Verfassungsklage gescheitert Vermeintlicher Vater darf DNA-Test verweigern

Eine 66-Jährige quält bis heute die Frage, wer ihr Vater ist. Letzte Gewissheit erhofft sie sich von einer Verfassungsklage. Aber die Richter haben Bedenken, ihr das Recht auf einen Vaterschaftstest zuzusprechen.

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Laut dem Urteil gebietet das Grundgesetz gegenüber dem mutmaßlich leiblichen Vater keinen Abstammungsklärungsanspruch. Quelle: dpa

Karlsruhe Ist dieser Mann mein Vater? Eine 66 Jahre alte Frau wird auf die quälende Frage wohl keine Antwort mehr bekommen – sie scheiterte am Dienstag mit ihrer Verfassungsklage. Dabei ging es um die Möglichkeit, den heute fast 90-Jährigen zum Gentest zu zwingen.

Nach Auffassung der Karlsruher Richter ist das Recht, die eigene Abstammung zu kennen, aber nicht absolut. Es müsse insbesondere mit den widerstreitenden Grundrechten der von einer Klärung Betroffenen in Ausgleich gebracht werden, urteilten sie. (Az. 1 BvR 3309/13)

Die Frau aus Nordrhein-Westfalen hatte alle Hoffnungen in das Verfahren der sogenannten rechtsfolgenlosen Abstammungsklärung gesetzt, das es erst seit 2008 gibt. Einen Anspruch darauf hat sie aber nicht, denn der Mann, den sie für ihren Vater hält, steht außerhalb der Familie. Die Abstammungsklärung kann ein Kind nur gegenüber dem Mann durchsetzen, der rechtlich als Vater gilt.

Aus Sicht der Richter ist diese enge Begrenzung mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn eigentlich haben Menschen, die Zweifel an ihrer Herkunft plagen, auch noch die Möglichkeit, über eine Vaterschaftsklage Gewissheit zu bekommen. Der Hauptunterschied zur Abstammungsklärung ist, dass das Testergebnis zwangsläufig rechtliche Konsequenzen hat – so kann es etwa sein, dass ein Mann das Sorgerecht verliert oder im umgekehrten Fall Kindesunterhalt nachzahlen muss.

Der Klägerin steht dieser Weg nicht mehr offen. Denn ein Gericht hatte 1955 auf Grundlage zweier Gutachten nach den medizinischen Möglichkeiten der Zeit eine Vaterschaft rechtskräftig verneint. Ihr Anwalt Paul Kreierhoff nannte die Karlsruher Entscheidung daher „eine große Enttäuschung“ für seine Mandatin.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt in seinem Urteil vor allem die Grundrechte der anderen Beteiligten in den Blick. Die Mutter und der vermeintliche Vater hätten das Recht, ihre intime Beziehung geheim zu halten. Der Mann habe vielleicht Frau und Kinder, diese Familie könne schon durch den Verdacht beeinträchtigt werden. Auch in der eigentlichen Familie des Kindes, das Gewissheit sucht, gehe womöglich Vertrauen verloren. Ein Test, der ja auch negativ ausfallen könne, könne so Schäden anrichten, die nicht mehr gut zu machen seien.

Allerdings betont der erste Senat unter Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers: Eine andere Lösung sei zwar nicht geboten, aber verfassungsrechtlich denkbar. Im Bundesjustizministerium lotet derzeit ein Arbeitskreis die Möglichkeiten einer Reform des Abstammungsrechts aus.

Ergebnisse sollen Mitte 2017 vorliegen. Staatssekretärin Stefanie Hubig sagte in Karlsruhe, dabei werde auch eine Änderung des Paragrafen zur Abstammungsklärung diskutiert. Eine Position zu der Frage habe sie aber noch nicht. „Es ist eine ganz schwierige Abwägungsfrage.“

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