
Nach der Verschiebung der Pkw-Maut fordern mehrere Ministerpräsidenten den Bund auf, mehr Geld in die Infrastruktur zu investieren. Der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD) sagte der „Welt am Sonntag“, der Bund solle „den Mitteleinsatz für die Infrastruktur auf das nun einmal notwendige Niveau erhöhen“.
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nannte es in derselben Zeitung völlig unstrittig, dass in die Infrastruktur investiert werden müsse. Die Frage, woher die fehlenden Mittel kommen sollten, müsse die Bundesregierung beantworten: „Wir brauchen auf jeden Fall rasch Klarheit.“
Fragen und Antworten zum Pkw-Maut-Gesetz
Die Maut soll für alle Autos und Wohnmobile bis zu einem Gewicht von 3,5 Tonnen auf Autobahnen erhoben werden. Inländische Fahrzeughalter bekommen die Abgabe über die Kfz-Steuer erstattet, so dass sie unterm Strich nicht zusätzlich belastet werden.
Es wird drei Arten von Vignetten geben. Eine pro Jahr, eine für zwei Monate und eine für zehn Tage. Deutsche erhalten automatisch eine Jahresvignette, deren Kosten sich an Hubraum und Schadstoffausstoß bemessen und maximal 130 Euro betragen soll. Die Vignette ist Pflicht. Weil die Maut für Deutsche formal auch auf Bundesstraßen gelten soll, sei sie auch nicht zu umgehen, heißt es. Inländische Fahrzeughalter erhalten die Ausgaben aber wie erwähnt bei der Kfz-Steuer zurück.
Der Preis der Kurzzeitvignetten wurde auf Druck der SPD und auf Hinweis der EU-Kommission noch geändert und gestaffelt: Die Zehn-Tages-Vignette auf Autobahnen für Ausländer soll je nach Fahrzeugklasse entweder 5 Euro, 10 Euro oder 15 Euro kosten. Für zwei Monate sind 16, 22 oder 30 Euro fällig. Die Vignetten könne über das Internet oder an Tankstellen gekauft werden.
Die Vignette funktioniert elektronisch, wird also nicht auf die Scheibe aufgeklebt. Bei Zahlung wird sie automatisch mit dem Kfz-Kennzeichen verbunden. Das Bundesamt für Güterkraftverkehr (BAG) kontrolliert über fest installierte oder mobile Geräte per Fotoabgleich die Kennzeichen und erkennt, ob gezahlt wurde oder nicht. Dieses Verfahren existiert etwa auf verschiedenen Strecken in den USA.
Dobrindt hat sie für 2016 angekündigt, dieses Jahr soll zur technischen Vorbereitung dienen. Unklar ist, ab wann genau im Jahr 2016 die Abgabe kassiert wird. In Koalitionskreisen wurde damit zuletzt erst Ende 2016 gerechnet.
Nach Abzug von Bürokratiekosten sollen nach Dobrindts Angaben unter dem Strich jährlich 500 Millionen Euro bleiben. Sie sind zusätzlich für den Straßenbau vorgesehen. Zuvor müssen aber auch noch einmalige Kosten, etwa für das Erfassungssystem, finanziert werden, die deutlich über 300 Millionen Euro betragen.
Im Bundesrat gibt es erheblichen Widerstand gegen die Pläne. Weil das Gesetz aber nicht zustimmungspflichtig ist, kann es die Länderkammer nicht stoppen. Anfang Mai will sie abschließend noch einmal debattieren.
Anschließend prüft Bundespräsident Joachim Gauck, ob das Gesetz verfassungsmäßig zustande gekommen ist. In Einzelfällen haben Bundespräsidenten Gesetze scheitern lassen.
Als Haupthürde gilt aber die Prüfung der EU-Kommission, ob eine Ausländerdiskriminierung vorliegt. Dies könnte ein Vertragsverletzungsverfahren auslösen. Zudem wird es voraussichtlich vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) untersucht. Dies kann aber mehrere Jahre dauern.
Kramp-Karrenbauer forderte zugleich einen europaweiten Ansatz bei der Pkw-Maut. „Das Saarland ist als Grenzland besonders von der Maut betroffen. Deshalb hielten wir schon immer eine europäische Lösung für besser“, sagte die CDU-Politikerin. Sie empfahl allerdings, auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu warten.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Einführung der Pkw-Maut auf unbestimmte Zeit verschoben. Eigentlich wollte Dobrindt die Pkw-Maut im Laufe des kommenden Jahres starten.
