Stefan Meitinger ist eigentlich ein Netter. Ein anständiger Bub, wie man bei ihm zum Hause im bayerischen Schwaben sagen würde. So einer, der in seiner Jugend am Sonntagmorgen in der Kirche als Ministrant diente und katholische Jugendgruppen leitete. Einer eben, der in die CSU eintrat, beim Bayerischen Bauernverband die Interessen der Landwirte vertritt und der in seiner Freizeit Waffeln für den guten Zweck backt. Sogar Stammzellen hat der Meitinger Stefan schon gespendet und dafür körperliche Strapazen nicht gescheut. Recht schmächtig sah er vor sechs Jahren auf den Fotos aus, die nach seiner Wahl zum JU-Ortsvorsitzenden in Aichach verschickt wurden. Gemessen an dem ungeschriebenen bayerischen Gesetz, dass Macht sich auch direkt proportional zu den Kilos verhält, die einer auf die Waage bringt, müsste Markus Söder auch heute noch keine Angst haben vor dem 28-jährigen Jungspund.
Ein Jungspund zielt auf Markus Söder
Doch „Meiti“, so sein Spitzname auf Instagram, dürfte nicht unerheblich auf die Überlegung Söders eingewirkt haben, dem Bundestreffen der Jungen Union in Münster an diesem Wochenende fern zu bleiben – und das, obwohl dieser JU-Kongress das erste Schaulaufen der potenziellen Nachfolger von Armin Laschet an der Spitze der CDU sein wird. Was also war passiert? Der „Meiti“ hat jüngst den Jagdschein gemacht und vor einer Woche hat er den Söder Markus angeschossen.
Es war am frühen Samstagnachmittag, als Meitinger bei der Landesversammlung der JU in Deggendorf ans Mikrophon trat und seinen Worten ein Raunen folgte. Dem CSU-Youngster gefiel so gar nicht, was da in den Zeilen 88 und 89 des Antrags stand, den der JU-Landesvorstand zur Aufarbeitung der Niederlage bei der Bundestagswahl entworfen hatte. „Es ist Zeit“, hieß es da, „ein schlagkräftiges, frisches Team hinter unserem starken Zugpferd Markus Söder zu bilden“. Die Partei sei keine „One-Man-Show“ und müsse sich breiter aufstellen, sagte Meitinger forsch. Und er forderte die JU auf, den Schmeichelzusatz vom „Zugpferd Markus Söder“ zu streichen. Oha.
Der Moderator der Veranstaltung zögerte. Die JU müsse sich jetzt „schon überlegen, welche Zeichen wir setzen.“ Aber der Aufrührer hatte da Stimmen und Stimmung längst hinter sich. Es war eine Frage von Sekunden, bis Meitinger per elektronischer Abstimmung Söder niederstreckte: 75 Prozent der anwesenden JUler waren für seinen Vorschlag – alles andere als ein knappes Ergebnis.
Angriff vom eigenen Nachwuchs
Söder war da zwar schon längst abgereist und mit ihm der größte Teil der Berichterstatter, weshalb in den Abendnachrichten vor allem die neue Breitseite des bayerischen Ministerpräsidenten gegen Armin Laschet das wichtigste Thema war. Doch die Botschaft aus Deggendorf ist so deutlich, dass die bayrische JU-Spitze seither um Schadenbegrenzung bemüht ist. Der JU-Landesvorsitzende Christian Doleschal greift zwar den Wunsch nach breiterer Aufstellung der CSU auf. Aber eine Schwächung Söders will er darin keinesfalls erkennen. Er stellt sich sogar gleich schützend vor ihn. „Es geht um die Zukunft der CDU,“ begründet er dessen Fernbleiben in Münster. Die CSU tue deshalb gut daran, zu sagen: „An diesem Schaulaufen beteiligen wir uns nicht.“ Doch alle Beschwichtigungsversuche und Ablenkungsangriffe in Richtung Laschet können eines nicht verbergen: Markus Söder ist getroffen – von den eigenen Leuten, vom eigenen Nachwuchs. Die Stimmung in der CDU hat sich gegen den Quertreiber aus Bayern gedreht, die große Schwesterpartei ist die ständigen Störmanöver der kleinen Schwester aus München leid. Das erkennt man auch daran, dass die mediale Zuschreibung Söders von vielen CDU-Politikern inzwischen stark bezweifelt wird.
Auch CSU-Ergebnisse sind schwach
Der Ministerpräsident laufe sich schon für die Kanzlerschaft 2025 warm? Wenn sich die Beobachter und er selbst da mal nicht täuschen! Bei der nächsten Bundestagswahl 2025 wäre Söder 58 Jahre alt – und auch in der JU gibt es genauso wie bei den Grünen und Liberalen eine umtriebige Gruppe, die Platz für ihre Generation beansprucht. Grund für diesen Anspruch hat sie: Die Bundestagswahl endete nicht nur für die CDU mit einem verheerenden Ergebnis. Auch die CSU erreichte historisch miserable 31,7 Prozent in Bayern. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass bis auf einen Wahlkreis – München Süd – alle Direktmandate in der Hand der „Schwarzen“ blieben.
