Das Hochfest der Bundestagsabgeordneten beginnt Morgennachmittag um 17.15 Uhr. Verkehrsminister Alexander Dobrindt will dann in einer außerordentlichen Sitzung den Mitgliedern des Verkehrsausschusses berichten, wo der Bund bis 2030 bauen will.
Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans, der dem Handelsblatt vorliegt, umfasst allein mehr als 700 Projekte, die der Bund als vordringlich einstuft. 84 davon erhalten sogar ein „+“, um deren besondere Dringlichkeit zu verdeutlichen. Es soll das „nationale Prioritätenkonzept“ sein.
Alle 15 Jahre buhlen die Länder um das Geld des Bundes und melden dazu tausende Projekte für den Plan an. Der Bund hat dann die Aufgabe, die wichtigsten zu identifizieren. Dazu ermitteln die Fachleute im Ministerium und externe Gutachter den Nutzen sowie die Kosten eines jeden Projektes und stellen sie ins Verhältnis. Je höher es am Ende ist, desto wichtiger ist das Projekt. So die Logik.
Projekte, die es nicht in die vorderen Reihen schaffen, werden frühestens in 15 Jahren wieder auf die Liste gehoben. Entsprechend mutiert jeder Abgeordnete zum obersten Lobbyisten seiner Region. „Wir brauchen die zweite Rheinbrücke“, forderten etwa im gerade beendeten Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz CDU und SPD unisono.
Andere berichten zuhause immer wieder gerne, wie sie regelmäßig bei Minister Dobrindt dafür kämpfen, dass ihr lokales Projekt vom Bund umgesetzt wird – bundespolitische Bedeutung hin oder her.
50 Milliarden für die Straßen
Bei der Auswahl der Projekte spielt allerdings nicht immer nur das Kosten-Nutzen-Verhältnis eine Rolle. Auch andere Faktoren sind wichtig, die die Auswahl schnell zum Politikum werden lassen. So fehlt in dem Entwurf etwa in Nordrhein-Westfalen die Autobahn A44 in Essen oder das Autobahnkreuz Köln-Godorf oder die A46 von Düsseldorf nach Hilden.
Auch der vom ADAC als dringlich angesehene Ausbau der A1 zwischen Schwerte und Dortmund oder am Kreuz Bliesheim gilt nicht als vordringlich. Dabei geht es dort ums Hauptanliegen: die Autobahn auszubauen und so angesichts des zunehmenden Verkehrs auf den wichtigen Magistralen Staus zu verhindern.
Von den 260 Milliarden Euro sollen rund 50 Milliarden in den Neu- und Ausbau der Straßen fließen. Im alten Plan waren fast 52 Milliarden Euro vorgesehen – bis 2013 wurden reell 34 Milliarden verbaut. Mehr als 140 Milliarden Euro will der Bund in den Erhalt der bestehenden Verkehrswege stecken, davon 66 Milliarden in die Straßen.
Von 2001 bis 2013 waren es nur 22 Milliarden Euro, reell investiert wurden indes 27 Milliarden. Der Bedarf steigt. Rund 50 Milliarden Euro aber sind für den Neu- und Ausbau von Straßen reserviert, darunter bereits laufende und fest disponierte Projekte.
Bundesländer | Projekte im VB insgesamt (in Milliarden Euro) |
Bayern | 5,1 |
Baden-Württemberg | 5,2 |
Berlin | 0,02 |
Brandenburg | 0,9 |
Bremen | 0,4 |
Hamburg | 1,1 |
Hessen | 3 |
Mecklenburg-Vorpommern | 0,3 |
Niedersachsen | 6 |
Nordrhein-Westfalen | 6,2 |
Rheinland-Pfalz | 1,2 |
Saarland | 0,1 |
Sachsen | 0,7 |
Sachsen-Anhalt | 1,5 |
Schleswig-Holstein | 1,4 |
Thüringen | 0,8 |
Gesamt | 33,92 |
Der Plan umfasst nicht nur Straßen, sondern auch Schienen- und Wasserwege. 34 Milliarden Euro sollen in den Neu- und Ausbau für die Bahnen fließen und fünf Milliarden in die Wasserwege. Doch tauchen im Entwurf Ungereimtheiten auf: So gibt es etwa bei den Wasserwegen durchaus dringliche Projekte wie die Vertiefung der Fahrrinne am Mittelrhein (Nutzen-Kosten-Verhältnis von 30,7) oder des Untermains bei Aschaffenburg (27,6) oder am Nord-Ostsee-Kanal (8,8). Daneben gibt es aber auch Projekte, die sich nicht rechnen, aber als vordringlich gelten, etwa die Schleuse in Lüneburg-Scharnebeck (0,7) oder die Moselschleusen (0,2). Drei Milliarden Euro fehlen so am Ende für weit dringlichere Projekte an anderer Stelle.