Die EU-Kommission geht inzwischen wegen europarechtlicher Bedenken gegen die Maut juristisch gegen Deutschland vor. Begründung: „Eine Straßennutzungsgebühr ist nur dann EU-rechtskonform, wenn sie nicht auf Grund der Staatsangehörigkeit diskriminiert.“
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte dem „Spiegel“: „Die Kommission hat seit Monaten immer wieder klargemacht, dass die Pkw-Maut nur dann EU-rechtskonform ist, wenn sie nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit direkt oder indirekt diskriminiert.“
Was bei der Pkw-Maut auf die Autofahrer zukommt
Deutsche sollen für das knapp 13.000 Kilometer lange Autobahnnetz und das 39.000 Kilometer lange Netz der Bundesstraßen Maut zahlen. Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf den Autobahnen.
Alle inländischen Autobesitzer müssen eine Jahresmaut zahlen, die vom Konto abgebucht wird. Sie richtet sich nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos. Im Schnitt kostet sie 74 Euro, maximal 130 Euro. Benziner sind günstiger als Diesel.
Für Ausländer gibt es neben der genauso berechneten Jahresmaut auch zwei mögliche Kurzzeittarife: Eine Zehn-Tages-Maut für 2,50, 4, 8, 14 oder 20 Euro sowie eine Zwei-Monats-Maut für 7, 11, 18, 30 oder 40 Euro.
Inländer sollen für Mautzahlungen durch eine geringere Kfz-Steuer wieder entlastet werden - auf den Cent genau. Bei besonders schadstoffarmen Autos (Euro 6) soll die Steuer nun sogar stärker sinken als es dem zu zahlenden Mautbetrag entspricht.
Mautpflichtig sind auch Wohnmobile. Motorräder, Elektroautos, Wagen von Behinderten und Krankenwagen sind mautfrei.
Statt an Klebe-Vignetten sollen Mautzahler über das Nummernschild ihres Autos zu erkennen sein. Kontrolliert werden soll dies in Stichproben durch einen elektronischen Kennzeichen-Abgleich. Daten sollen nur hierfür erfasst und schnell wieder gelöscht werden.
Wer keine Maut zahlt und erwischt wird, muss eine Geldbuße zahlen. Eine genaue Höhe nennt der Gesetzentwurf vorerst nicht. Geldbußen sollen auch im Ausland eingetrieben werden.
Inländer, die nachweisen wollen und können, dass sie in einem Jahr nicht auf Autobahnen und Bundesstraßen gefahren sind, können die Maut zurückfordern. Nachweis könnte ein Fahrtenbuch sein.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat bereits im Dezember schriftlich rechtliche Bedenken gegen die Pkw-Maut-Pläne der CSU angemeldet. In einer Stellungnahme aus seinem Ministerium vom 1. Dezember 2014 heißt es: „Da liegt (...) ein nicht unerhebliches Risiko, dass die Kommission diese Preisgestaltung als diskriminierend und unverhältnismäßig rügen könnte (...)“. Es gebe „grundsätzliche Risiken des Regelungsmodells“.
SPD trägt die Maut nur unwillig mit
Nach der Verschiebung der Pkw-Maut hat sich CSU-Chef Horst Seehofer demonstrativ hinter Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt gestellt. „Er hat eine große Leistung vollbracht. Darum werden wir ihn auch nachhaltig bei der Auseinandersetzung mit der EU unterstützen“, sagte der bayerische Ministerpräsident der „Bild am Sonntag“.
Dobrindt hat die Einführung der Pkw-Maut auf unbestimmte Zeit verschoben, weil die EU-Kommission wegen europarechtlicher Bedenken juristisch gegen Deutschland vorgeht. Eigentlich wollte der CSU-Politiker die Maut im Laufe des kommenden Jahres starten. Seehofer zeigte sich „bitter enttäuscht“ über Brüssel: „Die neue EU-Kommission wollte näher an die Menschen heranrücken, mit ihrem Veto gegen die Maut hat sie das Gegenteil getan“, kritisierte er.
Die Abgabe belastet unter dem Strich nur ausländische Fahrer - Inländer bekommen das Geld über die Kfz-Steuer zurück. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Einführung der Maut nun auf unabsehbare Zeit verschoben. Bislang wollte er sie im Laufe von 2016 starten. Bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann es zwei Jahre dauern.
Deutschland
Der Koalitionspartner SPD hatte das Projekt nur unwillig mitgetragen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte jetzt dem „Spiegel“: „In manchen Projekten ist einfach von Anfang an der Wurm drin.“
Nach einem „Focus“-Bericht will Dobrindt in dem von der EU-Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahren Maut-Modelle anderer EU-Staaten zur Sprache zu bringen. Dazu gehörten die Gebühren des Felbertauern-Tunnels in Österreich, wo Ausländer zehn Euro für die Passage, Anrainer aber nur vier oder acht Euro zahlen müssen. Außerdem erwäge er, die relativ hohen Mautgebühren für das sehr kleine Autobahnnetz Sloweniens zu thematisieren. Von dort kommt EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc, die gegen Dobrindts Maut vorgeht.