Sicher, die bayerische JU war noch nie der private Fanclub des jeweiligen CSU-Chefs. Da wurde und wird schon immer gerne diskutiert und gestritten. „Offen, ehrlich und direkt“ hat gerade der Aichacher Meitinger es gern, der Söder nicht zum ersten Mal widersprach. Der Ministerpräsident solle die CSU nicht gar so grün anmalen, mahnte er ihn schon vor geraumer Zeit.
Kritik an Söder nimmt zu
Auch in der CDU sinkt die Bereitschaft, die andauernden Querschüsse aus München noch zu tolerieren. Auch deshalb ist es nach Angabe aus Parteikreisen folgerichtig, dass Söder an diesem Wochenende nicht nach Münster kommt, wo sich die Aspiranten für die Nachfolge von Laschet die Klinke in die Hand geben. Mit der Neubestimmung der CDU-Vorsitzes habe Söder zunächst einmal nicht viel zu tun, meint ein CDU-Vorstandsmitglied. Ein Auftritt Söders in diesem Zusammenhang könnte auch als Einmischung empfunden werden – so weit ist es mit den Empfindlichkeiten zwischen CSU und CSU schon gekommen. Das eigentliche Thema von JU-Chef Tilman Kuban beim Kongress der Jungen Union ist die Abgrenzung nach rechts und die Frage, wie der Neuaufbau der Partei gelingen kann. Der aber hängt direkt mit der Entscheidung an der Spitze zusammen, weshalb die CDU-Prominenz die Bühne des JU-Treffens nutzen will.
Im Rennen für den Vorsitz nach Laschet sind drei altbekannte Gesichter und zwei relativ neue Aspiranten. Neben Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Jens Spahn wägen auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und der Vorsitzende des CDU-Mittelstands Carsten Linnemann ihre Chancen.
Brinkhaus, dessen Wahl an die Spitze der Fraktion Laschet zunächst verhindern wollte, genießt viel Rückhalt bei den Bundestagsabgeordneten. Er bindet die Parlamentarier ein und absolvierte im Sommer über hundert Besuche in den Wahlkreisen vor Ort. Ob der 53 Jahre alte Steuerberater allerdings über den ausreichenden Rückhalt bei der Masse der Mitglieder verfügt, gilt als zweifelhaft.
Das trifft auch auf Carsten Linnemann zu. Der 44 Jahre alte Volkswirt ist aber immerhin der Zweitjüngste im Kreis der Bewerber und steht für die Themen Mittelstand und Wirtschaft. Ob er die aktive Unterstützung der Jungen Union erhält, wird sich kommendes Wochenende beim JU-Kongress in Münster zeigen. Der Parteinachwuchs war beim ersten Kandidatenrennen Ende 2018 noch für Jens Spahn, dann sprach sich JU-Chef Tilman Kuban für Friedrich Merz aus. Allerdings dürfte die Stimmung auf dem JU-Kongress jetzt wichtige Hinweise geben, welcher potenzielle Kandidat künftig von den Jüngeren bevorzugt wird. Kein Wunder, dass alle fünf Aspiranten ihr Kommen zugesagt haben.
Spahn und Röttgen gehen erneut ins Rennen
Weder Jens Spahn noch Norbert Röttgen haben ihre Ambitionen aufgegeben, wenngleich beide in den Kandidatenrennen zuvor den geringsten Zuspruch erhielten. Allerdings muss sich Spahn, der als Bundesgesundheitsminister nicht immer eine glückliche Figur machte und durch sein Arrangement mit Laschet in den Augen vieler beschädigt ist, eine ganz neue Strategie ausdenken. Im Gegensatz zu Röttgen (56) und Merz (65) steht der Gesundheitsminister mit seinen 41 Jahren aber immerhin für einen Aufbruch und eine Zukunftslösung, auch wenn er seit fast 20 Jahren dem Bundestag angehört und eigentlich auch schon so etwas wie ein Altpolitiker ist.
Merz startet mit einer kraftvollen Rede
Immer noch sehr beliebt bei der CDU-Basis ist Friedrich Merz. Der Wirtschaftsanwalt spricht die Sprache vor allem der traditionellen und männlichen Anhängerschaft. Da die CDU-Mitglieder älter und männlicher sind als der Bevölkerungsdurchschnitt ist das vergleichsweise hohe Alter von Merz für die Wahl kein Hindernis – nicht ohne Grund hat Merz eine Kampfkandidatur abgelehnt und drängt auf eine Entscheidung durch die Basis.
Es kommt also sehr darauf an, welches Verfahren gewählt wird. Davon werden die Kandidaten wohl auch ihre weitere Strategie abhängig machen; bis auf weiteres schweigen sie. Der Druck für eine einvernehmliche Lösung steigt allerdings unablässig. Dabei sind jedoch auch einvernehmliche Teambildungen möglich – etwa Spahn und Brinkhaus als Fraktionschef und Merz oder Röttgen als Parteivorsitzende. Dass Merz sich weiterhin gute Chancen ausrechnet, zeigt ein Blick auf die Umfragen bei den Parteianhängern. Dort liegt er immer noch vorne, deutlich vor Spahn und Röttgen. In Münster startet Merz denn auch mit einer kraftvollen Rede, die sowohl seinen Veränderungswillen als auch seinen Führungsanspruch unterstreicht.
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