Union-SPD-Streit Für wie viele Wohltaten steht die Koalition?

Leidet die heimische Bevölkerung wegen der vielen Flüchtlinge im Land? Den Gedanken von SPD-Chef Gabriel finden Unionspolitiker unsäglich. Die teils harsche Reaktion des Koalitionspartners wundert die Genossen.

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Die Aussagen von ihrem Vizekanzler in der Flüchtlingsfrage haben Angela Merkel verärgert. Quelle: Reuters

Berlin Die SPD stößt mit ihrem Ruf nach einem Sozialpaket für die heimische Bevölkerung bei der Union auf Ablehnung. Mehrere führende CDU-Politiker betonten am Montag, die große Koalition habe in dieser Wahlperiode schon Milliardenbeträge für zusätzliche Sozialausgaben bereitgestellt. Am Sonntag hatte schon Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt, es entspreche nicht den Tatsachen, dass sich viele Bürger gegenüber Flüchtlingen benachteiligt sähen. Die SPD zeigte sich verwundert über die teils harschen Reaktionen des Koalitionspartners. Schließlich gehe es nur darum, die bereits im Koalitionsvertrag getroffene Abmachungen wie eine Mindestrente umzusetzen.

Anlass des Streits ist die Forderung von SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einem „neue Solidaritätsprojekt“ mit zusätzlichen Mitteln für den Wohnungsbau, Kindergärten oder Rentner. Dazu ist er auch bereit, notfalls den ausgeglichenen Haushalt (schwarze Null) zu kippen. Der CDU warf er vor, die soziale Spaltung der Gesellschaft zu riskieren. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte Gabriel daraufhin „erbarmungswürdiges Gerede“ vorgeworfen.

Die Bundesregierung will am 23. März die Eckwerte für den Haushalt 2017 und ihre weitere Finanzplanung bis 2020 verabschieden. Wegen der guten Konjunktur hat Schäuble noch 6,8 Milliarden Euro auf der hohen Kante, die er im kommenden Jahr zur Bewältigung der Flüchtlingskrise ausgeben will. Die SPD pocht hingegen darauf, anderes nicht zu kurz kommen zu lassen.

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn warf der SPD vor, Erfolge in der Sozialpolitik unter den Scheffel zu stellen: „Ich kann nicht verstehen, dass man das jetzt kleinredet und damit am Ende das Geschäft derjenigen betreibt, die man klein halten will, nämlich die Rechtspopulisten.“ CDU-Vize Thomas Strobl hielt Gabriel auf N24 vor, die Ängste in der Bevölkerung noch zu verstärken.

Merkel hatte bereits am Sonntagabend in der ARD kritisiert: „Ich finde, die SPD und der Vorsitzende Herr Gabriel machen sich damit klein.“ Die Koalition habe vieles für Kinder, Eltern, Rentner und Kranke getan, darunter die Kindergelderhöhung, die Rente mit 63 und die Mütterrente. „So zu tun, als bräuchten wir eine riesenzusätzliche Anstrengung, sehe ich nicht“, sagte sie.

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley zeigte sich über die sehr heftigen Reaktionen überrascht. Es gehe der SPD um im Koalitionsvertrag getroffene Abmachungen wie die Mindestrente, die Ost-West-Angleichung der Renten oder das Teilhabegesetz für Behinderte. Hinzu kämen Investitionen, wo durch Flüchtlinge Mehrbedarf bestehe. Als Beispiele nannte sie den Wohnungsbau, neue Stellen im Bildungsbereich oder Job-Qualifizierungen. „Für uns ist ganz klar, dass wir dem Bundeshaushalt nicht zustimmen werden, wenn die Integrationsmaßnahmen (...) nicht darin abgebildet sind.“ Das sei die Nagelprobe für die Union, ob sie die Sorgen der Menschen ernst nehme.

Ein Sprecher Schäubles bezeichnete das Junktim der SPD als überraschend. 2017 seien im Etat für Flüchtlinge bereits zusätzliche Ausgaben von fast zehn Milliarden Euro vorgesehen.

CDU-Generalsekretär Peter Tauber unterstrich den Willen der CDU/CSU, an der „schwarzen Null“ festzuhalten: „Der ausgeglichene Haushalt ist einer der großer Erfolge der großen Koalition.“ Nach den Reuters vorliegenden Planungen Schäubles lässt sich die „schwarze Null“ allerdings 2017 nur halten, wenn die Koalition ihre Rücklagen ausschließlich zur Finanzierung der Folgen der Massenzuwanderung einsetzt. Selbst dann kann der ausgeglichenen Bundeshaushalt noch nicht als gesichert gelten, weil unklar ist, wie viele Menschen kommen werden.

„Es gibt nicht nur eine Million Flüchtlinge, es gibt auch eine Million Leiharbeiter“, sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD): „Es ist ein Unding, dass die Union ihnen die fest vereinbarten Verbesserungen verweigert und sie weiter auf mehr Geld und mehr Sicherheit warten müssen.“ Klar vereinbart sei in der Koalition auch, die solidarische Lebensleistungsrente bis 2017 gemeinsam umzusetzen: „Wir dürfen keine Abstriche machen bei unseren Wahlversprechen für die Menschen in unserem Land, das gefährdet den sozialen Zusammenhalt.“

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