Unbearbeitete Asylanträge Bundesflüchtlingsamt will Rückstau abbauen

Hunderttausende unbearbeitete Asylanträge haben sich im Bundesflüchtlingsamt angehäuft. Viele sind kompliziert, weil die Betroffenen keine Dokumente vorweisen können. BAMF-Chef Weise fürchtet einen Stimmungsumschwung.

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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widmet sich vermehrt älteren Fällen. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Asylanträgen beträgt deswegen rund 6,9 Monate. Das Bundesamt möchte den Rückstau bis zum kommenden Frühjahr abbauen. Quelle: dpa

Berlin Das Bundesflüchtlingsamt will den Rückstau an unbearbeiteten Asylanträgen „im Frühjahr 2017 weitgehend abbauen“. Das sagte der Behördenchef Frank-Jürgen Weise der „Bild“-Zeitung (Freitag). Bei einem Viertel der rund 400.000 angehäuften Verfahren handele es sich um „sehr spezielle und langwierige Fälle, bei denen entweder keine Dokumente vorliegen oder wir weitere Informationen aus dem Ausland brauchen“. Oft hätten die Betroffenen daran keine Schuld, weil sie überstürzt fliehen müssten oder ihre Herkunftsländer nur ohne Papiere verlassen dürfen. Zugleich warnte Weise vor einem Kippen der Stimmung im Land, falls die Integration Hunderttausender Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt scheitern sollte.

Die „Rheinische Post“ (Freitag) berichtete auf der Grundlage von Daten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Behörde starte voraussichtlich mit mindestens 450.000 nicht abgeschlossenen Asylverfahren ins neue Jahr. Das seien deutlich mehr als ein Jahr zuvor - obwohl die Behörde viel effektiver geworden ist. Ende 2015 lag die Zahl demnach deutlich unter 400.000.

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei Asylanträgen liegt Weise zufolge - nach 5,2 Monaten im Vorjahr - aktuell bei 6,9 Monaten, weil sich das Amt nun komplexeren Altfällen widme. „Neue Anträge, die in den letzten sechs Monaten gestellt wurden, entscheiden wir mittlerweile in zwei Monaten.“ Ein BAMF-Sprecher sagte der „Rheinischen Post“: „Die Verfahrensdauer wird wieder deutlich sinken, wenn die Altfälle abgeschlossen sind.“

Bis Ende November habe sein Haus rund 615.000 Entscheidungen getroffen, ergänzte Weise. „Das ist sehr viel.“ Allerdings sei die Registrierung der Asylsuchenden nur der erste Schritt. „Jetzt gilt es, die vielen Bleibeberechtigten zu integrieren.“ Rund 70 Prozent von ihnen seien im erwerbsfähigen Alter und auf der Suche nach Arbeit. „Wenn es uns nicht gelingt, diese Flüchtlinge und anderweitig Schutzberechtigten in den Arbeitsmarkt zu integrieren werden sie auf Dauer das Sozialsystem belasten und die Stimmung im Land kann kippen. Das darf nicht passieren.“

Bis jetzt seien 120.000 Schutzberechtigte in Arbeit gebracht worden, fügte der scheidende BAMF-Präsident hinzu. Auch wenn vorhandene Berufserfahrung genutzt werde, müsse aber jedem klar sein: „Das Problem des Fachkräftemangels in Deutschland kann so nicht vollständig behoben werden.“

Die Milliardenausgaben für Flüchtlinge und deren eigener Konsum steigern Ökonomen zufolge dauerhaft das Wachstum. „Beides stimuliert die Binnenkonjunktur“, sagte Ifo-Chef Clemens Fuest der „Rheinischen Post“. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte der Zeitung: „Die staatlichen Leistungen für Geflüchtete wirken wie ein kleines Konjunkturprogramm, denn ultimativ kommen sie vor allem deutschen Unternehmen und Arbeitnehmern durch eine höhere Nachfrage zugute.“ 2016 hätten Staatsausgaben für Geflüchtete das Wirtschaftswachstum „um etwa 0,3 Prozent erhöht“, langfristig seien gar 0,7 Prozent pro Jahr möglich. Die staatlichen Mehrausgaben im Zusammenhang mit der hohen Flüchtlingsmigration lagen 2016 deutlich über 20 Milliarden Euro.

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