Urteil des Bundesverfassungsgerichts Kein Rundfunkbeitrag für die Zweitwohnung

Rundfunkbeitrag laut Urteil grundsätzlich verfassungsgemäß Quelle: dpa

Das Bundesverfassungsgericht erklärt den Rundfunkbeitrag in seinem Urteil als größtenteils verfassungsgemäß. Allerdings beanstanden die Richter die Beitragspflicht für Zweitwohnungen. Diese ist nun hinfällig.

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Private Haushalte und Unternehmen müssen in Deutschland weiter den monatlichen Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro bezahlen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die bestehende Regelung am Mittwoch für vereinbar mit dem Grundgesetz. Nur die Doppelbelastung bei Zweitwohnungen wurde von den Karlsruher Richtern beanstandet. An dieser Stelle muss bis Juni 2020 eine Neuregelung geschaffen werden.

Vier Verfassungsbeschwerden, die Privatpersonen und der Autovermieter Sixt eingelegt hatten, blieben damit überwiegend erfolglos. Lediglich ein Kläger, der sich vor allem gegen den Beitrag für seine Zweitwohnung gewehrt hatte, gewann das Verfahren. Die Kläger hatten argumentiert, der Beitrag sei eine Steuer, welche von den Ländern gar nicht erhoben werden dürfe. Sie beanstandeten darüber hinaus, dass Single-Haushalte denselben Beitrag bezahlen müssen wie Großfamilien und eine Zahlungspflicht auch dann besteht, wenn sich kein Empfangsgerät in der Wohnung befindet.

Der Beitrag sei keine Steuer, sondern werde zweckgebunden für die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verwendet, entschied der Erste Senat in Karlsruhe. Der Auftrag für die Öffentlich-Rechtlichen bestehe darin, „ohne den Druck zu Marktgewinnen die Wirklichkeit unverzerrt darzustellen.“ Das Angebot von fast 90 Rundfunkprogrammen rund um die Uhr rechtfertige die zusätzliche finanzielle Belastung von Personen, die als Steuerzahler bereits die allgemeinen Staatsausgaben finanzierten, sagte Vizepräsident Ferdinand Kirchhof in seiner Urteilseinführung.

Wie öffentlich-rechtliche Sender in Europa finanziert werden

Die bundesweite Programmausstrahlung gebe jedem in Deutschland die realistische Möglichkeit des Empfangs. Für diesen individuellen Vorteil dürfe ein Beitrag gefordert werden. Es komme nicht darauf an, ob der Einzelne ein Empfangsgerät besitze und das Programmangebot wahrnehme. Die konkrete Möglichkeit des Empfangs erlaube es den Landesgesetzgebern, Beiträge zu erheben. Auch die Höhe des monatlichen Beitrags von 17,50 Euro „ist offensichtlich zutreffend am angebotenen Vorteil ausgerichtet und nicht zu beanstanden“, sagte Kirchhof weiter. Die Beitragserhebung unabhängig von der Haushaltsgröße sei ebenfalls rechtens. Häufig werde das Programm in Wohnungen gemeinsam angesehen. Die Verfassungsrichter verweisen hier auch auf den besonderen staatlichen Schutz, unter dem Ehe und Familie stehen. Die Ungleichbehandlung sei zudem in der Höhe hinnehmbar.

Eine doppelte Beitragspflicht für Zweitwohnungsinhaber sei dagegen nicht gerechtfertigt, denn das Programm könne nur einmal in entweder der einen oder der anderen Wohnung genutzt werden. Hier muss der Gesetzgeber bis Ende Juni 2020 eine Neuregelung treffen. Wer eine Zweitwohnung hat und mehrere Beiträge zahlt, kann jedoch ab sofort einen Befreiungsantrag stellen. Die Befreiung kann allerdings vom Nachweis der Anmeldung von Erst- und Zweitwohnung abhängig gemacht werden.

Die Verfassungsbeschwerde von Sixt wurde in allen Punkten zurückgewiesen. Der Autovermieter zahlt für jede Filiale, abhängig von der dortigen Beschäftigtenzahl, einen Rundfunkbeitrag. Zusätzlich wird eine Gebühr für seine Mietwagen mit Radio fällig. Nach Angaben des Unternehmens belief sich der Betrag innerhalb eines halben Jahres auf insgesamt 1,4 Millionen Euro. Die Belastung sei durch den Vorteil legitimiert, dass der Betrieb das Angebot zur Information und Unterhaltung von Beschäftigten und Kunden nutzen könne, so das Urteil. Die gesonderte Beitragspflicht für Fahrzeuge beruhe ebenfalls auf Vorteilen. Dass in Mietwagen Verkehrsmeldungen empfangen werden können, sei ein preisbildender Faktor im Mietwagengeschäft.

Das neue, geräteunabhängige Zahlmodell war aus Sicht der öffentlich-rechtlichen Sender in Zeiten von Smartphones und fernsehfähigen Computern eine überfällige Reform. Die Neuregelung trat jedoch eine wahre Prozesslawine gegen die aus Kritikersicht „Zwangsabgabe“ vor den Verwaltungsgerichten los. Auch die Landesverfassungsgerichte in Bayern und Rheinland-Pfalz urteilten dazu – und erklärten den Beitrag bislang für rechtmäßig, ebenso wie mehrfach das Bundesverwaltungsgericht.

Noch 150 offene Rundfunkbeitrag-Beschwerden

Nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts sind dort rund 140 Beschwerden gegen den Rundfunkbeitrag noch offen. Weitere rund 380 seien „durch Nichtannahme ohne Begründung“ erledigt, sagte ein Gerichtssprecher bereits im Mai dieses Jahres. Vor den unteren Instanzen wehren sich ebenfalls viele Beitragskritiker gegen die Abgabe. Nach jüngsten verfügbaren Zahlen waren im Jahr 2016 gut 4000 „rundfunkbeitragsrechtliche Verfahren“ vor Gerichten anhängig, teilte ein Sprecher des Beitragsservice der Öffentlich-Rechtlichen mit.

Der Rundfunkbeitrag ist die wichtigste Einnahmequelle für ARD, ZDF und Deutschlandradio. Beim Beitragsservice waren Ende 2017 rund 39 Millionen Wohnungen gemeldet. Knapp acht Milliarden Euro an Beitrag wurden vergangenes Jahr eingenommen. Derzeit verschickt der GEZ-Nachfolger rund 3,5 Millionen Schreiben an Haushalte, um den Status von bislang unbehelligten Personen zu klären. Es handele sich bei den säumigen Zahlern aber keineswegs durchweg um Menschen, die den Rundfunkbeitrag von derzeit 17,50 Euro im Monat pro Wohnung aus Prinzip ablehnten. „Es ist davon auszugehen, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle finanzielle Gründe Ursache für einen Zahlungsrückstand sind“, sagte der Sprecher.

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