Urananreicherung Wie gefährlich ist das Atomprogramm des Iran?

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Das Plutonium, das während des Reaktorbetriebs entsteht, ist mit unverbrauchtem Uran und Reststoffen vermischt, die landläufig als Atommüll bezeichnet werden. Für den Bombenbau taugt dieses Plutonium nur, wenn die Brennelemente nach relativ kurzer Bestrahlungszeit aus dem Reaktor entfernt werden. Bleiben sie zu lange drin, entstehen weitere Plutoniumarten (Isotope), die die Bombenqualität beeinträchtigen würden, weil sie das Material gewissermaßen verwässern. Wenn die Iraner einzelne Brennelemente für den IR-40 aus dem Uran herstellen, das bei der Anreicherung übrig bleibt, können sie besonders hochwertiges Bombenplutonium produzieren. Ehe sich das Plutonium zum Bombenbau nutzen lässt, muss es aber isoliert werden. Das geschieht in einer Wiederaufarbeitungsanlage, die technisch äußerst anspruchsvoll ist. Die Technik beherrschen heute nur die Staaten, die Atomwaffen besitzen, sowie Deutschland. Der stark radioaktive Brennstoff wird dort in heißer Salpetersäure aufgelöst. Der Abfall – radioaktive Atome und Moleküle, die bei der Atomspaltung übrig bleiben – wird in der nuklearen Hexenküche mit einer weiteren Chemikalie von Uran und Plutonium getrennt: durch Tributylphosphat, das mit Kerosin versetzt ist. Um letztlich das Plutonium abzutrennen, wird diese höllische Lösung mit giftigem Hydrazin versetzt. Dadurch sammelt sich das Plutonium in der Salpetersäure, das Uran im Kerosin. Aufgrund der Schwerkraft trennen sich die Fraktionen: Die plutoniumhaltige Säure sinkt auf den Grund, das uranhaltige Kerosin schwimmt darüber wie Öl auf Wasser. Nach einigen weiteren chemischen Schritten liegt das Plutonium in metallischer Form vor und kann anschließend zum Bombenbau genutzt werden. Ob die Iraner all diese hochkomplexen Prozesse bewältigen können, ist unter Experten strittig. Den Schwerwasserreaktor bauen sie aus eigener Kraft, möglicherweise mit heimlicher Hilfe russischer Experten, die das Kernkraftwerk Bushehr fertigstellen. Es könnten auch chinesische Fachleute beteiligt sein. Die Schwerwasseranlage ist schon fertig. Sie produziert bis zur Inbetriebnahme des Reaktors genauso viel Schweres Wasser, wie für die Beladung des IR-40 nötig ist. Während normales Wasser aus Molekülen mit einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen besteht, enthält ein Molekül der schweren Variante neben dem Sauerstoff zwei Deuterium-Moleküle, die jeweils aus einem Proton und einem Neutron bestehen. Schweres Wasser sorgt im Reaktor dafür, dass die im Kern entstehenden Neutronen abgebremst werden, sodass sie den nächsten Urankern spalten. Wenn sie zu schnell sind, fliegen sie einfach wirkungslos vorbei. Diagnostische Präparate, wie sie schon im Atomforschungszentrum Teheran hergestellt werden, und Brennstoff zur Stromerzeugung auf der einen Seite, Bomben auf der anderen Seite – technisch ist für das Regime im Iran beides möglich. Sollten sie sich für die Bombe entscheiden und die Technik beherrschen, haben sie nur noch ein Problem: Die Sprengkörper zu ihren Zielen zu schaffen. Die Iraner werden es nach Einschätzung von Technikern kaum schaffen, die Bomben so klein und leicht zu bauen, dass sie mit den verfügbaren Raketen transportiert werden können. Sollten Verhandlungen mit dem Iran zur Kontrolle der atomaren Anlagen scheitern, haben US-Amerikaner und Israelis noch einige Jahre Zeit, die Systeme durch Luftangriffe auszuschalten. Erst wenn der Reaktor einmal in Betrieb ist, lässt er sich nicht mehr ohne Weiteres zerstören, weil bei einem Volltreffer große Mengen an radioaktivem Abfall frei würden. Selbst die unterirdische Urananreicherungsanlage, die nur ein sehr niedriges Strahlenpotenzial hat, ist für moderne amerikanische Bomben kein unerreichbares Ziel. Erfahrung in der Zerstörung eines Reaktors, der möglicherweise zur Entwicklung von Atomwaffen genutzt werden sollte, haben die Israelis bereits: Am 7. Juni 1981 zerstörten sie den Reaktor Osirak in der Nähe der irakischen Hauptstadt Bagdad, der bereits 1980 durch einen früheren Angriff beschädigt war. Diese Attacke flogen damals ausgerechnet Piloten des Iran – das Land war zu diesem Zeitpunkt mit den USA verbündet und führte Krieg gegen den Irak.

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