Verbraucher-Umfrage Staat soll gegen ungesunde Lebensmittel vorgehen

Soll der Staat den Menschen ins Essen reinreden? Ja, meint die Mehrheit der Deutschen einer aktuellen Umfrage zufolge. Vor allem, wenn es um die Qualität der Lebensmittel geht. Verbraucherschützer sehen die Politik am Zug.

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Viele Verbraucher befürworten Steuern auf ungesunde Lebensmittel, wenn damit gleichzeitig Steuersenkungen für gesunde Lebensmittel einhergingen. Quelle: dpa

Berlin Millionen Bundesbürger kochen regelmäßig zu Hause, essen viel Gemüse und wollen artgerechte Tierhaltung. Doch auch Imbiss oder Snacks unterwegs und günstige Nahrungsmittel sind weiter im Trend. Diesen Befund präsentierte zu Jahresbeginn Ernährungs- und Agrarminister Christian Schmidt (CSU), als er den Ernährungsreport 2018 vorstellte.

Kritiker warfen dem Minister vor, belanglose Daten statt Initiativen für besseres Essen zu liefern. Damit bemängelten sie etwas, was auch viele Menschen umtreibt: Der Wunsch, dass sich die Politik deutlich stärker im Lebensmittel- und Ernährungsbereich engagiert. Das zeigt eine Umfrage, die der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) anlässlich der Messe Internationale Grüne Woche in Auftrag gegeben hat.

Laut der Erhebung, erstellt von der Universität Göttingen in Zusammenarbeit mit Zühlsdorf + Partner2, meinen 62 Prozent der 1035 im November befragten Personen, die Politik kümmere sich zu wenig um Verbraucherbelange bei Lebensmitteln.

Der Unmut kommt nicht von ungefähr. Laut VZBV bewegt sich schlicht zu wenig in der deutschen Lebensmittel- und Ernährungspolitik: „Die zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode angekündigte Stärkung und Vernetzung der Lebensmittelüberwachung steht nach wie vor aus“, kritisieren die Verbraucherschützer in einem Positionspapier, das am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Beklagt wird zudem, dass „wirksame Instrumente, um eine gesunde Ernährung und die Prävention von ernährungsbedingten Erkrankungen zu unterstützen“, nicht eingeführt worden seien. Und auch beim Tierwohl-Label sei bislang keine Lösung erzielt worden.

Entsprechend deutlich fällt das Urteil des VZBV aus: „Bei zentralen Themen gab es also oftmals keinen Durchbruch oder es blieb bei Ankündigungen.“ Daher stehe die nächste Bundesregierung in der Verantwortung, die Versäumnisse in der Lebensmittelpolitik in den Blick zu nehmen, „sich ambitionierte Ziele zu setzen und Vorhaben zügig umzusetzen“. Genauso seien aber auch die Länder gefordert, Verbraucherrechte im Lebensmittelmarkt zu stärken. Handlungsbedarf sieht der VZBV etwa in den Bereichen Lebensmittelüberwachung und Ernährungspolitik.

Dass der Staat hier gefragt ist, darauf deuten auch Erkenntnisse der Deutschen Gesellschaft für Ernährung hin. Laut ihrem Ernährungsbericht aus dem Jahr 2016 sind knapp 59 Prozent der Männer und etwa 37 Prozent der Frauen übergewichtig. Im Jahr 2013 hatten etwa 16 Prozent der Männer und etwa zwölf Prozent der Frauen eine Adipositas (Fettleibigkeit). Vergleicht man die Zahlen mit denen aus dem Jahr 1999, nahm der Anteil adipöser Männer um 40 Prozent und der adipöser Frauen um 24,2 Prozent zu.

Die Verbraucherschützer werten die Befunde als Alarmsignal, zumal die damit verbundenen Folgeerkrankungen auch das Gesundheitssystem erheblich belasten können. Die Folgen von zu viel Zucker, Salz und Fetten auf dem Speiseplan des Durchschnittsdeutschen verursachen schwere Krankheiten und Kosten von jährlich mehr als 16,8 Milliarden Euro, zeigte etwa eine 2015 veröffentlichte Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Biotechnologieunternehmens Brain AG.

Die Bundesregierung, so der VZBV, müsse daher „dringend“ auf diese Entwicklungen reagieren und geeignete ernährungspolitische Maßnahmen ergreifen. Die Bürger wären dafür wohl sogar dankbar. Jedenfalls wären laut der VZBV-Umfrage 62 Prozent der Verbraucher froh, wenn der Staat für gesündere Lebensmittel sorgen würde, 66 Prozent befürworten staatliche Eingriffe grundsätzlich.

Die Erhebung zeigt auch, wie die Verbraucher zu bereits bestehenden ernährungspolitischen Instrumenten stehen. Die höchsten Zustimmungswerte erhalten demnach die farbliche Ampel-Kennzeichnung auf der Verpackungsvorderseite (79 Prozent), ein Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Fett und Salz (67 Prozent) sowie die Festlegung produktbezogener Höchstmengen für Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln (54 Prozent). Ein anderer Befund ist besonders bemerkenswert: Ein erheblicher Anteil von Verbrauchern befürwortet Steuern auf ungesunde Lebensmittel, wenn damit gleichzeitig Steuersenkungen für gesunde Lebensmittel einhergingen (48 Prozent).

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