Verbraucherrechte FDP und Grüne kritisieren Verzögerung bei der Musterfeststellungsklage

Noch im April wollte die Koalition neue Verbraucher-Klagerechte im Kabinett beschließen. Wegen diverser Vorbehalte wird das nicht klappen. Die Opposition schäumt.

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FDP und Grüne kritisieren Verzögerung bei Musterfeststellungsklage Quelle: dpa

Berlin. Mit scharfer Kritik haben FDP und Grüne darauf reagiert, dass sich die Gesetzespläne für neue Verbraucher-Klagerechte weiter verzögern. „Das Gemurkse der Groko geht weiter“, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katharina Kloke, dem Handelsblatt. „Am Ende könnten Verbraucher und Unternehmen teuer dafür bezahlen.“

Die Verbraucher-Expertin der Grünen, Tabea Rößner, erinnerte daran, dass die Große Koalition das Inkrafttreten der Musterfeststellungsklage zum 1. November versprochen habe, damit es bei dem massenhaften Betrug von Verbrauchern beim VW-Dieselskandal nicht zu einer Verjährung komme. „Die letzte Bundesregierung hat es schon versäumt, dafür die Weichen zu stellen“, sagte Rößner dem Handelsblatt. „Daher muss jetzt Dampf gemacht werden, damit das Gesetz ordentlich beraten werden kann.“

Die Kabinettsbefassung mit dem Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums war zuvor auf Anfang Mai verschoben worden, weil es noch weiteren Beratungsbedarf bei „kleineren Punkten“, wie etwa der Klagebefugnis, gebe, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. Ursprünglich hatten die Koalitionäre angepeilt, das Vorhaben noch im April im Kabinett zu beschließen. Zuletzt war ein Kabinettsbeschluss an diesem Mittwoch geplant gewesen.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast warf der Union eine Blockadehaltung vor. „Das Taktieren zu Gunsten der Wirtschaft und zu Lasten der Verbraucher zeigt klar, wem die Union den höchsten Wert beimisst“, sagte Künast dem Handelsblatt. Dem widerspreche, dass mittlerweile diverse Minister und Kanzlerin Angela Merkel selbst sagten, dass die Dieseleigentümer nicht die Last tragen dürften. „Dann müssen Merkels wohlklingenden Worten nun endlich Taten folgen.“

Künast warnte Merkel zugleich davor, die Musterfeststellungsklage „gegen andere Themen zu verdealen und einen Beschluss hinaus zu zögern“. Die Betroffenen brauchten nun „zeitnah Klarheit und das Parlament ein ordentliches Verfahren“.

Die FDP-Politikerin Kloke kritisierte, dass die Regierung den Entwurf nicht in seiner bestehenden Form in den Bundestag eingebracht habe, damit dort die „kleinen Punkte“ geklärt würden. „Das wäre angesichts des selbstauferlegten engen Zeitkorsetts sinnvoll“, sagte sie.

Denn es gehe um eine „entscheidende Weichenstellung des Gesetzes“, nämlich ob in erster Linie der Verbraucherrechtsschutz gegenüber unehrlichen Unternehmen verbessert werde oder die Regierung ein Einfallstor für eine Klägerindustrie schaffe. „Handwerkliche Sauberkeit im Gesetzgebungsverfahren muss jetzt vor unausgegorenen Formelkompromissen gehen, die am Ende Verbrauchern und Unternehmen auf die Füße fallen“, betonte Kloke.

Union und SPD hatten vereinbart, dass das neue Instrument zum 1. November in Kraft sein soll, damit angesichts drohender Verjährungen auch Betroffene des Skandals um Abgasmanipulationen bei VW-Diesel-Fahrzeugen noch davon Gebrauch machen können. Konkret sollen sogenannte Musterfeststellungsklagen dann möglich sein, wenn mindestens zehn Verbraucher ihre Betroffenheit glaubhaft machen und binnen zwei Monaten 50 weitere sich in einem Register anmelden.

Klagebefugt sollen nur „qualifizierte Einrichtungen“ sein, also etwa Verbraucherverbände. Sie könnten dann in Musterprozessen strittige Fragen grundsätzlich klären, danach müsste jeder Verbraucher seine konkreten Ansprüche in einem individuellen Prozess geltend machen.

Die Union hatte zuletzt noch Klärungsbedarf angemeldet zu der Frage, wer genau klagen darf – und gefordert, die Klagebefugnis deutlich enger zu fassen, um nicht großen Kanzleien oder Verbänden mit dem Geschäftsmodell Abmahnungen ein neues Betätigungsfeld zu schaffen.

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