US-Militärforschung in Deutschland Entrüstet euch nicht!

Die Empörung über Forschungsprojekte des US-Militärs in Deutschland ist verlogen. Fragwürdig ist nicht die Kooperation zwischen Wissenschaft und Rüstung, sondern die Zivilklausel mancher Hochschulen.

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Ein unbemanntes Aufklärungsflugzeug

Die Deutschen entrüsten sich gerne. Wenn von Waffen oder Militär nur die Rede ist, schütteln sich viele rechtschaffene Bürger vor Ekel. Unter jeder Uniform vermuten viele Deutsche den potentiellen Nazi, und Soldaten sind für manch einen schlicht Mörder. Entsprechend ist auch der öffentlich demonstrierte Abscheu vor denen, die Waffen entwickeln und produzieren.

Nur vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass es eine Meldung auf die Titelseite der Süddeutschen Zeitung und damit ins Zentrum des deutschen Empörungsbetriebes schafft, die eigentlich allenfalls ein kurze Notiz in der Nachrichtenspalte der Hochschulseite wert ist: An deutschen Hochschulen und Instituten wird im Auftrag des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums geforscht. Der geringe Umfang der Aufträge – nicht einmal 10 Millionen Dollar über mehrere Jahre – zeigt, dass es den Autoren offenbar um Grundsätzliches geht: Forschung fürs Militär ist skandalös. Und dann noch für die Amerikaner!

Natürlich ist der besonders starke Pazifismus der Deutschen und ihre Abneigung gegen alles Militärische wohlbegründet in den schrecklichen Erfahrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der unleugbaren Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg. Biografien wie die von Pfarrer Martin Niemöller, der vom U-Boot-Kommandant und Freikorps-Führer zum radikalen Pazifisten und Wiederbewaffnungsgegner wurde, sind angesichts dieser Geschichte nachvollziehbar und verständlich.

Der deutsche Staat hatte es jungen Männern auch während des Ost-West-Konflikts leicht gemacht, den Dienst mit der Waffe aus „Gewissensgründen“ zu verweigern. Die Anträge dafür konnte man aus einschlägigen Büchern kopieren, abgelehnt wurden sie seit den 1970er Jahren praktisch nicht mehr. Wer von dieser Option, die nicht nur das Gewissen, sondern auch mancher Bequemlichkeitsvorteil des Zivildienstes nahelegte, nicht Gebrauch machte, erfuhr dafür in weiten Teilen der Bevölkerung bestenfalls Befremden. Seit dem Aussetzen der Wehrpflicht ist die Entfremdung von Militär und Gesellschaft noch weiter fortgeschritten. Und in keinem Milieu so weit, wie im universitären.

Nur diese weltweit wohl einzigartige Entfremdung macht es möglich, dass sich deutsche Hochschulen – also staatliche Institutionen, die von Beamten geleitet werden – so genannte „Zivilklauseln“ gaben. Damit verpflichten sie sich, „Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen können.“ Den Anfang machte die Universität Bremen 1986, die TU Berlin, die TU Dortmund und die Universitäten Konstanz, Oldenburg und Tübingen folgten. Zwischen 1993 und 2002 stand die Zivilklausel sogar im niedersächsischen Hochschulgesetz. Staatliche Institutionen fällen damit ein moralisches Urteil über eine andere staatliche Institution – die Bundeswehr – und verweigern ihr die Amtshilfe.  

Der Geist der hinter den Zivilklauseln mancher Hochschulen steht ist derselbe, der durch viele Redaktionen weht. Es ist die billige Empörung derjenigen, die ihre Hände gerne öffentlich in Unschuld waschen und davon ausgehen, dass sich die Drecksarbeit von alleine macht. Selbstverständlich: Rüstungsforschung ist keine Forschung wie jede andere. Sie bedarf besonderer Kontrollen. Das entscheidende Kriterium muss sein, wer den Nutzen aus ihr zieht. Die Streitkräfte verbündeter Staaten unterliegen mit gutem Grund keinen Beschränkungen für Rüstungsexporte. Warum sollte ihnen der Zugang zu deutschen Hochschulen verwehrt sein? Kooperationen deutscher Forschungsinstitutionen mit diesen Streitkräften sind ebenso wenig verwerflich wie Auftragsforschung für die Bundeswehr oder deutsche Rüstungsunternehmen.

Wer generelle Zivilklauseln fordert, muss sich fragen lassen, wie die Bundesrepublik Deutschland von den USA, ihrem wichtigsten Verbündeten, erwarten kann, als gleichberechtigter Partner wahrgenommen zu werden, wenn staatliche deutsche Forschungsinstitutionen dessen Militär als unappetitlich sanktionieren. Und wer glaubt, die radikale Ablehnung jeder Rüstungsforschung und der deutschen Rüstungsindustrie sei eine moralisch einwandfreie Position, sollte sich vielleicht kurz vorstellen, der eigene Bruder, Sohn, Freund oder Ehegatte stünde im Dienste seines Landes im lebensgefährlichen Einsatz und wäre auf die Leistungsfähigkeit der Erzeugnisse dieser Industrie angewiesen.

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