Rein äußerlich haben die Herren nicht viel gemeinsam. Der jugendlich wirkende Carsten Linnemann mit seiner schwarzen Brille, neben Christian von Stetten - markantes Gesicht, groß, blauäugig - und Kurt Lauk mit seinen vollen, weißen Haaren. Alle drei sind CDU-Politiker und fühlen sich in besonderer Weise der Wirtschaft verpflichtet: Linnemann als neuer Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU, von Stetten als Vorsitzender des im Bundestag aktiven Parlamentskreis Mittelstandes (PKM) und Lauk, Präsident des vor allem Großunternehmen nahestehenden CDU-Wirtschaftsrates.
Die drei saßen noch nicht besonders oft an einem Tisch. Der Grund dafür, dass sie heute so nah aneinander rücken, ist klar: Koalitionsverhandlungen. Sie haben ein gemeinsames Papier mitgebracht, „Kernforderung" steht in der Überschrift. „Die wirtschaftsschädlichen Vorhaben der SPD drohen, die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nachhaltig zu verschlechtern", ist im Folgenden zu lesen. „Deshalb lehnen wir Steuererhöhungen, einen flächendeckenden, von der Politik festgelegten Mindestlohn, Eurobonds sowie eine nicht europaweit eingeführte Finanztransaktionssteuer ab." Es ist keine einfache Mission, zu der sich Linnemann, von Stetten und Lauk zusammengeschlossen haben: Sie wollen sich als marktwirtschaftliche Gewissen der Union präsentieren. Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen wirkt ihr Ton äußerst unversöhnlich - ganz im Gegensatz zu dem der CDU-Parteivorsitzenden Angela Merkel, die stets die harmonische Beziehung mit der SPD betont.
Die Wirtschaft in Deutschland besorgt das. Das Ausscheiden der FDP hat einen Raum in der Wirtschaftspolitik hinterlassen. Einfacher wird es für den Wirtschaftsflügel dadurch nicht unbedingt, seine Interessen durchzusetzen. Mit den potentiellen Partnern FDP haben die Unions-Ordnungspolitiker einige Manövermöglichkeiten verloren. Hatten sie früher Schwierigkeiten, eine Position in der eigenen Fraktion durchzusetzen, konnte die FDP dem Vorhaben durch Druck im Koalitionsausschuss nachzuhelfen.
Die Sozialdemokraten hingegen sind für die marktliberalen Kräfte in der Union eindeutig eher Gegner als Verbündete. Und bei einem der wichtigsten Themen - der Verhinderung des flächendeckenden Mindestlohns - scheinen die Unionspolitiker bereits verloren zu haben. „Die SPD muss wird für ihre Mitgliederbefragung wohl irgendwo die Zahl 8,50 Euro stehen haben müssen", so Christian von Stetten. Und ohne die Zustimmung der SPD-Basis gibt es keine Koalition. Trotzdem: „Dass der Bundestag die Löhne festlegt, das wäre verheerend", so Wirtschaftsrats-Präsident Lauk. Er deutete jedoch auch einen Kompromiss an: Eine Lösung nach dem britischen Modell, in dem ein von der Politik weitgehend unabhängiges Gremium die Lohnuntergrenze festlegt, sei möglich.
Eine deutlichere Linie zogen die Wirtschaftspolitiker beim Thema Mietpreisbremse. „Das wäre ein Eingriff in den Markt - und das würde auch nicht gut gehen", sagte von Stetten. Der Vorschlag des Unions-Wirtschaftsflügel: Wohnungsneubauten sollen schneller abgeschrieben werden können, was Investitionen erleichtere. Auch beim Thema Steuererhöhungen wollen die Marktwirtschaftler hart verhandeln: „Keine Steuererhöhungen bedeutet keine Steuererhöhungen", stellte von Stetten klar.
Von Stetten sitzt an der richtigen Stelle, um ein Abweichen seiner Partei von dieser Kernforderung zu verhindern: Er sitzt bei den Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe Finanzen, Carsten Lindemann ist Mitglied der von Arbeitsministerin von der Leyen und SPD-Generalsekretärin Nahles geführten Gruppe Arbeit und Soziales. Zeit, den eigenen Einfluss zu beweisen. „Was jetzt in diesen sechs Wochen Koalitionsverhandlungen nicht festgelegt wird, das wird in den nächsten vier Jahren schwierig durchzusetzen sein", sagt von Stetten.