Bei den Schienenprojekten sieht es ebenfalls kritisch aus. Unter den neuen Vorhaben finden sich 20 Projekte, von denen drei ein „+“ erhalten haben. Dazu gehört der Ausbau der Strecke von Paderborn nach Halle (16), Burgsinn nach Nürnberg (4,8) und von Uelzen nach Halle (3,1). Allerdings finden sich darunter auch fragwürdige Projekte, die sich mit Blick auf das Gesamtnetz nicht rechnen. Dazu gehört die Strecke München-Freilassing, deren Nutzen für sich gerechnet gerade einmal so hoch ist, wie es die Kosten sind (1,0) oder die Ausbaustrecken München-Kufstein (1,1), Nürnberg-Passau (1,2) und Nürnberg-Hof (1,1) und von Hof nach Obertraubling (1,5). Gut sechs Milliarden Euro kosten die Maßnahmen.
Ab dem 21. März werden die Bürger beteiligt – bundesweit. Danach wird der Plan endgültig festgezurrt. Auf Basis des Verkehrswegeplans beschließt dann der Bundestag die dazu gehörigen Ausbaugesetze. Spätestens dann feilschen die Abgeordneten, damit es ihre Projekte ins Gesetz schaffen.
Übersicht: Die Millionen für den Zugverkehr und die Schifffahrt
Wasserstraßen im vordringlichen Bedarf | Kosten in Mio. € | Nutzen-Kosten-Verhältnis |
Abladeoptimierung der Fahrrinne am Mittelrhein* | 60 | 30,7 |
Vertiefung Nord-Ostsee-Kanal* | 263 | 8,8 |
Erweiterung Wesel-Datteln-Kanal* | 103 | 3,6 |
Vertiefung Untermain | 28 | 27,6 |
Vertiefung Außenems | 37 | 5,4 |
Ausbau Datteln-Hamm-Kanal | 156 | 3,5 |
Saatsee-Kurve am Nord-Ostsee-Kanal | 12 | 2,7 |
Seewärtige Zufahrt zum Seehafen Rostock | 69 | 2,7 |
Donau-Ausbau Straubing-Vilshofen | 255 | 2,2 |
Abladeoptimierung Rhein zwischen Duisburg und Köln | 104 | 2,1 |
Seewärtige Zufahrt zum Seehafen Wismar | 79 | 2,4 |
Anpassung Nordstrecke Dortmund-Ems-Kanal | 28 | 2 |
Ausbau Havel-Oder-Wasserstraße | 141 | 2,2 |
Ausbau Stichkanal Salzgitter | 93 | 2 |
Fahrrinne Außenems | 62 | o.A. |
Fahrrinne Unterweser (Nord) | 35 | o.A. |
Fahrrinne Unterweser (Süd) | 5 | o.A. |
Neubau Schleuse Lüneburg-Scharnebeck | 270 | 0,7 |
Verlängerung Neckarschleusen Mannheim-Heilbronn | 295 | 0,4 |
Verlängerung Neckarschleusen Mannheim-Stuttgart | 564 | 0,6 |
Verlängerung Neckarschleusen Mannheim-Plochingen | 718 | 0,7 |
Bau von sieben 2. Moselschleusen | 579 | 0,2 |
Ausbau Elbe-Lübeck-Kanal | 790 | 0,5 |
Schienenstraßen | Kosten in Mio. € | Nutzen-Kosten-Verhältnis |
Ausbau Ulm-Lindau | 221 | 2,9 |
Ausbau Hanau-Erfurt (Alternative Mottgers)** | 3920 | 1,6 |
Ausbau Hanau-Erfurt (Alternative Gelnhausen)** | 3387 | 1,3 |
Korridor Mittelrhein Zielnetz I | 3800 | 2 |
Ausbau Karlsruhe-Basel | 2641 | 2,9 |
Ausbau München-Freilassing | 820 | 1 |
Ausbau München-Rosenheim | 1211 | 1,1 |
Ausbau Nürnberg-Erfurt | 941 | 1 |
Ausbau Hamburg-Puttgarden | 1232 | 1,5 |
Ausbau Burgsinn-Nürnberg | 165 | 4,8 |
Ausbau Nürnberg-Passau | 427 | 1,2 |
Ausbau Paderborn-Halle | 69 | 16 |
Ausbau Hannover-Bielefeld | 1651 | 1,8 |
Ausbau Nürnberg-Hof | 842 | 1,1 |
Ausbau Uelzen-Halle | 384 | 3,1 |
Ausbau Hof-Obertraubling | 588 | 1,5 |
Rhein-Ruhr-Express | 1539 | 2,3 |
Ausbau Großknoten | 2000 | o.A. |
Ausbau Kombiverkehr/Rangierbahnhöfe | 400 | o.A. |
Ausbau Hannover-Hamburg-Bremen „AlphaE“ | 2500 | o.A. |
Quelle: Entwurf des Bundesverkehrswegeplans. * Besonders vordringliche Projekte (VB+) **Auswahl der Alternative im Bürgerdialog |