelung und wird auf ganz wenige Fälle anwendbar sein.“
Die Verbraucherzentralen sehen durchaus Interesse an Erstattungen. Es gebe „einen großen Anteil“ von Menschen, die nur auf Landstraßen und innerstädtisch fahren, etwa ältere Leute oder wenn ein Zweitwagen nur zum Einkaufen dient. Das Ministerium hat dagegen per Gutachten ergründet, dass nur weniger als ein Prozent der Autofahrer völlig ohne Bundesstraßen auskommt, die ja auch innerhalb vieler Orte verlaufen. Überhaupt sei es unrealistisch, sagt Dobrindt ironisch, dass sich viele überlegten: „Ja klar, das rote Auto wird nur noch für Autobahnen und Bundesstraßen verwendet und das schwarze Auto ausschließlich für die Kommunalstraßen.“ Auch dass viele eigens Aufzeichnungen machten, um 35 Euro Maut zurückzufordern, sei abwegig.
Wie groß das Schlupfloch werden könnte, muss sich zeigen. Angesichts von 44 Millionen zugelassenen Pkw wären ziemlich schnell Tausende Fälle zusammen. Verbraucherschützer Müller fordert denn auch Nachbesserungen, damit Nicht-Mautpflichtige tatsächlich verschont bleiben. Manche könnten sich indes die Mühe sparen, da ihnen ohnehin keine Mehrbelastung entstehen soll. Denn Inländern soll die Maut durch Reduzierungen der Kfz-Steuer voll ausgeglichen werden. Anderen könnte es dagegen ums Prinzip gehen.
Der ACE bezweifelt die Ministeriums-Prognose, dass nach Abzug der Kosten jährlich 500 Millionen Euro für Verkehrsinvestitionen übrig bleiben sollen. Bei realistischer Betrachtung trage die Maut „nur minimal zur Finanzierung der Infrastruktur bei“, heißt es in der Stellungnahme. Kritisiert wird auch, dass sie kein Systemwechsel zu einer Finanzierung durch Nutzungsgebühren sei, sondern zum Großteil eine Umbenennung der Kfz-Steuer. „Lediglich für ausländische Pkw kann man von einer echten Maut sprechen.“ Der Leiter Verkehrspolitik des ACE, Matthias Knobloch, sagte: „Es ist zu befürchten, dass die unausgegorene Idee den notwendigen generellen Systemumbau eher behindert als fördert.“
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erwartet, dass die Gerichte das umstrittene Gesetz kippen. „Wenn sich der Bund über die vielstimmige Kritik hinwegsetzt, wird die Zukunft des Mautgesetzes spätestens vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden müssen“, sagte er dem Magazin. Bis dahin herrsche Rechtsunsicherheit: „Jedes Amtsgericht könnte letztlich Bußgeldbescheide kippen, wenn es überzeugt ist, dass das Pkw-Mautgesetz gegen Europarecht verstößt.“
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte der „Welt“ (Samstag), ein Mautgesetz, das keine Ausnahmeregelungen für Grenzregionen vorsehe, „wird unsere Zustimmung nicht finden“. Dreyer sprach sich dafür aus, einen Korridor an den Grenzen einzurichten, in dem keine Maut erhoben wird. „Es ist für mich nicht vorstellbar, einem Konzept zuzustimmen, das ignoriert, dass wir ein offenes Europa haben.“
Rechtlich umstritten ist vor allem, dass nur inländische Autobesitzer für die Maut voll über eine geringere Kfz-Steuer entlastet werden sollen. EU-Recht verbietet aber eine Benachteiligung von Ausländern. Zweifel an der EU-Zulässigkeit, die auch aus der EU-Kommission signalisiert wurden, hat das Verkehrsministerium zurückgewiesen.