Vektorimpfstoff Johnson & Johnson: Wird der Ladenhüter zum neuen Liebling?

Bei Johnson & Johnson ist nur eine Spritze notwendig für den vollständigen Impfschutz. Hausärzte erwarten, dass die Nachfrage deshalb steigt, wie hier bei einer Impfaktion am Samstag in Meerbusch. Fast 3000 Menschen ließen sich in einem Drive-In mit dem Vektorimpfstoff impfen.   Quelle: dpa

Seit Montag ist die Impfreihenfolge aufgehoben. Mehr als 1000 Patienten haben manche Hausärzte auf ihren Listen stehen – doch mit Blick auf die nahende Urlaubssaison wollen nicht alle auf Biontech warten.

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Nur noch zwei Wochen sind es, bis in den ersten beiden Bundesländern die Sommerferien beginnen. In den beiden Küstenregionen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein geht es am 21. Juni los, eine Woche später starten dann Berlin, Brandenburg und Hamburg. Mit der Aussicht auf Urlaub dürfte bei vielen Menschen der Wunsch nach einer schnellen Corona-Schutzimpfung noch größer werden – was zu einer wachsenden Beliebtheit des Impfstoffs von Johnson & Johnson führen könnte. Doch das Angebot bleibt knapp.

513.600 Dosen Johnson & Johnson werden in dieser Woche an die Hausärzte geliefert, kommende Woche werden es lediglich 240.000 Dosen sein, für die Folgezeit gibt es nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) noch keine konkrete Prognose. Dabei waren fürs zweite Quartal 2021 rund 10 Millionen Dosen des Vektorimpfstoffs aus den USA erwartet worden. Doch ob und wann diese eintreffen, sei noch unklar, heißt es aus dem Ministerium.      

Vom Ladenhüter zum Liebling? 

Bisher galt der Impfstoff von Johnson & Johnson als Ladenhüter. Kein Bundesland hat bisher mehr als 60 Prozent der verfügbaren Mengen verspritzt: Sachsen-Anhalt führt mit 57 Prozent, das Schlusslicht bildet Mecklenburg-Vorpommern mit 36 Prozent, der bundesweite Schnitt liegt bei 47 Prozent. Im Vergleich schneidet AstraZeneca fast doppelt so gut ab: 84 Prozent der verfügbaren Lieferungen wurden in den Arztpraxen bereits verimpft, bei Biontech sind es 99 Prozent, wie die Daten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zeigen.

Doch nun fällt die Aufhebung der Impfpriorisierung zusammen mit dem Wunsch nach einem möglichst sorgenfreien Genuss von Urlaub und Lockerungen, während das Biontech-Angebot noch knapper wird: Rund 2,6 Millionen Dosen gibt es diese Woche für die Arztpraxen, rund 2,4 Millionen werden es nach Angaben des Gesundheitsministeriums kommende Woche sein, wobei viele dieser Dosen bereits für Zweitimpfungen vergeben sind. Aber nicht nur diese Biontech-Knappheit könnte Johnson & Johnson nun beliebter werden lassen.  

Nur eine Spritze für den Schutz

Denn der Vektorimpfstoff bietet eine Besonderheit, die viele Impfwillige - neben den möglichen Nebenwirkungen und der Diskussion über die Wirkung auch gegen Virusvarianten - bisher wohl skeptisch gemacht hat – die mit Blick auf den Urlaub nun aber zum Vorteil werden könnte: Denn nur bei Johnson & Johnson ist bisher nur eine Dosis notwendig für den „vollständigen Impfschutz“, der 14 Tage nach der Spritze laut Empfehlung der Ständigen Impfkommission (StiKo) erreicht ist.   

Aktuell gebe es zunehmend Nachfragen von Firmen und Privatpersonen, ob es auch Direktlieferungen möglich seien, erklärte eine Johnson & Johnson-Sprecherin. Geliefert werde aber ausschließlich zentral an die Bundesregierung, die den Impfstoff dann über die Länder an die Hausärzte verteilt.  

Auch dort, in den Praxen, wird mit einem steigenden Interesse gerechnet. Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, geht mit Blick auf die Urlaubssaison und die Lockerungen von einer wachsenden Nachfrage für Johnson & Johnson auch bei unter 60-Jährigen aus. Der Vekotrimpfstoff sei wie auch der von AstraZeneca bisher zu Unrecht weniger beliebt, ist Weigeldt überzeugt: „Die beiden Vektorimpfstoffe bieten beide nach der ersten Dosis bereits einen hohen Schutz.“

Auch bei AstraZeneca sollte dieser vollständige Schutz deshalb, wie bereits in Österreich üblich, nach der ersten Dosis ausgesprochen werden, fordert Weigeldt. Bisher sollten zwischen der ersten und zweiten Impfung laut StiKo etwa drei Monate liegen. 

Wegen der Corona-Mutante Delta will Großbritannien diesen Abstand nun verkürzen, um den Fortschritt zu beschleunigen. Menschen über 40 Jahre sollen ihre zweite AstraZeneca-Impfung innerhalb von acht Wochen nach der ersten Dosis erhalten, berichtete die britische Zeitung „Telegraph“ kürzlich. Unklar ist allerdings noch, wie gut auch Johnson & Johnson gegen die so genannte Delta-Variante wirkt. 

„Komme mir vor wie im Wettbüro“     

Große Mengen dürfen Weigeldt und seine Kolleginnen und Kollegen allerdings auch nicht von AstraZeneca erwarten. Für die laufende Woche stehen 304.800 Dosen zur Verfügung, kommende Woche werden es nach Angaben des Gesundheitsministeriums 403.200 Dosen sein. Die Lieferprognosen für die Folgewochen sind auch hier ungewiss.  



„Ich komm mir manchmal schon vor, wie im Wettbüro, wo man darauf wetten kann, wie viele Dosen es wohl nächste Woche sein werden“, kritisiert Weigeldt. „Leider ist die Gewinnchance beim Gesundheitsministerium aber so gering wie in den echten Buden. Vor allem, wenn dann kurzfristig noch mal eine Million Dosen zurückbehalten werden.“

Mehr als 1000 Patienten auf der Warteliste

Dabei sei eine bessere Planbarkeit für die Hausärzte noch dringender geworden, nachdem am Montag die Impfpriorisierung aufgehoben worden ist und die Nachfrage nach Impfungen gegen das Coronavirus noch einmal gestiegen sei: „Mehr als 1000 Patienten haben manche Kollegen jetzt auf der Warteliste für einen Termin“, berichtet Weigeldt. Keine überraschend große Zahl, aus seiner Sicht.

Eine gut laufende Hausarztpraxis könne durchaus 12.000 Patientinnen und Patienten und mehr in der Kartei haben – und wer nicht zu den ersten beiden Prioritätengruppe gehöre oder einen Termin im Impfzentrum bekommen habe, wende sich nun an seinen Hausarzt, erklärt Weigeldt: „Bei uns mangelt es aber nicht an Terminen, sondern an Impfstoff.“  

Mehr zum Thema: Die Politisierung der Pandemie macht in den USA auch vor den Impfnachweisen nicht halt. Vor allem Konservative lehnen „Impfpässe“ ab. Um sie tobt nun die nächste Schlacht im Kulturkrieg um Covid-19.

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