Verfassungsreferendum Türkischer Wahlkampf spaltet Deutschland

Sollen türkische Politiker in Deutschland für Erdogans Verfassungsreferendum werben dürfen? Diese Frage sorgt weiterhin für Ärger. Und das nicht nur zwischen Ankara und Berlin, sondern auch innerhalb von Deutschland.

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Die Absagen mehrerer türkischer Wahlkampfauftritte in Deutschland belasten das Verhältnis zu der Türkei. Quelle: dpa

Berlin Im Konflikt um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland haben mehrere Landespolitiker eine klare Linie der Bundesregierung angemahnt. Der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) sagte am Freitag im Düsseldorfer Landtag: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundeskanzlerin die Kommunen in dieser schwierigen Frage nicht so lange allein im Regen stehen lässt.“ Im Saarland forderte der Linksfraktions-Vorsitzende Oskar Lafontaine, Auftritte von türkischen Wahlkämpfern komplett zu verbieten.

Schon in den vergangenen Tagen waren mehrere Wahlkampf-Auftritte in Deutschland abgesagt worden. Am Freitag stoppte das niedersächsische Nordenham eine für Sonntag geplante Veranstaltung mit der türkischen AKP-Abgeordneten Sema Kirci. Dem AKP-Vizechef Mehmet Mehdi Eker verbot das Land zudem politische Aktionen jeder Art. Als Grundlage des Verbots nannte das Innenministerium in Hannover den Paragrafen 47 des Aufenthaltsgesetzes: Danach ist Eker jede politische Betätigung im Land untersagt, wenn sie vorher nicht rechtzeitig und korrekt angemeldet wurde. Dies habe Eker bei einem inzwischen abgesagten Termin in Hannover nicht getan.

Im hessischen Hofheim sagte die türkische Seite eine geplante Veranstaltung mit einem AKP-Politiker, der für eine Änderung der Verfassung werben wollte, kurzfristig ab. Eine Sprecherin der Veranstaltungshalle sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Buchung sei ohne Angabe von Gründen zurückgezogen worden. Vorerst nicht abgesagt wurde der Besuch der AKP-Vizevorsitzenden Nükhet Hotar am Sonntag in Hamburg. Sie wolle in die Hansestadt kommen, hieß es am Freitag im Umfeld der AKP-nahen Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Öffentliche Auftritte seien wegen der angespannten Lage jedoch nicht geplant.

Die Türken stimmen am 16. April über eine Verfassungsreform ab, die weitreichende Befugnisse für Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vorsieht. Weil die in der Bundesrepublik lebenden Türken an dem Referendum teilnehmen dürfen, will Erdogans Partei AKP auch in Deutschland für das Vorhaben werben.

Die Absage solcher Auftritte belastet seit Wochen das deutsch-türkische Verhältnis. Die regierungsnahe türkische Zeitung „Günes“ bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Freitagsausgabe als „weiblichen Hitler“ und druckten sie auf der Titelseite mit SS-Uniform, Hakenkreuz und Hitler-Bärtchen ab.

Nach Ansicht von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will die Türkei mit derartigen Provokationen ein „Reiz-Reaktions-Schema“ auslösen. „Ziel ist es, die Türkei in eine Opferrolle und die Kritiker dazu zu bringen, der Verfassungsänderung zuzustimmen, weil sie sich mit der Türkei solidarisch erklären“, sagte de Maizière im saarländischen St. Wendel.

Der vor einem Jahr geschlossene Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei wird von der Bundesregierung trotz aller Auseinandersetzungen positiv gesehen. „Wir betrachten das als einen gemeinsamen Erfolg“, versicherte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Das Sterben in der Ägäis und das Schlepperwesen seien deutlich zurückgegangen. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter sieht den Deal mit der Türkei hingegen als Sinnbild einer verfehlten Abschottungspolitik: „Diese Politik zwingt Flüchtlinge auf immer gefährlichere Fluchtrouten und treibt sie damit in die Hände ebenjener Schlepperbanden, die sie vorgibt schwächen zu wollen.“

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