US-Konjunktur „Die Gefahr einer harten Landung für die Finanzmärkte steigt“

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Viel Grund zur Sorge

Derweil treiben die Demokraten im Kongress ein Rettungspaket im Volumen von 1,9 Billionen Dollar voran, das zusätzliche Direkthilfen zur Unterstützung der Haushalte umfassen wird. Doch da Millionen Menschen bereits mit ihren Mieten und Rechnungen von Versorgungsunternehmen im Rückstand sind oder die Tilgung von Hypothekendarlehen, Kreditkartenschulden oder sonstigen Krediten ausgesetzt haben, wird ein erheblicher Anteil dieser Hilfszahlungen zur Schuldentilgung verwendet werden und auf Sparkonten fließen, und nur rund ein Drittel der Hilfen dürfte für tatsächliche Konsumausgaben genutzt werden.

Dies bedeutet, dass die Auswirkungen des Pakets auf Wachstum, Inflation und Anleiherenditen geringer ausfallen werden als erwartet. Und weil die zusätzlichen Ersparnisse letztlich wieder in Staatsanleihen fließen werden, wird das, was eigentlich als Rettungsmaßnahme für finanzschwache Haushalte gedacht war, faktisch zu einer Rettungsaktion für Banken und andere Kreditgeber.



Natürlich wird es irgendwann trotzdem zur Inflation kommen, wenn die Folgen der monetisierten Haushaltsdefizite im Verbund mit negativen angebotsseitigen Erschütterungen zur Stagflation führen. Das Risiko derartiger Erschütterungen ist infolge des neuen Kalten Kriegs zwischen China und den USA gestiegen und droht angesichts der neuerlichen Hinwendung vieler Länder zum Protektionismus und der Rückholung von Investitionen und Fertigung nach Hause einen Prozess der Entglobalisierung und der wirtschaftlichen Balkanisierung auszulösen. Aber dies ist erst auf mittlere Sicht eine Story, und nicht 2021.

Was dieses Jahr angeht, könnte das Wachstum gleichwohl hinter den Erwartungen zurückbleiben. Es treten neue Varianten des Coronavirus auf, was die Befürchtungen erhöht, dass die bestehenden Impfstoffe nicht länger ausreichen könnten, um die Pandemie zu beenden. Wiederholte Zyklen von Lockdowns und Lockerungen untergraben das Vertrauen, und der politische Druck, die Wirtschaft wieder zu öffnen, bevor das Virus eingedämmt ist, wird sich verstärken. Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind noch immer konkursgefährdet, und viel zu vielen Menschen droht Langzeitarbeitslosigkeit.

Die Finanzmärkte sind nach wie vor überhitzt – wenn nicht gar blasengefährdet –, weil sie durch eine superlockere Geldpolitik gefüttert werden. Die heutigen Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind so hoch wie während der Blasen, die den Kursstürzen der Jahre 1929 und 2000 vorweggingen. Angesichts ständig steigender Verschuldung und dem Potenzial für Blasen bei SPACs, Technologieaktien und Kryptowährungen bietet die heutige Marktmanie viel Grund zur Sorge.

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Angesichts dieser Lage sorgt sich die Fed vermutlich, dass die Märkte unmittelbar kollabieren werden, falls sie die Bowle wegräumt. Und angesichts der Zunahme öffentlicher und privater Schulden, die eine letztliche Normalisierung der Geldpolitik verhindern, nimmt die Wahrscheinlichkeit einer mittelfristigen Stagflation und einer harten Landung für Finanzmärkte und Volkswirtschaften kontinuierlich zu.

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Copyright: Project Syndicate

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