Verbraucherschützer schlagen Alarm Wegen Air Berlin fallen immer mehr Flüge aus

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Unions-Fraktion reagiert zurückhaltend auf VZBV-Forderung

Das lässt auch die Verbraucherschützer nicht kalt. Der VZBV befürchtet, dass im Fall der Fälle, etwa wenn eine Airline in finanzielle Schieflage gerät, die Kunden auf ihren Forderungen sitzen bleiben könnten. Wegen einer Schutzlücke im geltenden Reiserecht, wie es heißt.

Für Pauschalreisen sieht das Reiserecht eine zwingende Absicherung der Reisekosten durch den Veranstalter durch einen externen Versicherer vor, der dem Kunden die Erstattung des Reisepreises im Fall einer Insolvenz vor Reiseantritt garantiert. Die Absicherung gilt aber nur für Pauschalreisen, also eine Kombination von wenigstens zwei Leistungen, die vom Veranstalter als Paket angeboten werden, etwa Anreise und Übernachtung. Wird nur eine Leistung verkauft, wie ein Flug, eine Bahn- oder Busfahrt, handelt es sich nicht um einen Pauschalreise-Vertrag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sondern um eine Vermittlungsleistung des Reisebüros oder Online-Anbieters, zu der kein Schutzmechanismus vorgesehen ist.

Verbraucherschützer sehen daher die Politik in der Pflicht, gesetzlich nachzusteuern. „Wir brauchen einen Insolvenzschutz, der alle Fluggäste wirksam gegen eine Insolvenz von Fluggesellschaften absichert“, sagte Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „Airlines sollten grundsätzlich gesetzlich verpflichtet werden, eine Insolvenzversicherung zugunsten vorausbezahlter Kundengelder abzuschließen, wie es bereits bei Pauschalreiseanbietern seit über zwanzig Jahren der Fall ist.“

Aufstieg und Niedergang von Air Berlin
Kim Lundgren (l), Mitgründer und Präsident der 'Air Berlin Inc.' und Pilot, mit seinem Sohn Shane Lundgren, ebenfalls Pilot bei Air Berlin Inc. Quelle: airberlin
Joachim Hunold Quelle: airberlin
Einstieg ins Linienfluggeschäft Quelle: airberlin
Service an Bord von Air Berlin 2003 Quelle: airberlin
Niki Lauda (2009) Quelle: dpa
Airbus A 320 (2005) Quelle: airberlin
dba Air Berlin Quelle: AP

Bei der Politik dringt der VZBV mit seiner Forderung jedoch nicht durch. „Selbstverständlich ist es wichtig, Marktentwicklungen zu beobachten und im Störungsfall gesetzgeberisch zu handeln“, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Tourismus der Unions-Bundestagsfraktion, Daniela Ludwig (CSU), dem Handelsblatt. „Hierzu bedarf es allerdings einer genauen Analyse und Abwägung, ob angesichts der Zahl der verkauften Flugtickets und der tatsächlich auftretenden Schadensfälle, eine flächendeckende Insolvenzversicherung gerechtfertigt ist.“

Ludwig gab zudem zu bedenken, dass der von Reiseversicherungen und einigen Airlines angebotene freiwillige Versicherungsschutz „recht wenig genutzt“ werde, was darauf hindeuten könne, dass ein tatsächlicher Bedarf nicht gesehen werde. „Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es eines gesetzlichen Insolvenzschutzes bedarf, ist nicht zwingend“, betonte die CSU-Politikerin.


Airline Condor hält Rekord für bislang längste Verspätung des Jahres

Zwar kenne das deutsche Recht mit dem „Sicherungsschein im Reisegewerbe“ eine solche Versicherung, etwa für den Fall der Insolvenz eines Veranstalters von Pauschalreisen. Aber vielmehr noch als Reisen, würden regelmäßig Geschäfte in vielen anderen Wirtschaftsbereichen abgeschlossen, insbesondere mit Dienstleistungsunternehmen. „Hierfür kennt unsere Rechtsordnung keine Insolvenzpflichtversicherung“, so Ludwig. Wenn aber jedes dieser Rechtsgeschäfte, das sich im Preissegment eines Flugtickets befinde, mit einer solchen Versicherung abgeschlossen werden würde, „würde das unser Wirtschaftsleben erheblich verteuern“.

Abgesehen davon wies Ludwig darauf hin, dass eine Versicherung immer für den Fall gedacht, der eigentlich nicht eintreten solle. Bei Reiseversicherungen sei es daher, wie bei anderen Versicherungen auch, eine Frage der Abwägung, ob man das Risiko eingehen wolle oder nicht. „Bei dieser Abwägung spielt die Frage der Kosten und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Schadenfalles eine entscheidende Rolle“, erläuterte die CSU-Politikerin. Von den hunderten Fluggesellschaften weltweit hätten im vergangenen Jahr aber lediglich neun den Betrieb eingestellt. Und, so Ludwig, nicht alle Insolvenzen endeten auch mit einem Totalverlust für den Kunden.

von Rüdiger Kiani-Kreß, Philipp Mattheis

Somit bleibt den Reisenden nur die Hoffnung, dass ihre Airline nicht in die Pleite rutscht. Ärger über Verspätungen müssen sie dann eben ertragen oder sie versuchen, eine Entschädigung zu bekommen. Ganz ohne sind Verzögerungen im Luftverkehr nämlich auch nicht. Laut der Datenbank von EUclaim hält den Rekord für die bislang längste Verspätung des Jahres die Airline Condor. Flug DE1478 von Frankfurt am Main nach Teneriffa landete Anfang Juli erst mit einer Verspätung von mehr als 44 Stunden. Schuld daran war laut Condor ein Vogelschlag.

Nicht viel besser erging es den Passagieren des Eurowings-Flugs EW176 von Köln nach Mauritius, wie EUclaim berichtet. Anfang Februar erreichten sie mit mehr als 33 Stunden Verspätung ihr Reiseziel. Ein Trostpflaster für die Strapazen: Laut EU-Recht erhalten Passagiere ab einer Verspätung von drei Stunden eine Entschädigung von 250 bis 600 Euro, wenn die Airline für die Verzögerung verantwortlich ist.

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