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Union und SPD sondieren Gabriel warnt Parteien vor Taktiererei

Das Warten hat ein Ende. Die Sondierungsgespräche über eine große Koalition haben begonnen. Es ist aber nur ein erstes Abtasten. Mit den Grünen will die Union auch noch reden. Bis zur Entscheidung über formelle Koalitionsverhandlungen wird es noch eine Weile dauern.

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Die Streitpunkte zwischen CDU und SPD
Familien: Das gerade erst eingeführte Betreuungsgeld wollen die Sozialdemokraten abschaffen. Die CSU verteidigt es vehement, aber auch in der CDU wird die Familienleistung teilweise kritisch gesehen. Die Kinderbetreuung wollen alle ausbauen, die SPD will Kitagebühren schrittweise sogar ganz abschaffen. Das Ehegattensplitting will die SPD abschmelzen. Die Union plant einen Umbau zu einem Familiensplitting. Quelle: dpa
Mieten: Gegen drastische Mieterhöhungen schlagen Union und SPD Preisbremsen vor. Die SPD will bundesweit eine Erhöhungs-Obergrenze bei Wiedervermietungen von zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete und Maklerkosten künftig dem Vermieter aufbürden. Die Union will den Ländern für Gebiete mit angespanntem Markt die Möglichkeit zu einem Limit geben. Quelle: dpa
Arbeit: Beim Mindestlohn scheinen die Gräben überwindbar. Im Wahlkampf warb SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gemeinsam mit Katrin Göring-Eckhardt von den Grünen für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. CDU und CSU setzen dagegen auf branchenbezogene Lohnuntergrenzen in erster Linie für Arbeitnehmer ohne Tarifbindung. Kompromisse wären aber vorstellbar, denn auch der CDU-Arbeitnehmerflügel will Dumpinglöhne stärker bekämpfen. Weiterer Streitpunkt ist die SPD-Forderung nach einer Frauenquote für Aufsichtsräte. Uneinigkeit besteht ebenso in der Bewertung von Leih- und Zeitarbeit sowie bei Werkverträgen. Quelle: dpa
Verkehr: Es ist ein brisantes Thema, das die CSU zur Bedingung einer Koalition erklärt hat: eine Pkw-Maut für Ausländer auf deutschen Autobahnen. Die Union ist selbst uneins darüber. Die SPD lehnt eine Pkw-Maut strikt ab. Quelle: dpa
Steuern: Die Union hat Steuererhöhungen am Wochenende kategorisch ausgeschlossen und will die Bürger bei der kalten Progression entlasten. Auch bei der von der SPD geforderten Vermögensteuer dürften CDU/CSU nicht mitziehen. Zumindest der Wirtschaftsflügel der Union fordert zudem Entlastungen beim Solidaritätszuschlag. Die SPD kritisiert solche Vorfestlegungen als „unseriös“. Sie will große Einkommen und Vermögen stärker belasten, um Schuldenabbau, Bildung und Infrastrukturausbau zu finanzieren. Dazu soll der Spitzensteuersatz auf 49 Prozent steigen, auch eine höhere Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte ist geplant. Quelle: dpa
Rente: Im Ziel sind sich Union wie SPD einig: Wer Zeit seines Lebens gearbeitet, aber nur wenig verdient hat, soll im Rentenalter mindestens 850 Euro monatlich zum Leben haben und nicht zum Sozialamt gehen müssen. Einigen müssen sie sich über den Weg dahin. Für langjährig Versicherte fordern die Sozialdemokraten eine Solidarrente von mindestens 850 Euro. Die CDU diskutiert eine Lebensleistungsrente, die allerdings niedriger und regional unterschiedlich ausfallen dürfte. Außerdem will die Union Renten für ältere Mütter verbessern. Die Rente mit 67 hatten Union und SPD noch 2006 gemeinsam eingeführt. Inzwischen fordert die SPD deren Aussetzung, sollte der Anteil älterer Erwerbstätiger nicht deutlich steigen. Quelle: dpa
Energie: Offiziell bekennen sich Union und SPD zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur Verminderung von Treibhausgasen. Allerdings setzte sich in der Union häufig der Wirtschaftsflügel durch, um Auflagen für die Industrie zu verhindern – aktuell beispielsweise bei EU-Abgasnormen für neue Autos. Die Förderung von Ökostrom will die Union zugunsten niedrigerer Strompreise stärker einschränken. Dem könnte auch die Kohlelobby in der SPD zustimmen. Quelle: dpa

Knapp zwei Wochen nach der Bundestagswahl haben die Sondierungsgespräche über die Regierungsbildung begonnen. Am Freitag kamen zunächst 21 Unterhändler von CDU, CSU und SPD in Berlin zusammen, um die inhaltlichen Schnittmengen für eine große Koalition auszuloten. Nächste Woche Donnerstag will die Union mit den Grünen reden. Erst danach wird die Entscheidung über die Aufnahme von formellen Koalitionsverhandlungen fallen.

Vor dem Treffen in der Parlamentarischen Gesellschaft rief SPD-Chef Sigmar Gabriel die Union zu zielgerichteten und zügigen Verhandlungen auf. Gründlichkeit müsse vor Schnelligkeit gehen, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. „Aber die Parteien dürfen auch nicht taktieren und die Verhandlungen mutwillig verschleppen.“

Unionsfraktionschef Volker Kauder appellierte in der „Bild“-Zeitung an das Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten. „Es muss jetzt die Stunde konstruktiver Gespräche sein“, sagte er. CDU-Chefin Angela Merkel war aus der Wahl am 22. September als klare Siegerin hervorgegangen. Nach dem Scheitern der FDP muss sie sich aber einen neuen Regierungspartner suchen.

Das sind die Sondierungskommissionen

Der größte Streitpunkt zwischen Union und SPD ist nach wie vor die Frage, ob es Steuererhöhungen geben soll oder nicht. Daneben wird es unter anderem um die Themen gesetzlicher Mindestlohn, Betreuungsgeld, Strompreise, Pkw-Maut und Rentenreform gehen. Konkrete Festlegungen wurden vom ersten Sondierungsgespräch aber noch nicht erwartet.

In der SPD gibt es weiter große Vorbehalte gegen eine große Koalition. Der Chef der nordrhein-westfälischen Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer, sprach sich im Deutschlandfunk gegen ein solches Bündnis aus: „Ich bin generell gegen eine große Koalition. Ich bin aber dafür, dass man nach Verhandlungen die Mitglieder darüber entscheiden lässt, was wir als Ergebnis erzielt haben.“

Die SPD will bei erfolgreichen Sondierungen einen kleinen Parteitag über die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen entscheiden lassen. Bei Abschluss eines Koalitionsvertrags sollen das letzte Wort die SPD-Mitglieder haben.

Die Linke wirbt weiter für eine rot-rot-grüne Koalition. Dafür gibt es zwar eine rechnerische Mehrheit, die SPD hat aber Gespräche darüber abgelehnt. Parteichefin Katja Kipping warf den Sozialdemokraten vor, den Willen der eigenen Parteimitglieder zu ignorieren. „Wenn die SPD wissen will, wie ihre Basis tickt, sollte sie beide Optionen zur Abstimmung stellen: große Koalition und Rot-Rot-Grün“, sagte Kipping der „Süddeutschen Zeitung“.

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